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Kirche und Kasino

Es trennt sie nur nach Gottes Wille
ein Streifen Asphalt und Beton –
das Kirchlein mit der Keuschheitsbrille
von diesem sünd’gen Spielsalon.

Weit offen stehn der beiden Tore,
den Quell zu zeigen ihrer Kraft –
dort ein Marienbild im Chore,
hier ‘n Tresen für den Gerstensaft.

Und beide zu gewissen Stunden
versammeln Gäste am Altar –
die Kneipe mit den Daddelkunden,
die Kirche mit der Christenschar.

Auch werben sie auf ihre Weise,
dass ihr Bemühen Früchte trag –
die Erstere mit Leuchtschrift, leise,
die Letztre, wumm, mit Glockenschlag!

Obwohl verschieden von Gefieder
und unterschiedlich von Revier,
schmettern doch gern sie ihre Lieder
mit Inbrunst da so gut wie hier.

Ein Schlückchen kann man nicht verwehren,
der Süffel führt es gern zum Mund,
doch auch der Priester, Gott zu ehren,
im Alten und im Neuen Bund.

Auch das Ambiente, dieser Dämmer,
von Kerzen feierlich erhellt,
umnebelt unsre Gotteslämmer
genauso wie die Zockerwelt.

Gewinnerwartung da wie drüben.
Doch hier kriegt gleich man den Betrag,
da in Geduld sich müssen üben
die Frommen bis zum Jüngsten Tag.

Das sind doch wohl Gemeinsamkeiten,
die hier wie dort der Dümmste rafft
und zweifellos den Weg bereiten
für diese gute Nachbarschaft.

Die sicherlich noch besser wäre,
besuchte man sich manchmal auch –
der Spielboss, dass er in sich kehre,
der Pfaff, dass er ins Leben tauch.

Doch selbst wenn dieser es gern wollte,
ihn zwingt ein Großer zum Verzicht,
dem immer schon Respekt er zollte –
denn Gott, so weiß der, würfelt nicht.

Finstere Zeiten

Die einem Gott ihr Leben weihen
und alles tun nur ihm zur Ehr,
die Güte als das Gut beschreien,
das als das höchste er sie lehr.

Denn wie ein Vater, der die Seinen
mit Liebe und Verständnis führt,
wolln jede Handlung sie verneinen,
die nur Gewalt und Hader schürt.

Und schreiben auch sich auf die Fahnen,
dass ohne Gier ihr Herz und Geist
und auf asketisch reinen Bahnen
ausschließlich um die Gottheit kreist.

Bei so viel löblichen Gefühlen,
ganz frei von jedem üblen Ruch,
scheint’s doch geboten, mal zu wühlen
in der Geschichte klugem Buch.

Die Kenntnis, die wir da gewinnen,
hat mit dem Anspruch nichts gemein
und zeigt die Kunst nur, fein zu spinnen
sein Seemannsgarn und Jagdlatein.

Meist sieht man Scheiterhaufen brennen
und Köpfe grausig abgehackt,
indes wie Krokodile flennen,
die Pfaffen im Tedeums-Takt.

Und wie sie sich von Tücke trunken
noch weiden an dem fremdem Leid,
zu Bestien herabgesunken
in ihrem seidnen Priesterkleid.

Und das für einen Gott der Liebe?
Sie sahn den Widerspruch nicht mal –
so glühten ihre finstren Triebe
im Feuereifer eines Baal!

Und diese wackren Pfründenjäger,
die Menschen quälten bis aufs Blut,
sie raubten, hohe Würdenträger!,
auch schäbig ihnen Hab und Gut.

Denn saß als Ketzer wer in Händen
der Geistlichkeit erst einmal fest,
dann konnte man sein Gut auch pfänden
fürn Gott, der nichts verkommen lässt.

In ihren selbstgefäll’gen Herzen
war nicht ein Fünkchen Mitgefühl –
glatt warn sie wie Fronleichnamskerzen
und knochenhart wie Chorgestühl.

Warum sie so empfindlich waren,
wenn’s um die reine Lehre ging?
Weil, hergezogen an den Haaren,
das meiste an ‘nem Faden hing.

Wo’s wimmelt nur von Wunderdingen
und ausgeschaltet der Verstand,
muss man das Volk zum Glauben zwingen,
bevor den Schwindel es erkannt.

Man stell sich vor, die Forscher heute,
die doch schon manches rausgekriegt,
sie knechteten die Menschenmeute,
weil Planck und Einstein ihr nicht liegt!

Und deshalb heißt‘s für diese flitzen,
dass ihr Gewissen sich entlädt,
dreimal pro Woche nachzusitzen
im Beichtstuhl einer Fakultät.

Für eher lässliche Vergehen
(„Null Ahnung von ‘nem Weißen Zwerg“),
wird man verdonnert, nachzusehen
in einem Astro-Standardwerk.

