Strandläufer

Ein Sonnentag der ersten Güte,
ein Wetter, dass der Atem stockt:
Da kommt es gar nicht in die Tüte,
dass still man in der Stube hockt!

Hier wollt ich schildern, zweite Säule,
die Schönheit dieser Szenerie,
doch, bei Minervas alter Eule,
ihr habt doch selber Fantasie!

Da ruht der Strand euch vor der Nase
unendlich unterm Himmelblau,
ein Traumziel, ohne Gift und Gase
erreichbar, ohne Mega-Stau.

Und für dies Stückchen um die Ecke
man sich nicht unter Lasten biegt,
leicht wiegt im Arme ja die Decke,
auf der es sich im Sande liegt.

Und auch das Handtuch in der Linken
hängt nicht grad wie ein Klotz daran,
so dass man Limo, Wurst und Schinken
ihr auch noch überlassen kann.

Wer aber für sein Wohlbehagen
Komfort für unerlässlich hält,
der muss dann doch sein Päckchen tragen
mit Sonnenschirm und Partyzelt.

Will man sein Plätzchen gar möblieren,
dass man sich wie zu Hause fühl,
schleppt röchelnd man auf allen vieren
ein Tischchen noch samt Klappgestühl.

Ist das geschafft, gibt es kein Halten.
Jetzt, Paradies, zeig dein Gesicht!
Lass deine Sonne nicht erkalten
und auch dies Picknick-Würstchen nicht!

Hat man geknabbert und gemümmelt,
braucht man des weisen Neptun Rat:
Am Strand hier weiter rumgelümmelt
oder mal ab ins kalte Bad?

Man muss ja nicht ins Weite kraulen,
nur kurz in Brandung rein und Gischt,
zu zeigen den Bewegungsfaulen,
wie man nach Komplimenten fischt.

Dann rausgestakt mit breiten Beinen,
sich schüttelnd nach dem Wellenritt,
um wie Odysseus zu erscheinen,
der nach dem Schiffbruch Land betritt.

Danach in elegantem Bogen
zum Handtuch sich herabgebückt,
dass man die Perlenspur der Wogen
mit weicher Wolle trockendrückt.

Jetzt aber einfach nur mal liegen,
bauchunter oder umgekehrt,
um diese Bräune abzukriegen,
die so ein Helden-Image mehrt.

Statt schlummernd in den Tag zu schwitzen
und sich in Träumen zu verliern,
kann man indes auch schneidersitzen
und vor den Wellen meditiern.

Und lässt die Blicke müßig schweifen
bis an den hohen Horizont,
wo ans Unendliche sie streifen,
das sich in andern Sternen sonnt.

Dies scheint im eigentlichen Sinne
Fernsehen mir als Augenschmaus –
dass man im Schauen Raum gewinne
über sein Mauseloch hinaus.

Ja, selbst bis an die letzten Schranken
von krausem Grün und von Azur,
dass freier atmen die Gedanken
im lichten Tempel der Natur.

Dabei ist weiter nichts zu sehen,
woran doch sonst das Auge hängt –
nicht Gangster, die aufs Ganze gehen,
kein Bildschirm, der mit Blut getränkt.

Nichts von Agenten und Spionen,
von Supermännern aller Art,
die mit verwegenen Aktionen
die Pumpe bringen uns in Fahrt.

Nicht mal ‘ne flotte Hitparade,
‘ne Quizshow fürn Millionengeld
und was uns sonst im Hamsterrade
des Feierabend-Sofas hält.

Und doch vergehn die stillen Stunden
dem Schauenden wohl auch ratzfatz,
der hier sein Schauspiel hat gefunden:
Wolken und Welln. Vom Logenplatz.

Wie soll man dieses Rätsel lösen?
Der Schlüssel liegt doch auf der Hand:
Nur wenn wir in den Himmel dösen,
sind wir wohl völlig bei Verstand.