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Bestiarium, kulinarisch

bestiarium-kulinarisch-rembrandtBegrüßt sei, Leserin, auf dieser Seite,
sie freut sich herzlich über den Besuch,
zumal du ja schon ’ne gewisse Weite
damit erreicht in diesem Liederbuch.

(Ich will mich lieber gar nicht lange fragen,
ob nicht vielmehr der Zufall dich geführt
und dieses Blatt gezielt du aufgeschlagen,
nachdem du andre gar nicht erst berührt.)

Anscheinend hat es also dir gefallen,
was du an Versen unterwegs gewahrt,
dass deine Augen willens fortzuwallen
auf ihrer apollin’schen Pilgerfahrt.

Da du schon eine lange Wegesstrecke
hast mit Bravour bewältigt bis hierher,
verweil ein wenig doch an diesem Flecke –
zu Rast und leichter Geisteskost Verzehr.

Will dir hier nicht den del’schen Taucher spielen
und gründeln in der Weisheit Tiefenschicht –
begnügen mich mit erdennäh’ren Zielen,
aus denen auch der Schalk im Nacken spricht.

Lass mich, um dir mit heiteren Gedanken
die kleine Abschaltpause auszufülln,
mit ein paar Schnacks von Backen und von Banken
den Acker deiner Fantasie begülln.

Wie glücklich war die Hummerdame
im kühlen Kosmos ihrer Flut,
bis Fischerlist sie, o infame,
in siedend heiße Kessel lud!

Noch unlängst schwamm im Meer, im Gelben,
ein Thunfisch voller Energie.
Jetzt dient er ferne von demselben
in Osaka als Sashimi.

Auch seine Häscher waren schneller,
für immer sein Gequak erlosch:
Zerstückelt gliedert er den Teller,
der unerlöste Prinz – der Frosch.

Die Kröten-Seniorengruppe,
die gerne auf ihr Alter pocht,
sie wurd zur Lady-Curzon-Suppe
noch vor dem Hundertsten verkocht.

Da schau wer diese Turteltauben,
das schnäbelt sich nach Menschenart!
Na wartet! Schluss mit Küsserauben,
wenn über Flammen ihr erst gart!

Den Weckruf, Gockel, kanns vergessen
und auch den Kamm, der öfter schwillt!
Man hat auch so dich gern zum Fressen –
als Hähnchen, das selbst halb was gilt!

Und unsre Puszta-Bekassine,
die doch auf Vorsicht stets bedacht?
Ein Meisterschuss. In die Terrine.
HEUT GALA-JAGDSOUPER UM ACHT.

Ein Ferkel schnappt nach Mutters Zitze,
dass saugend Sättigung ihm werd.
Doch in des Mehls gemeiner Schwitze
brät’s früh vollendet auf dem Herd.

Der Pfau auch, der mit kühnem Schwunge
sein stolzes Rad uns präsentiert,
was nützt ihm seine schrille Zunge,
wenn ‘nen Gourmet sie int’ressiert?

Ein Lämmchen, grade erst geboren
und noch zu nackt, um es zu schern,
muss dennoch schon im Topfe schmoren
an Kümmel und Wacholderbeern.

Mit zartem Fuße die Savanne
betupfte das Gazellenkitz,
das nun in der Etoscha-Pfanne
zerschmurgeln muss bei Oberhitz.

Kaninchen mümmelten noch eben
ihr Feldgemüs in aller Ruh,
um jetzt ’ne Karte zu beleben
als Hasenpfeffer-Wildragout.

Die neulich noch in ihrem Koben
behaglich aufgegrunzt, die Sau,
lässt sich als Kotelett nun loben
von einer drallen Fleischersfrau.

Auf fetter Weide sah man grasen
ein Holstein-Rind gesund und heil,
da kam, um Kuhtod ihm zu blasen,
der Schlächter mit dem Hackebeil.

Der Ruhe freudig sah entgegen
ein Gaul nach langer Plackerei,
doch man entschied der Kohle wegen,
dass „Maxe“ zu verwursten sei.

Selbst Äffchen, ähnlich jenem Wesen,
das seines Schöpfers Ebenbild,
sind örtlich dazu auserlesen,
dass Hunger man an ihnen stillt.

Dies also, Leserin, dich zu erheitern.
Ich hoff, das Intermezzo dir gefiel.
Gelöst geh zu den Versen nun, den weitern,
die wieder ernst in Anspruch und in Stil.

Wie? Meine Meinung kannst du gar nicht teilen?
Die Pause bot kein muntres Possenspiel?
Ich hieß dich nur, in Muße zu verweilen
als ahnungsloses Propagandaziel?

Sehr wohl. Doch tu ich nur, was andre machen.
Verhöhn die Opfer unsrer Esskultur:
Die Werbung lässt die armen Kühe lachen,
schickt Schweine grinsend auf die Tötetour.

Der Teller, den wir täglich leeren:
Ein Golgatha aus Tiergebein.
Wann wird der Mensch sich menschlich nähren –
so wie der Ochse und das Schwein?