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Qualitätswein

Wein ist nicht Wein, lass ich mir sagen:
Er ist der Rebe Ebenbild
und je nachdem, in welchen Lagen
der Saft ihr aus der Blase quillt.

Zum Beispiel dieser dunkelrote
Merlot, bei dem ich grade hock,
holt seine ganz besondre Note
aus den Coteaux des Languedoc.

Ein Zufall allerdings, grad heute
in meine Bude reingeschneit
als erste beste Einkaufsbeute,
die untern Flaschen griffbereit.

(Nur so wird wohl ein Allesfresser
wie ich vom Typus „blindes Huhn“,
sei sie nun schlechter oder besser,
von einer andern Rebe dun.)

Kein Grund indessen, zu bedauern
an meinem Tisch den Zufallsgast –
er wird gewiss hier nicht versauern,
da gut er auch zum Gaumen passt.

Doch muss er noch ‘nen Test bestehen,
bevor ein Ehrenplatz ihm winkt:
Ob außer Zunge er und Zehen
auch noch das Hirn zum Kribbeln bringt.

Ich schluck erst ruhig mal zu Ende
und schätze dann die Wirkung ein.
Die Pünktchen … hier … sie sprechen Bände:
Gegrübel. Doch zurück zum Wein!

Auch da hab ich nichts auszusetzen.
Sooft ich mir ein Schlückchen schnapp,
um meine Gurgel zu benetzen,
geht lyrisch gleich die Luzie ab.

Ob für den Tropfen sich vorzeiten
auch schon der Troubadour entschied,
mit Leidenschaft zu unterbreiten
der hohen Frau sein Minnelied?

Weiß keine Chronik zu berichten.
Doch ich vermute einfach mal:
Muss man auf Küsse schon verzichten,
ist Wein die zweite erste Wahl.

Im Übrigen ist festzuhalten,
dass selten sich so’n Weinchen wehrt,
die Fantasie mir zu entfalten,
die meine Blütenlese mehrt.

Sollt dennoch eines es mal wagen,
dass mir’s den Appetit vergällt,
werd aus dem Kopf ich es mir schlagen,
bevor ‘s das Dichterhirn befällt

Kirche und Kasino

Es trennt sie nur nach Gottes Wille
ein Streifen Asphalt und Beton –
das Kirchlein mit der Keuschheitsbrille
von diesem sünd’gen Spielsalon.

Weit offen stehn der beiden Tore,
den Quell zu zeigen ihrer Kraft –
dort ein Marienbild im Chore,
hier ‘n Tresen für den Gerstensaft.

Und beide zu gewissen Stunden
versammeln Gäste am Altar –
die Kneipe mit den Daddelkunden,
die Kirche mit der Christenschar.

Auch werben sie auf ihre Weise,
dass ihr Bemühen Früchte trag –
die Erstere mit Leuchtschrift, leise,
die Letztre, wumm, mit Glockenschlag!

Obwohl verschieden von Gefieder
und unterschiedlich von Revier,
schmettern doch gern sie ihre Lieder
mit Inbrunst da so gut wie hier.

Ein Schlückchen kann man nicht verwehren,
der Süffel führt es gern zum Mund,
doch auch der Priester, Gott zu ehren,
im Alten und im Neuen Bund.

Auch das Ambiente, dieser Dämmer,
von Kerzen feierlich erhellt,
umnebelt unsre Gotteslämmer
genauso wie die Zockerwelt.

Gewinnerwartung da wie drüben.
Doch hier kriegt gleich man den Betrag,
da in Geduld sich müssen üben
die Frommen bis zum Jüngsten Tag.

Das sind doch wohl Gemeinsamkeiten,
die hier wie dort der Dümmste rafft
und zweifellos den Weg bereiten
für diese gute Nachbarschaft.

Die sicherlich noch besser wäre,
besuchte man sich manchmal auch –
der Spielboss, dass er in sich kehre,
der Pfaff, dass er ins Leben tauch.

Doch selbst wenn dieser es gern wollte,
ihn zwingt ein Großer zum Verzicht,
dem immer schon Respekt er zollte –
denn Gott, so weiß der, würfelt nicht.

Verwöhnter Pegasus

Das Öfchen liefert seine Wärme
auf bloßen Knopfdruck höchst bequem,
im Übrigen dazu als Therme,
die Kühle pustet, je nachdem.

In Sommer- wie in Wintertagen
weiß dieser Klimaflüstrer Rat –
spendiert der Stube Wohlbehagen
mit eingebautem Thermostat.

Kaum noch zu glauben, dass vorzeiten
wir hilflos allem ausgesetzt –
dem Frost mit seinen Widrigkeiten,
der Hitze, die mit Schweiß benetzt.

Kamine? Holz- und Aschestätten
mit eingeschränkter Feuerkraft.
Die Glut, die da gebraucht wir hätten,
hat’s höchstens bis zum Bauch gebracht.

Der Reiche hat ein Kohlebecken
zur Seite sich noch angesteckt
und ließ so auch den Hintern schmecken
der Wärme wohligen Effekt.

Indessen der, den Gottes Gnade
sich auserwählt zum armen Tropf,
zog wollne Socken um die Wade
und nachts ‘ne Mütze übern Kopf.

Und dennoch gab es Unentwegte,
die ihrer Feder nicht entsagt
und was im Innern sie erregte
poetisch dem Papier geklagt.

Dabei galt’s nicht nur zu entbehren
ein gut geheiztes Domizil,
nein, auch der Finsternis zu wehren,
die große Leuchte, sie entfiel.

Die Kerze, die in meiner Zelle
romantisch mir ins Auge sticht,
war damals oft die einz’ge Quelle
für eine Handvoll trübes Licht.

Doch hat die Fantasie gelitten,
verkümmerte die Schaffenskraft?
Das Bäumchen, tausendfach beschnitten,
stand umso mehr in vollem Saft.

Jetzt hör ich einige schon lästern:
Wohlan denn, süffiger Poet,
schraub deinen Lichtbedarf auf gestern
und stell auf null dein Heizgerät!

Wird deiner Kunst zugutekommen,
die träge auf der Stelle tritt
und längst den Holzweg schon genommen
zum klassisch-lyrischen Verschnitt!

Den Ratschlag nehm ich gern entgegen;
mir selbst ja auf den Zeiger geht,
ein Ei dem andern gleich zu legen,
sodass kein Hahn mehr danach kräht.

Will also beim Gedichte-Kreißen
stets darauf achten, dass sie rund
und statt der braunen nur und weißen
auch eine Menge kunterbunt.

Doch ohne Wechsel der Methode!
Die Wärme nebst dem Schummerlicht,
ganz losgelöst von jeder Mode,
mir noch das dickste Ei verspricht.

Wie? Ja, ihr könnt mich Weichei schelten,
das gilt mir wie ein Luther-Furz!
Doch haust ihr selbst in offnen Zelten
asketisch nur mit Lendenschurz?

Habt ihr nicht auch dem Lauf der Zeiten
euch unwillkürlich angepasst
und würdet schwerlich rückwärts schreiten
zu Tagen größrer Müh und Last?

Das letzte Urteil überlasse
man doch der Musen feinem Ohr!
Ich fürchte nur, auf dem Parnasse
hat durchaus Sinn man für Komfort.