Schön gekünstelt

Schön gekünsteltEs gibt ja Leute, die benutzen
wie ’n Kleiderschrank die Sprache fast,
das heißt um sich herauszuputzen,
wie ’s grade zu dem Anlass passt.

So, wenn mit einem Kind sie sprechen,
dass halb sie sich in Lumpen hülln
und Babylaute radebrechen,
die jenem nur das Hirn vermülln.

Und treffen sie auf junge Leute,
gehn sie denselben um den Bart
just mit dem Kidsjargon von heute,
der nicht mit „cool“ und „ätzend“ spart.

Dem braven Höker um die Ecke,
dem werfen sie auch schon mal zu
ein Fremdlingswort, damit er schmecke
des Kunden feinen Geistesgoût.

Gezierter noch hört sie parlieren
mit Meister Klinge, mundgewandt,
um übern Löffel zu balbieren
den, der’s Balbieren erst erfand.

Den Gipfel aber aller Possen
erklimmen sie bei Witwe x,
die a. u. c. Latein genossen
beim Lehrergatten Pingelix.

Der kommen, wenn die Chance sich bietet,
sie mit dem Allerweltszitat:
„Mens sana“, das allein vernietet
mit ihrm Gedächtnisapparat.

Na ja, wohl keine Einzelfälle.
Denn Eitelkeit sich gern verkennt
und hält sich gern mal auf die Schnelle
für das geborne Sprachtalent.

‘ne Marktfrau selbst, die ihre Rüben
mit schriller Stentorstimme preist,
sie würd sich im Belcanto üben,
wär da ein Prinz, der um sie kreist.

Der gute alte Doktor Luther
hätt heute seine liebe Not –
das Volksmaul, wie’s geerbt von Mutter,
ist halbwegs schon zur Kunst verroht.

 

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