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Gebäudemanager

GebäudemanagerMan kann ihn nirgendwo entbehren,
denn er sitzt überall am Quell
der Dinge, die im Haus zu klären
mit Basiswissen: der Pedell.

Ein Werkzeug breitester Funktionen
(es gibt sich meist durch Klingeln kund)
schafft Zugang ihm zu allen Zonen,
in denen’s brennt: der Schlüsselbund.

Da ist ein Nagel einzuschlagen,
da brannte wer ‘n Loch in’n Filz,
da blüht (mir wendet sich der Magen)
auf feuchtem Grund der Mauerpilz.

Sein Sesam öffnet ihm die Tore,
die ihn in alle Räume führn,
wo jeder Winkel, jede Pore
den Kennerblick des Meisters spürn.

Ja, wo es Mängel gibt zu melden,
ist unser guter Geist nicht fern.
Zwar hat er nichts von einem Helden –
das glaubt er aber, meine Herrn!

Mit einem Ausdruck grauer Würde
er durch die Flure sich bewegt,
als hätt des Atlas ganze Bürde
man auf die Schultern ihm gelegt.

Nicht schwierig, ihn mir vorzustellen
im Hades selbst als Führungskraft.
Was würd er Schäden da erhellen –
bis er die Hölle abgeschafft!

Gut in Tuch

Gut in TuchDer Mann hat wichtige Geschäfte.
Er macht in Geld und Wertpapier.
Befehligt tausend Arbeitskräfte.
Der Mann ist Bänker. Hohes Tier.

Und somit stets korrekt gekleidet
im teuren Tuch gedeckten Graus,
das Seriosität beeidet.
Der Mann, er strahlt Vertrauen aus.

Was in dem Job ja auch vonnöten,
damit kein Kunde fürchten muss,
ihm ginge irgendwann mal flöten
sein Eigen durch ‘nen Luftikus.

Er herrscht von seiner Chefetage
olympisch in die Firma rein,
und was er kriegt als Göttergage
wiegt mehr als Gold und Edelstein.

Er hat auch draußen was zu sagen.
Sein Rat als Fachmann ist begehrt,
weil alle Welt in unsren Tagen
am liebsten ihre Knete mehrt.

Geht es um Wirtschaft und Finanzen,
gibt er sich klug und selbstbewusst
und nimmt mitunter sich die Schranzen
der Politik sogar zur Brust.

Er ist, wie soll ich es beschreiben,
ein Atlas, der den Himmel trägt
des Markts, auf dem wir Handel treiben,
dass er die Töpfe nicht zerschlägt.

Ein Kunststück, zu ihm vorzudringen,
da sei die Sekretärin vor:
„Termine Herrn Direktor zwingen.
Er hat für niemand heut ein Ohr.“

Das gilt nicht für den letzten Kunden,
der unser aller Gläub’ger ist
und strikt sich weigert, uns zu stunden
auch nur ein Stündchen Lebensfrist.

Der hat das Licht ihm ausgeblasen,
des Abends plötzlich, einfach so.
Man sprach von Krebs, von Metastasen.
Es war schon elf. Noch im Büro.

Jetzt wird er zum Termin gefahren,
den ihm die Ewigkeit diktiert.
Er kann sich den Armani sparen –
ein Hemdchen reicht, dass er nicht friert.

Die Stadt der Tauben

Die Stadt der TaubenWas für ein felsiges Gebilde
die Stadt, vom Dämmer jetzt umspült,
dass selbst die Taube, die einst wilde,
sich gurrend in ihr heimisch fühlt!

Man sieht hier tausend Türme ragen
gigantisch aus dem Häusermeer,
die könnten glatt den Himmel tragen,
wenn Atlas mal marode wär.

Und still zu ihren Füßen kauern
Gebäude, halb so hoch wie sie,
doch ebenfalls mit dicken Mauern
verbissener Monotonie.

Auch ist’s im Auf und Ab der Steine,
im Wellenschlag gebauter Welt
(was hilfreich wie ‘ne Rettungsleine)
mit Höhlen wunderbar bestellt

Wo es sich ausgezeichnet brütet
nach alter Taubenväter Art,
dieweil, selbst wenn ‘ne Windsbraut wütet,
vor Schäden man am Nest bewahrt.

An Speise scheint es nie zu fehlen,
ist seltsam auch der Tisch gedeckt –
doch muss man immer Körner wählen,
wenn vieles sogar besser schmeckt?

Nun hausen sie, zumeist in Paaren,
urban anstatt in Kliff und Kluft,
wo sie im Mangel sesshaft waren,
bevor Migranten sie der Luft.

Ich kann es ihnen nachempfinden,
dass sie geflohn in ihrer Not,
sich wen’ger irgendwo zu schinden
für ein paar Bissen täglich Brot.

Und haben sie nicht aufgegeben
nur schweren Herzens einen Fleck,
der Start und Stütze ihrem Leben
über Jahrtausende hinweg?

Wo flatternd sie im weiten Raume
der Felsenseligkeit geschweift,
sobald entwachsen sie dem Flaume
und zu beschwingtem Flug gereift?

Die Dämmerung hat zugenommen,
vertilgt des Lichtes letzte Spur.
Wie schön dies Taubengrau, verschwommen –
und draußen erst in der Natur!