Schlagwort-Archive: Belcanto

Schön gekünstelt

Schön gekünsteltEs gibt ja Leute, die benutzen
wie ’n Kleiderschrank die Sprache fast,
das heißt um sich herauszuputzen,
wie ’s grade zu dem Anlass passt.

So, wenn mit einem Kind sie sprechen,
dass halb sie sich in Lumpen hülln
und Babylaute radebrechen,
die jenem nur das Hirn vermülln.

Und treffen sie auf junge Leute,
gehn sie denselben um den Bart
just mit dem Kidsjargon von heute,
der nicht mit „cool“ und „ätzend“ spart.

Dem braven Höker um die Ecke,
dem werfen sie auch schon mal zu
ein Fremdlingswort, damit er schmecke
des Kunden feinen Geistesgoût.

Gezierter noch hört sie parlieren
mit Meister Klinge, mundgewandt,
um übern Löffel zu balbieren
den, der’s Balbieren erst erfand.

Den Gipfel aber aller Possen
erklimmen sie bei Witwe x,
die a. u. c. Latein genossen
beim Lehrergatten Pingelix.

Der kommen, wenn die Chance sich bietet,
sie mit dem Allerweltszitat:
„Mens sana“, das allein vernietet
mit ihrm Gedächtnisapparat.

Na ja, wohl keine Einzelfälle.
Denn Eitelkeit sich gern verkennt
und hält sich gern mal auf die Schnelle
für das geborne Sprachtalent.

‘ne Marktfrau selbst, die ihre Rüben
mit schriller Stentorstimme preist,
sie würd sich im Belcanto üben,
wär da ein Prinz, der um sie kreist.

Der gute alte Doktor Luther
hätt heute seine liebe Not –
das Volksmaul, wie’s geerbt von Mutter,
ist halbwegs schon zur Kunst verroht.

 

Vom Vogelsang

Vom VogelsangDer Morgen stumm. Kein Tirilieren
versüßt das Ende dir der Nacht.
Noch weilt in seinen Notquartieren,
was sonst hier die Musik gemacht.

Denn die gefiederten Touristen,
die’s ewig schon nach Süden zieht,
sie zögern noch, sich einzunisten
erneut in ihrem Brutgebiet.

So müssen wir uns denn begnügen
(den Freund des Vogelsanges graut’s)
mit denen, die sich diesen Zügen
verweigern: Eule oder Kauz.

Dern dumpfes Hu durchhallt die Wälder
gespenstisch in der Dunkelheit,
melodisch wie ein Feuermelder,
der manisch seine Warnung schreit.

Dafür in kürzeren Kadenzen
die Krähe unsre Stille trübt –
gewiss tat sie die Schule schwänzen,
als den Belcanto man geübt.

Man sieht sie stromern auf den Äckern
und in den Städten hier und da.
Oft hat die Gute was zu meckern,
dann zwitschert sie im Bass: krakra.

Mann, einen hätt ich fast vergessen,
der auch die weite Reise scheut –
ein Hänfling, an Statur gemessen,
der unser Ohr doch hoch erfreut!

In Schnee und Eis lässt ja erklingen
der Zaunkönig sein süßes Lied,
so warm, um bald zum Blühn zu bringen,
was jetzt den frost’gen Tag noch flieht.

Wie einsam singt er und verlassen –
doch mit Gewissheit nicht mehr lang:
Die Amsel wird ein Herz sich fassen,
zurückzuschlagen mit Gesang!