Doch wehe, wenn an Basiswissen
es einem Laien mangelt gar,
dann wird der Kopf ihm abgerissen,
und zwar auf eigene Gefahr.

So wie die Trinität zu lästern
der Gipfel einst der Schurkerei,
so, ewig junger Schnee von gestern,
heut E = mc2.

Man muss auch Heilige verehren,
die Leuchten ihrer Wissenschaft,
die, um Erkenntnis zu vermehren,
verausgabt ihre Lebenskraft.

Am höchsten dabei unbestritten,
die man verspottet und bedroht
und so wie Bruno gar erlitten
den christgestützten Martertod.

Zu deren Gräbern kann man wallen
und knien in innigem Gebet,
und Antwort wird schon bald erschallen
mit postmortalem Funkgerät.

Auch ihr, die ew’gen Ruhm erworben,
‘ne eigene Zeremonie –
die für die Forschung ist gestorben,
der mutigen Marie Curie!

Die Hölle mit den irren Qualen
zurück in dumpfe Hirne kroch;
den heut’gen Frevler und Wandalen
schreckt zeitgemäß ein Schwarzes Loch.

Und wie man einst mit heißem Herzen
den „Ketzern“ an die Gurgel fuhr,
bemüht man jetzt sich, auszumerzen
die Penner mit der Perlenschnur.

So wär, vom Glaubensgeist beflügelt,
vielleicht geworden unsre Zeit,
hätt nicht die Wahrheit ihn gezügelt
mit der ihr eignen Menschlichkeit.

So weit, so gut. Die Ignoranten
beachtet man nun weiter nicht;
doch die so aus dem Blick Verbannten,
sie hüten noch ihr altes Licht.

Sie wolln den Irrtum nicht gestehen
und nicht des Hirngespinsts Bankrott
und weiterhin das Heil erflehen
vom schweigenden Placebo-Gott.

Das Fußvolk. Doch die smarten Pfaffen,
die wissen, wie der Hase läuft,
und lassen doch das Kreuz begaffen,
mit dem Pilatus man ersäuft.

Und glotzen mit verdrehten Augen
verzückt empor zum Himmelszelt,
als würden sie den Segen saugen,
den sie bei Petrus vorbestellt.

Seid ihr noch da? Ich schließe lieber.
Hab mich verplaudert wieder mal –
so mittendrin im Versefieber
fand ich nicht gleich das Bremspedal.

Das Fazit schnell in eure Hände,
bevor ich in die Koje saus:
Des Mittelalters wahres Ende,
es liegt Äonen noch voraus.

Zeitliches

ZeitlichesNun ja, die Uhr kennt keine Gnade,
sie hinkt dahin mit steifem Bein
auf ihrem ausgelatschten Pfade,
um ständig mir voraus zu sein.

Ich brauche vierundzwanzig Stunden
wie sie für einen ganzen Tag
und kann sie niemals überrunden,
so sehr ich mich auch tummeln mag.

Wir sind mit unsichtbaren Ketten
verschmiedet zu ‘nem Zwillingspaar;
da kann ich kriechen oder jetten,
die Zeit verrückt nicht um ein Haar.

Kann einfach sie nicht überlisten,
von ihrem Zwang mich zu befrein;
und Einsteins flotte Raumzeit-Pisten
sind ja noch Physikerlatein.

Da tickt sie „Wehe, wehe, wehe!“,
und wie ein Smiley meist doch lacht.
Nur wenn ich in den Spiegel sehe:
O Gott, was sie für Fratzen macht!

Der Schalter, um zurückzuspulen
das Leben auf dem Pfeil der Zeit,
wird erst entwickelt noch von coolen
PC-Doktoren globusweit.

Ich werd mich ihr noch beugen müssen;
fürs Einfriern hab ich eh kein Geld.
Drum weiter also mit Genüssen –
und hoffen, dass die Pumpe hält.

Relativ rasch

Relativ raschEheu fugaces,
Postume, Postume,
Labuntur anni!

Horaz (65 – 8 v. Chr,), Oden II, 14

Man kann den raschen Lauf beklagen,
die überstürzte Flucht der Zeit –
doch würd man andres drüber sagen
als der, der in die Wüste schreit?

‘ne Wahrheit, die das Röhricht raunen
man seit Jahrtausenden schon hört,
wen brächte sie denn noch zum Staunen,
dem Geist und Sinne nicht gestört?

Ach, nicht zum Staunen: Zum Verzagen
erwähn ich dieses Faktum bloß –
pro domo, weil in diesen Tagen
ich näher an die 70 stoß.

Springst du als Kind noch durch die Fluren
als Frischling dieses Erdenballs,
gehn nach Minuten deine Uhren,
von heut auf morgen bestenfalls.

Und steht nach freudigem Geschehen
dir mal erwartungsvoll der Sinn,
dann scheint der Zeiger stillzustehen,
so schneckenhaft kriecht er dahin.

