Hier kocht die See

Wir freun uns auf ein gutes Essen
da, wo man prima kocht und brät –
doch wo sonst Dutzende gesessen,
ein Stapel leerer Stühle steht.

Die Arbeitswoche abgeschlossen
und dieser Laden ganz verwaist?
Wo sind denn bloß die Zeitgenossen,
die sonst hier freitags angereist?

Indessen einen Tisch wir finden,
als ob heut Totensonntag wär,
sehn draußen, aufgepeitscht von Winden,
entfesselt wir das dichte Meer.

Die Brandung, sonst im Zaum gehalten,
dass plätschernd sie ans Ufer spült,
entlädt sich ihrer Wellngewalten
und tief sich in die Sande wühlt.

Das war ein Donnern und ein Toben,
als hätt den Dreizack da gerührt
ein Neptun, der den Wichten droben
Titanengeist vor Augen führt.

Dort türmte er zu Monsterwogen
die Flut, die auf die Schorre stieß,
dass brechend sie in hohem Bogen
ihr Leben an der Buhne ließ.

Da trieb er sie in steten Schüben
weit auf den unbewehrten Strand,
mit Schlick und Schlamm ihn einzutrüben,
eh Ruh sie in der Dünung fand.

Und wie’s so brodelte und schäumte
um Wellental und Wellenkamm,
ein muntrer Kellner nicht versäumte
zu tummeln sich fürn Kundenstamm.

Wir ließen uns das Essen schmecken,
den Blick auf diese Schau gebannt,
die Angst uns hätt gemacht und Schrecken,
wärn wir auf See jetzt statt an Land.

Und während wir die Zeit verprassten
in unserm sichern Krähennest,
hielt mancher mit dem Knipsekasten
da draußen das Inferno fest.

Und schrumpfte die Naturgewalten
zum Daumennagelbildchen ein.
Ob er sich dabei wohl gehalten
wie ich – für so unendlich klein?