Ego-Lifting

Die just dem Mutterleib entsprungen,
schrein ähnlich stets sich in die Welt –
mit kleinen, aber kräft’gen Lungen,
wenn ein Problem sie überfällt.

Doch später, wenn sie angeschwollen
zu einer Masse mit Verstand,
sie meist sich unterscheiden wollen
von jedem Schreihals sonst im Land.

Wie das? Mit Mammon beispielsweise,
dem jagt fast jeder hinterher
auf seiner kurzen Lebensreise,
nur um zu prahlen: „Ich hab mehr“.

Das Gleiche gilt für Machtgelüste,
den Kitzel der Befehlsgewalt,
weil jedermann gewärt‘gen müsste,
dass „ich ihn mal zusammenfalt“.

Auch alle öffentlichen Ehren,
vom Handschlag bis zum Ordensband,
die Eitelkeit des Stolzen nähren:
„Wird nur den Besten zuerkannt“.

Ist jemand ein Talent gegeben,
durch das er Renommee gewann,
kann er sich gleichfalls leicht erheben
über den „Spießer nebenan“.

Er kriegt das heiß begehrte Siegel,
das ihn zum Prominenten kürt
und wird dann glücklich in den Tiegel
mit diesem Mischmasch eingerührt.

Showmaster, Mime, Sportskanone,
Minister, Diva, Kommissar,
Bestseller-Autor, Pop-Ikone,
Chefmoderator, Modezar.

Ist ihm der Aufstieg nicht gelungen
in diese Illustrierten-Welt,
versteht sich, dass er‘s notgedrungen
mit andren Hoheitszeichen hält.

Am weitesten ist noch verbreitet
die Automarke, die man fährt,
sie zeigt, wieviel PS man reitet
und scheinbar selbst in Knete wert.

Beliebt natürlich auch die Sachen,
die täglich man am Leibe trägt,
da Kleider, weiß man, Leute machen,
was jeder Schwalbenschwanz belegt.

Und wo es fehlt an Königskronen,
tut’s auch der ganze Talmitand,
der öfter älteren Matronen
umklunkert golden Hals und Hand.

Doch sollte alles dies versagen
und gibt dein Ehrgeiz keine Ruh,
kannst immer noch zu Markte tragen
du deine Haut mit ‘nem Tattoo.

Der eine lässt sich Rumpf und Glieder
gleich flächenweise tätowiern,
die andre, eher brav und bieder,
mit Blümchen ihre Fesseln ziern.

Doch beide nur auf eines zielen:
Betonung der Persönlichkeit,
mit unsren Sitten, den zivilen,
in ganz bewusstem Widerstreit.

Die Botschaft ist gut angekommen
und wurde mählich gar zum Hit,
gern hat die Nadel man genommen,
auch wenn ins eigne Fleisch sie schnitt.

Die Ketzer einmal ihr gewesen,
geschmäht als windiges Gesocks,
sucht euch jetzt andere Prothesen:
Tattoos sind längst ja orthodox!