Dem Dämmer auf der Spur

Es hat doch alles einen Namen,
und wär er uns auch unbekannt
und aus dem Hirn nicht rauszukramen,
selbst wenn wir fix noch bei Verstand.

Das muss man nicht so wichtig nehmen,
ist ja aus gutem Grund normal,
denn Dinge, die in Frage kämen,
die gibt es einfach ohne Zahl.

Das Nilpferd schwimmt uns noch vor Augen,
weil früh man uns dies Tier gelehrt –
doch wofür soll ein Teufel taugen,
der in Tasmanien nur verkehrt?

Ein Falter auch mit vollen Segeln,
der flatternd durch die Wiese streift –
ein Admiral nach Seemannsregeln,
dem man bisweilen Seite pfeift?

Wenn ich dem Wörtchen „Plötze“ lausche,
fällt mir vielleicht ein Fischlein ein,
doch schon bei Renke und Karausche
bin ich am Ende mit Latein.

Noch schwerer mir’s bei Pflanzen fiele,
da geht es noch viel bunter zu –
die eine nennt sich Wiebelschmiele,
die andre Phlox und Frauenschuh.

Na, und so weiter und so weiter
vom Mineral bis zum Gestirn.
Die Wortpalette, sie wird breiter,
doch fasslicher nicht fürs Gehirn.

So wird das Wissen um die Erde,
wie es von großem Wert gewiss,
zum seelenlosen Steckenpferde
fürs hoch dotierte Fernsehquiz.

Und dieser Trend, er wird nicht brechen,
entsteht doch Neues immerfort,
und um vom Alten abzustechen,
braucht’s erst einmal ein neues Wort.

Da dreht die Technik an der Schraube,
die Wissenschaft, die Industrie,
und letztlich auch der Aberglaube,
dass es dem Sprecher Glanz verlieh.

Geht spät am Tag ihr gern spazieren,
wenn schon der Abend auf dem Sprung
und Schatten halbwegs schon regieren
das Zwischenreich der Dämmerung?

Ist nie euch in den Sinn gekommen,
dass die, so farblos wie ‘ne Maus,
verschiedne Namen angenommen,
je nach dem Fortschritt ihres Graus?

Das, was wir Dämmerung so nennen,
ist dem Experten viel zu fad.
Er will den Stand der Sonne kennen –
nach ihrem Untergang. In Grad.

Befragt, wird er uns gern belehren:
Bis untern Horizont sie wich
sechs Grad genau in andre Sphären,
bleibt unser Dämmer „bürgerlich“.

Der Seemann wird nicht viel drauf geben,
mit einem andern Lot er misst:
Bis man die Kimm noch sieht so eben,
bekommt der Dämmer eine Frist.

Dann hat die Sonne still und leise
schon sechs Grad weiter es geschafft –
bis zu dem Punkt, erklärt der Weise,
bleibt er als „nautisch“ noch in Kraft.

Verläuft sich aber nun im Sande?
Der Zwielicht-Gipfel ist erreicht,
und rings zu Wasser und zu Lande
kein Schimmer mehr die Lüfte bleicht?

Wer das vermutet, kennt indessen
die Zunft der Himmelskundler schlecht –
die haben immer schon besessen
den Eulenblick, der nachtgerecht.

Sehn wir die Hand nicht mehr vor Augen,
erspähn sie noch ‘nen trüben Fleck,
aus dem sie locker Honig saugen:
‘ne Galaxie in x Parsec!

Deshalb den Dämmer sie auch dehnen,
bis schon der erste Stern erwacht,
solang sie hell genug ihn wähnen,
dass er noch absticht von der Nacht.

Die Sonne: Achtzehn Grad gesunken.
Beim  Dämmertörn heißt’s: Endstation!
Nichts kann jetzt mehr dazwischenfunken –
was toppt denn „astronomisch“ schon?