Kein Dichter möchte die Natur wohl missen,
in der er seine schönsten Verse fand –
an Wordsworth denke man und die Narzissen,
an Mörike mit seinem blauen Band!
Ist es der Frühling nicht mit seinen Blüten,
der Sommer in der Fülle seiner Kraft,
die das Geheimnis des Lebend’gen hüten,
aus dem der Sänger seine Welten schafft?
Was das betrifft, da hab ich schlechte Karten –
die Landschaft hier gibt keine Blumen her,
aus Stein nur einen labyrinth’schen Garten,
der mit Zement bepflanzt, Beton und Teer.
Soll ich der Lyrik deshalb mich versagen,
der Öde beugen mich im Wohnquartier?
O nein, so leicht geb ich mich nicht geschlagen –
hab ich doch immer noch die Rauke hier.
Mit diesem Pflänzchen könnt ihr nichts verbinden?
Nun, viele Fensterbänke wird’s nicht ziern,
mit Gummibäumen und mit Zimmerlinden
kann im Geringsten es nicht konkurriern.
Es ist ja auch ein struppiger Geselle,
der wild ins Kraut in seinem Topfe schießt
und danach giert, dass man ihm auf die Pelle
tagtäglich eine Kruke Wasser gießt.
Da gibt’s ‘ne Menge Blätter auch zu tränken,
die furchtbar mager und am Rand gesägt
und sich wie Schlangen winden und verrenken,
medusenhäuptig wild und ungepflegt.
Feinschmeckern aber scheint sie zu behagen,
weil in der Schüssel sie Geschmack beweist
(nachdem in „Rucola“ sie übertragen:
Gourmets goutieren nicht, was „Rauke“ heißt!)
Wenn auch zu spärlich hier, mir zu ersetzen
den bunten Blütenflor, der inspiriert,
weiß ihre Gegenwart ich doch zu schätzen
als Mauerblümchen, das sich nicht verliert.