Der alte Treffpunkt

Der alte TreffpunktNun haucht das Lämpchen wieder Leben
der Küche ein zur Abendzeit,
mit Licht und Wärme zu umgeben,
was blind sonst läg in Dunkelheit.

Ein Knips, und schon erwachen wieder
die Dinge greifbar zur Gestalt,
so jäh, wie einem in die Glieder
der Schreck fährt, wenn Alarm erschallt.

Und unverzüglich lass ich kreisen
die Augen um mein Jagdrevier –
ja, dort der Kühlschrank mit den Speisen,
ja, Herd und Waschmaschine hier.

Dass auch im Finstern sie da stehen
wie hellen Tags scheint offenbar,
obwohl nebst andern Koryphäen
sich Fichte da nicht sicher war.

Wie dem auch sei, ich freu mich ihrer
nie unwillkommnen Gegenwart
und widme deshalb diesen Vierer
dem alten Streit um Kaisers Bart.

Bin abgeschweift. Ich wollte sagen:
Dies ist mein Rhodus, wo ich spring,
wo ich mit Wein und Wohlbehagen
der Musenjury Proben sing.

(Ich weiß bis heut nicht, was die halten
von meiner Reimeklopperei:
Gegrunz von einem Durchgeknallten?
Doch auch kein Wort, dass pfui es sei!)

Den Pinsel hab ich aufgenommen,
er liegt wie immer griffbereit,
und schau, ein bisschen noch beklommen,
aufs Blatt, das schon nach Versen schreit.

Doch unbesorgt: Die Silben triefen
gleich üppig aus dem Honigmund,
als ob sie schon im Rachen schliefen
statt in des Hirns entferntem Rund.

(Hier mach ich rasch ‘ne kurze Pause,
die dringlich rät mir die Natur,
und flitz wohin in diesem Hause.
Der erste Vers mit Klozäsur!)

Gebongt. Jetzt kann es weitergehen.
Ahem, wo warn wir gleich noch mal?
Ja, dass wo wir die Leier drehen,
mit Sicherheit nicht piepegal.

Ich brauch zum Beispiel diese Therme,
die immer ächzt und immer stöhnt
und dennoch mich mit ihrer Wärme
so schön verschwenderisch verwöhnt.

Genauso brauch ich diese Rippen
der Heizung, die ich vor mir seh,
und hinter mir die Box mit Schrippen
und die mit ihrem Tütentee.

Ich möchte auch den Topf nicht missen
(obwohl die Form ich nie gemocht),
der schon am Boden ganz zerschlissen
von all den Jahren, die er kocht.

Der Tisch, die Stühle – alles Sachen,
die unabdingbar meinem Geist,
der, frisches Feuer zu entfachen,
dem alten gern die Glut entreißt.

Das Umfeld so perfekt gegeben,
braucht’s eigentlich nur noch Talent,
es sei denn, dass der Saft der Reben
dir Zeilen auf die Zunge brennt.

Wie ich’s ja schulde nur den Trauben,
wenn locker ich zur Lyra lall,
da anders mir verwehrt zu rauben
den Kuss vom pierischen Walhall.

Nun könnt ihr sicherlich begreifen,
wie sehr ich diesen Brennstoff brauch:
Ich fürchte, würd ich auf ihn pfeifen,
versiegte mir die Tinte auch.

O Schreck, da ist es eingetreten!
Kein Tröpfchen mehr im Buddelrund.
Dann werd ich wohl mein Shanty beten
und geh der Koje auf den Grund.

Ja, ja, ich seh euch förmlich stutzen:
Kein zweites Fläschchen wo versteckt?
Ach, wär fürs Dichten nicht von Nutzen –
zu viel, und futsch ist der Effekt!

Der Weingeist lässt nicht mit sich spaßen,
er achtet sehr auf Schicklichkeit.
Bemüh man drum ihn nur in Maßen,
schnell tut ihm seine Hilfe leid!

Ich werd ihm auf der Pelle liegen
erneut drum morgen Abend erst –
und sicher seinen Beistand kriegen
für Bares meinerseits – geverst.

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