Künstlerpech

Wir sind gewohnt, bei Staatsgewalten,
sobald sie dreschen leeres Stroh,
mit Schimpf nicht hinterm Berg zu halten,
privat und coram publico.

Die Meinung unverblümt zu sagen,
beruht ja auf verbürgtem Recht,
und dieses jemand nachzutragen,
es wär juristisch grottenschlecht.

Doch wer ‘ne Chronik mal gelesen
und in die Zeiten sich vertieft,
der weiß, dass diese Menschenwesen
sich eh’r das Gegenteil verbrieft.

Denn mit erbarmungsloser Härte
hat den man zur Räson gebracht,
der über einen Missstand plärrte
und seinem Unmut Luft gemacht.

Das Herrscherpack „von Gottes Gnaden“,
es duldete kein offnes Wort
und führte seinen Horrorladen
mit Peitsche, Folter oder Mord.

Auch Dichter, die mit Gift und Galle
Tyrannen was am Zeug geflickt,
sie wurden (noch im besten Falle)
in die Verbannung wo geschickt.

Als Trost ist ihnen nur geblieben,
dass ihren Sinn man nicht gebeugt
und was so mutig sie geschrieben,
von ihrem Heldentume zeugt.

Die Jahre aber, sie verflossen,
ein andrer Wind inzwischen weht –
man lebt noch immer unter Bossen,
doch nimmt sie straflos ins Gebet.

So könnt ich hier vom Leder ziehen
und der Regierung grässlich grolln
und müsste nicht vor Häschern fliehen,
die mich zum Schweigen bringen wolln.

Doch da Kritik nicht zu verbieten,
macht man ‘ne Tugend aus der Not
und (Beispiel etwa: Renten, Mieten)
spielt sie herab und schweigt sie tot.

Ein äußerst wirksames Verfahren,
Despoten braucht es da nicht mehr –
man kann ‘ne Antwort sich ersparen
und wurstelt weiter wie bisher.

Wie stark muss er die Zunge wetzen,
dass ein Poet in unsrer Zeit
zu aller Oberen Entsetzen
ihr Unrecht in den Himmel schreit?

Problem: Die „Dichtung“ heutzutage,
so weit ist sie schon abgeschmiert,
dass eh‘r man als mit Sang und Sage
mit Klempnern sie assoziiert!

Die Kisten mit den flinken Bildern,
die man gedankenlos begafft,
sie haben das subtile Schildern
der Sprache beinah abgeschafft.

Und damit auch die wunderbare
Gestaltungskraft der Fantasie,
der die mediale Massenware
ein billiges Pendant verlieh.

Man könnte, Aufsehn zu erregen,
‘ne große Missetat begehn,
sich mit der gelben Presse Segen
als tragisches Genie zu sehn.

Doch über meinen Schatten springen,
das kann ich nicht (Gedankenstrich)
nur um Beachtung zu erringen,
markier ich nicht den Wüterich!

So wird es wohl beim Alten bleiben:
Ich seh ‘ne Wunde: Finger drauf.
Und kann dagegen nichts verschreiben –
die’s können, nehmen sie in Kauf.

Doch wie der Rufer in der Wüste
vertrau ich auf ein einz’ges Ohr,
und wär’s Antonius, der da büßte,
die Seele schon am Himmelstor!

So weit muss ich indes nicht wandern:
Denn ist die Schar der Fans auch klein,
gibt’s doch den einen oder andern.
Und steter Tropfen höhlt den Stein.