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Ein Regentag

Den ganzen Tag hat es gegossen
wie seit Äonen schon nicht mehr,
und wie aus prallen Schläuchen schossen
die Wassermassen kreuz und quer.

War das ein Prasseln und ein Platschen
aus diesem lecken Wolkentank,
dass in der Loggia selbst das Quatschen
fast bis zum Hals darin versank!

Setz einen Fuß mal vor die Türe
und zieh ihn schleunigst wieder weg –
der Regen (nix mit Pediküre!)
haut deiner Socke einen Fleck.

Der Innenhof mit seinen Fliesen
schwamm fingerdick in dieser Flut,
die ganz im Sinn der Expertisen:
Mehr Regen tät dem Stausee gut.

Mit diesem tröstlichen Gedanken,
dass Feld und Frucht sonst bald verdorrt,
geriet mein Rochus doch ins Wanken
auf die Beries’lung immerfort.

Ich habe einfach abgeschrieben
den Gang hinaus ins Freie heut
und bin im Trockenen geblieben,
wo man sich schließlich auch zerstreut.

Man führt ein Tässchen sich zum Munde,
indessen man ein Buch verschlingt,
und abends zur gewohnten Stunde
der Muse noch ein Ständchen bringt.

Da war sie auch schon angekommen
so treu wie Jockel auf den Pfiff,
das Abendrot noch kaum verglommen,
als ich zu Stift und Tinte griff.

Doch wie ich eben auf die Schnelle
das Erste zu Papier gebracht,
versiegt mit einem Mal die Quelle,
die meine Zeilen sichtbar macht.

Da hieß es denn im Finstern tappen
wie Blindekuh beim Kinderfest,
um irgendwo noch aufzuschnappen
mit Dusel einen Kerzenrest.

Der war aus ‘ner verstaubten Lade
am Ende denn auch exhumiert
und hat mit seinem Stummel fade
nichts als sich selbst illuminiert.

Je länger aber in der Bleibe
ich unversorgt vom Strome saß,
spürt desto stärker ich am Leibe,
wie sich die Kälte weiterfraß.

Doch eh ich jammerte und flennte
wie in des Hades Schattenreich,
fühlt irgendwie in dem Ambiente
den Dichterfürsten ich mich gleich.

Der Dichterfürst

Der DichterfürstNun, wer es auf poet’schem Felde
zu ein’gem Ruf und Ruhm gebracht,
dass selbst er mit verlegtem Gelde
noch locker seinen Reibach macht

Wie zierlich wird er sich bewegen,
damit, der ihm die Schläfe ritzt,
der Lorbeer auch bei Wind und Regen
ganz sicher auf der Platte sitzt!

Mit Sprüchen wird er, mit Sentenzen
als literar’scher Oberhirt
den Nimbus schöner noch beglänzen,
der schön ihm schon zu Häupten schwirrt.

In Sachen Kunst wird er so richten,
dass für ein Salomo er gilt –
mit weisem Urteil sie gewichten,
indem er lobpreist oder schilt.

Und diesem Urteil ist zu eigen,
dass es kein „teils und teils“ enthält.
Um unbestechlich sich zu zeigen,
wird’s rasch und in Schwarzweiß gefällt.

Da mögen auch mal Köpfe rollen,
Karrieren in die Krümpe gehn,
in unsres Richters Protokollen
ist „Irrtum“ gar nicht vorgesehn.

Von des Olymps erhabnen Höhen,
von eines Papsts sakralem Stuhl
gestattet er sich, durchzuflöhen
der Mitpoeten Versepool.

Da sieht er keine großen Fische.
Der einz’ge Hecht im Karpfenteich
er selbst, der bei Apoll zu Tische
und diesem auf der Leier gleich.

Und wie’s so geht in diesen Zeiten,
da man vor großen Namen kniet:
Mag er sich zig Mal auch verreiten:
„Ein Ass auf seinem Fachgebiet!“

Das Bändchen, das in jedem Jahre
er produziert an Poesie,
gilt denn auch stets als erste Ware
und Meilenstein für sein Genie.

Wer aber käme ihr denn näher,
unsterblicher Unsterblichkeit,
als so’n versierter Wortverdreher,
der täglich um die Muse freit?

Und dem im Melos süßer Aulen,
umschmeichelnd seinen Götterrang,
des Höllenhundes dumpfes Jaulen
nie schaurig in die Träume klang?

Was aber, wenn er eingetreten,
der Fall, den er nicht vorgesehn,
und plötzlich mit Gerichtstrompeten
die Todesengel vor ihm stehn?

Wird er wie weiland Orpheus singen,
dass er das Grab zu Tränen rührt,
und so der Aufstieg ihm gelingen,
der ihn zurück ins Leben führt?

Schluss mit den lyrischen Ergüssen!
Schweig, wenn’s Gericht, das Jüngste, tagt!
Du wirst nun damit leben müssen,
dass hier dein Urteil nicht gefragt.