Bürgerträume

BürgerträumeDa spukt sie schon im Nachtgewande
und tritt besonders leise auf.
Ich mein‘ die Stadt, des Tages Schande,
den Bastard aus „Gewinn“ und „Kauf“.

Als könnt kein Wässerchen sie trüben,
so friedlich liegt sie unterm Mond –
und wird gewiss in Träumen üben,
was morgen sich am meisten lohnt.

Verehrte Kundin, Kunde wert,
lass ohne Eigennutz dir raten:
Das Einz’ge, was dich heute schert,
sei unser Supersauerbraten!

Wir garantieren Qualität:
Nur frischeste und feinste Ware,
geprüft mit Gaumen und Gerät
vom Fachmann über viele Jahre.

Dazu, drum doppelt hingelangt,
zum maximal geringsten Preise –
den haben wir für dich verschlankt
nach guter alter Kaufmannsweise.

So sichre dir – ‘s geht auf den Rest –
noch deinen Anteil auf die Schnelle
und mach den Alltag dir zum Fest
mit ff. Fleisch von „Meister Pelle“!

– – – – – – – –

He, Leute, kommt vom Schlachter weg –
ihr könnt nicht bloß die Plautze pflegen!
Der Mensch erfüllt nur seinen Zweck,
sofern sich Ziele in ihm regen.

Und so ein Ziel im wahrsten Sinn,
muss man da lange spekulieren?,
ist doch der Feind, der bis ans Kinn
gerüstet, dich zu massakrieren!

Mit Waffen also dich gewehrt!
Bekrieg, die dich bekriegen wollen!
Wir führen, was dein Herz begehrt
zu deinem Schutz – schöpf aus dem Vollen!

Vielleicht darf’s ein Pistölchen sein?
Passt gut in eine Damentasche.
Und springt mit einem Handgriff ein,
versucht’s wer mit der rüden Masche.

Dem Herrn empfehlen fürs Jackett
wir eine größere Kanone –
die macht sogar Kaliber wett
vom Schlage eines Al Capone.

Doch auch wer höh’ren Anspruch hat,
kann unbesehen auf uns zählen:
Raketen, Minen, Mörser satt –
und zig Modelle, um zu wählen!

Ja, selbst die höchste Waffenkraft,
der Feinde massenhaft erliegen,
die – volles Rohr! – vom Hals sie schafft,
den Panzer kannst du bei uns kriegen.

So proben unsre Bürgersleute
im Kissen noch die nächste Schlacht
und sind schon richtig heiß auf Beute,
bevor der Dez noch recht erwacht.

Kaum sind sie in den Puschen wieder,
weihn emsig sie sich dem Profit
und zeigen, wie man ehrbar, bieder
den Nächsten übern Tresen zieht.

Verschieden ihre Sortimente,
doch allen gleich die Gier nach Geld.
Am Ende zählen nur Prozente.
So „menschlich“ ist die Warenwelt.

Jetzt aber geh ich selber schlafen
und träume das und träume dies –
am liebsten erst einmal von Schafen –
von denen ohne goldnes Vlies.

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