Frostiger Abend

Frostiger AbendHeut Abend, dachte ich noch so,
da könnt ich mal vom Frühling schreiben:
Der Winter hockt nun im Depot,
jetzt geht das los mit Blütentreiben.

Es hat mich nicht bloß so gejuckt,
so ohne groß zu überlegen:
Hab auf die Straße ja geguckt
und sah so was wie Lenz sich regen.

Das Sprichwort hatt ich nicht bedacht:
„Den Tag nicht usw. loben“ –
nun ist sie plötzlich da, die Nacht,
und alles anders – siehe oben.

Da guck ich so von ungefähr
mal eben durch die Fensterscheibe,
und seh, als ob’s ein Trugbild wäre,
dass ich mir fast die Augen reibe

Wohin ich schau, ein Tuch, gebleicht,
auf Fahrbahn und auf Bürgersteigen,
und drüber tänzelnd, federleicht,
ein regelloser Flockenreigen.

Dass heuer der nicht locker lässt
mit Schnee und so, der alte Knacker!
Sonst gibt der März ihm meist den Rest,
bläst lauwarm einfach ihn vom Acker.

Wie immer auch, das war wohl nix.
Wer konnt den Wettersturz auch ahnen!
So’n Winter ist ja kein Jour fixe,
der lässt sich nicht nach Datum planen.

Er soll uns so willkommen sein,
als würd er nur die Zeit uns rauben,
wie Freunde, die ins Haus uns schnein,
da in Australien wir sie glauben.

Von Frost und Eis und Rutschgefahr
will ich erst gar nicht groß hier reden –
man weiß ja, wie es neulich war,
das schützt gewiss vor „Straßenschäden“.

Und überhaupt: Das hält nicht vor,
das ist ‘ne Sache nur von Tagen –
der Kerl bäumt sich noch mal empor,
bevor sie ihn zu Grabe tragen.

Doch hat er heute mir versaut,
dass lyrisch ich am Lenz gerochen.
Drum abgewartet, bis es taut:
Ich hol es, Les’rin, nach. Versprochen!

Da wüsste ich schon ein Gedicht,
ich fühl es schon im Kopfe kreisen,
allein verrat ich’s hier noch nicht –
erst wolln wir in den Frühling reisen!

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