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Echter Feiertag

Echter FeiertagDas halbe Land ist auf den Beinen.
Ein Tag, den Heiligen geweiht.
Man picknickt mit den lieben Seinen
und macht sich in Tavernen breit.

Auch ich, um’s hier gleich klarzustellen,
entzog mich dieser Sitte nicht
und ging, mich Freunden zu gesellen,
um vierzehn Uhr auf Mittagschicht.

Ein Plätzchen irgendwo im Freien,
von andern Feiernden umringt,
mit Blick auf Meer und Leckereien,
die unser Tisch kaum unterbringt.

‘ne Tellermasse, ‘ne amorphe,
wie Waben um die Flasche klebt,
die wie ein Kirchturm auf dem Dorfe
sich hoch aus dem Gewimmel hebt.

Mit dem Vergleich, verehrte Christen,
sei das Sakrale abgehakt –
das wohl auch jene nicht vermissten,
die neben mir ihr Huhn benagt.

Hab ich denn jemand seufzen hören
Sankt Pepe, Peter oder Paul?
Sie wälzten, würde ich beschwören,
Sankt Pulpo bestenfalls im Maul!

Doch gilt’s der Heil’gen zu gedenken,
weil dieses Wunder sie vollbracht:
‘nen Extrasonntag uns zu schenken,
der rot aus dem Kalender lacht!

Leidenschaftslos

LeidenschaftslosDas wär für mich kein Job gewesen;
mir hätte die Distanz gefehlt
zum Text, den ich da vorgelesen –
Gefühle hätt ich nicht verhehlt.

Da braucht es coole Charaktere,
nicht wen, der gegen Tränen kämpft.
Es macht dem Rundfunksprecher Ehre,
dass seine Emotion er dämpft.

Obwohl das meiste ja zum Heulen,
was er als Nachricht uns serviert,
all diese Kratzer, Wunden, Beulen –
der Mist, der in der Welt passiert.

Der Bürgerkrieg in X geht weiter;
x Tote gestern Nacht allein.
Zum x-ten Mal, dass Eingriff scheiter,
legt Staat XX sein Veto ein.

Die Feuer, die wo ausgebrochen,
hat man noch nicht in’n Griff gekriegt.
Die Wehren kämpfen schon seit Wochen,
doch zehn Prozent sind erst besiegt.

Gesunken wieder eine Fähre
mit tausend Passagiern an Bord.
Die Reederei versprach, sie kläre
die Gründe möglichst rasch vor Ort.

Ein Reisebus mit hundert Kindern
geprallt auf einen Caravan.
Die Rettungsarbeiten behindern
zig Gaffer auf der Autobahn.

Erschüttert hat ein schweres Beben
den Osten der und der Region.
Verluste auch an Menschenleben
bestätigte man amtlich schon.“

Es hat heut der Prozess begonnen
gegen den Herrn Politikus,
der wortgewaltig Fans gewonnen
fürn Großprojekt, das scheitern muss.*

Dies alles fließend vorgetragen
und unveränderlich sonor,
bevorzugt in den schönen Lagen
von Bariton und von Tenor.

Die Katastrophen kommen schnieke,
gebügelt und gepflegt daher –
als wär im Drama der Antike
von Blut und Hass die Bühne leer.

Wie jenem den Respekt verweigern,
der so gefasst bei aller Qual!
Und doch würd dieser sich noch steigern,
entführ ein Seufzer ihm einmal!

*Fiktive Meldung, würde ich aber gern mal hören.

Manager

Manager2Natürlich immer schick in Schale.
Die Wangen glatt und gut gebräunt.
Krawatte: strenge Vertikale.
Und sportlich fit. Kein Tabakfreund.

Daran gewöhnt, zu kommandieren.
Wo nötig, auch mal mit Gekläff.
Sein Hobby ist das Bilanzieren.
Man sieht: Von Kopf bis Fuß ein Chef.

Dass, spitze er an Rang und Gage,
auch baulich stets am höchsten hock,
liegt seine Residenzetage
dem Himmel nah im letzten Stock.

Und näher auch den Göttersphären
als dem Portier und dem Pedell
und all den Klammern, Heftern, Scheren
vom unteren Gehaltsmodell.

Wer’s wagt indessen vorzudringen
bis an den heiligen Bezirk,
muss erst die Sekretärin zwingen,
dass Audienz sie ihm erwirk.

Da kann man allerdings verschimmeln.
Denn darauf ist sie ja geeicht,
zunächst mal alles abzuwimmeln:
„Nicht heut, nicht morgen. Doch vielleicht…“

So weiß den Nimbus er zu wahren.
So hält er alle auf Distanz.
Im Äther thront er hoch, im klaren.
Und unter ihm der Rattenschwanz.

Büro, gewiss, mit Großraummaßen.
Gestühl und Schreibtisch exquisit –
was Gästen, die da schon mal saßen,
gediegenen Geschmack verriet.

(Und weil ein solcher Wirtschaftsführer
nicht wie’n Banause haust im Loch,
hängt da die „Sternennacht“ von Dürer
sowie der „Hase“ von van Gogh.)

Versteht sich aufs Repräsentieren.
Füllt Räume, wo er geht und steht.
Wird nie den Überblick verlieren.
Geborene Autorität.

Im Wellenschlag bewegter Zeiten
wie’n Kapitän auf seinem Schiff.
Die Kurse lässt er nicht entgleiten –
er hat den Laden fest im Griff.

Und wie der Alte auf der Brücke
bestimmt er seiner Crew Geschick:
den einen zum Beförd’rungsglücke,
den andern zum Karriereknick.

Wie’n Gott kann schalten er und walten.
Die Firma macht vor ihm Kotau.
Kritik nur heimlich und verhalten.
(Erlaubt nur der Vorzimmerfrau.)

Lässt sich im Leben mehr erwerben
als Status, Kompetenz, Respekt
und Wohlstand, den man seinen Erben
als Bonus in die Wiege steckt?

Wie lange hat er sich geschunden,
bis er auf diesem Gipfel stand –
und manchmal auch verflucht die Stunden,
da er so hoch sich einsam fand!

Und schaut in seltnen Augenblicken
er fragend auf die Lebensuhr,
dann zeigt sich, dass in ihrem Ticken
zerrann auch seiner Jahre Spur.

Erfolg, die Leib- und Magenspeise,
die ihm die Schinderei gewürzt,
was nützt er auf der letzten Reise,
wenn’s Kartenhaus zusammenstürzt?

Zu spät, um noch Bilanz zu ziehen
für eine Revision zur Not.
Bald lässt der wahre Boss ihn knien:
im Souterrain der Tod.