Kein Märchen

Kein MärchenAus Bagdad, wo man viel Geschichten
in alten Zeiten sich erzählt,
will ich die folgende berichten,
weil es an Weisheit ihr nicht fehlt.

Ein Herr befahl einst seinem Diener,
dass er zum Markt für etwas lauf,
und der, bei Allah kein Schlawiner,
macht auf die Beine sich zum Kauf.

Doch angelangt in dem Gedränge,
wo kaum er sich bewegen kann,
fasst aus der Leiber heißer Enge
ihn eine Hand mit Absicht an.

Und wie er sich voll Neugier wendet,
zu sehn, wer ihm am Zeuge flickt,
prallt er zurück, entsetzt, geblendet,
da er den Teufel selbst erblickt.

Wer könnte wohl die Angst beschreiben,
die seinen Füßen Flügel lieh?
Nur weg von diesem tollen Treiben,
nur eine einz’ge Regung: Flieh!

Dem Herrn musst er nicht lang beweisen,
wie schrecklich ihm zumute war;
der ließ ihn nach Samarra reisen,
weit weg und außer der Gefahr.

Doch um der Sache nachzugehen,
begab er selbst zum Markte sich –
um bald vorm Teufel auch zu stehen,
dem er nicht einen Fußbreit wich.

Er gab als Herr sich zu erkennen
des Dieners, fast vor Furcht verreckt,
und sprach: „Kannst du den Grund mir nennen,
warum du diesen so erschreckt?“

„Ihn zu erschrecken lag mir ferne“,
entgegnete der Teufel frei,
„indes erkläre ich dir gerne,
woher dies wohl gekommen sei.

Verblüfft, in Bagdad ihn zu sehen,
hab große Augen ich gemacht –
sollt unser Treffen doch geschehen
in Samarra noch heute Nacht!“

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