Gut in Tuch

Gut in TuchDer Mann hat wichtige Geschäfte.
Er macht in Geld und Wertpapier.
Befehligt tausend Arbeitskräfte.
Der Mann ist Bänker. Hohes Tier.

Und somit stets korrekt gekleidet
im teuren Tuch gedeckten Graus,
das Seriosität beeidet.
Der Mann, er strahlt Vertrauen aus.

Was in dem Job ja auch vonnöten,
damit kein Kunde fürchten muss,
ihm ginge irgendwann mal flöten
sein Eigen durch ‘nen Luftikus.

Er herrscht von seiner Chefetage
olympisch in die Firma rein,
und was er kriegt als Göttergage
wiegt mehr als Gold und Edelstein.

Er hat auch draußen was zu sagen.
Sein Rat als Fachmann ist begehrt,
weil alle Welt in unsren Tagen
am liebsten ihre Knete mehrt.

Geht es um Wirtschaft und Finanzen,
gibt er sich klug und selbstbewusst
und nimmt mitunter sich die Schranzen
der Politik sogar zur Brust.

Er ist, wie soll ich es beschreiben,
ein Atlas, der den Himmel trägt
des Markts, auf dem wir Handel treiben,
dass er die Töpfe nicht zerschlägt.

Ein Kunststück, zu ihm vorzudringen,
da sei die Sekretärin vor:
„Termine Herrn Direktor zwingen.
Er hat für niemand heut ein Ohr.“

Das gilt nicht für den letzten Kunden,
der unser aller Gläub’ger ist
und strikt sich weigert, uns zu stunden
auch nur ein Stündchen Lebensfrist.

Der hat das Licht ihm ausgeblasen,
des Abends plötzlich, einfach so.
Man sprach von Krebs, von Metastasen.
Es war schon elf. Noch im Büro.

Jetzt wird er zum Termin gefahren,
den ihm die Ewigkeit diktiert.
Er kann sich den Armani sparen –
ein Hemdchen reicht, dass er nicht friert.

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