In winz’gen, unauffäll’gen Dosen
verabreicht Chronos uns sein Gift –
du glaubst dich noch in Strampelhosen,
wenn unverhofft der Schlag dich trifft.

Jetzt schlug er auf die nächste Seite:
Ein 68er bin ich nun.
Weiß Gott! Doch einmal Scherz beiseite:
Das Alter kam auf Flügelschuhn.

(Der Zeitpfeil, wie Gelehrte sagen,
hat leider eine Richtung nur.
Ich könnte Einstein drum erschlagen,
dass er nicht hier schuf Remedur!)

Wie oft sah ich den Mond nicht tauchen
wie jetzt aus schwarzem Wolkendunst,
ihn als Staffage zu gebrauchen
zur höh’ren Weihe meiner Kunst?

Genug, um drüber zu vergreisen –
und doch zu selten allemal.
Schon bald wird ohne mich er kreisen
in andren Versen ohne Zahl.

Was kann es da denn noch bedeuten,
wenn ich die Bürgerstube flieh,
um bei den Musen anzuläuten
zum Türverkauf der Poesie?

Natürlich nichts. Doch dies Hausieren
ist ja mein einziges Talent.
Drum will ich keine Zeit verlieren –
grad wenn sie, wo sie, weil sie rennt!

 

Kollegen

KollegenIhr kennt es ja: Indes ich schreibe,
steigt unversehns die Flut der Nacht.
‘s wird zehn, elf, zwölf – ich aber bleibe,
bis ich mein Musenstück vollbracht.

Inzwischen ist es still geworden.
Kaum Autos noch in leichtem Trott.
Der Bürger sitzt, genährt mit Morden,
entspannt vor seinem Bildschirmgott.

Der Himmel zeigt mir tausend Sterne,
die zwinkern mir vertraulich zu.
Ach, ich besuchte sie so gerne,
hielt nur so lange auch mein Schuh!

Es muss mir reichen, hinzufliegen
alleine mit Gedankenkraft –
doch viel ist da nicht rauszukriegen
so ohne Tricks der Wissenschaft.

Ich schau, um’s ehrlich zu bekennen,
vorm geist’gen Aug kein Paradies,
nur Flurn, die brodeln oder brennen,
dass sich’s da höchstens sterben ließ.

Und falls um diese Feuerbälle
Planeten zögen ihren Kreis,
dann wären sie auf alle Fälle
für uns zu eisig oder heiß.

Schon gut, dass in den ew’gen Räumen
kein Meilenstein wohin uns führt;
so können wir denn weiterträumen,
von Tränen goldnen Lichts gerührt.

Doch dort auf einer von Millionen
mal Millionen Galaxien
wird sicher auch ein Dichter wohnen,
der an mich denkt wie ich an ihn.

Ich sehe ihn zur Feder greifen,
sein Blatt beschreiben wie ich jetzt.
Und sein Gedanke würd mich streifen –
hätt Einstein nicht die Zeit versetzt!

Das Gesetz der Politik

Das Gesetz der PolitikDa ist sie wieder, die Konstante,
die Einstein mit ‘nem Geistesblitz
unendlich wie den Kosmos nannte:
der Menschendummheit Aberwitz!

So fröhlich spielt der mit dem Feuer
wie’n Kind, das die Gefahr nicht kennt,
dass erst ihm etwas nicht geheuer,
wenn längst die ganze Hütte brennt.

Politiker in allen Breiten:
„Wir haben alles fest im Griff.
Nie wird das Ruder uns entgleiten.
Nur Spinner faseln was von Riff.“

Und auf dem Staatsschiff transportieren
sie ruhig manches Pulverfass.
„So’n Ding kann gar nicht explodieren,
wir halten es ja ständig nass.“

Kawumm! Mit Donner und Getöse
zerplatzt die schöne Illusion –
erwischt es heute Nippon böse,
so uns vielleicht auch morgen schon.

Die Logik der Politschamanen,
die ständig Sicherheit beschwört,
da schleudert sie aus ihren Bahnen,
die ewig, hieß es, ungestört!

Das Chaos straft die Schwätzer Lügen,
und Angst befällt der Bürger Herz,
indes Atom in vollen Zügen
verströmt sich erd- und himmelwärts.

Und unbeständig mit den Winden
nach hier mal und nach da geweht,
lässt rasch das Strahlengift sich finden
in Wasser, Luft und Gurkenbeet.

Dann wird ermittelt und gemessen,
Verantwortung wird vorgeschützt,
die wen’ger Volkes Interessen
als denen der Schamanen nützt

Die gern des Umstands sich bedienen,
der in Vers eins geschildert ist,
dass schon beim Anblick ernster Mienen
Herr Meier seine Not vergisst.

Wenn dann die Trümmer nicht mehr rauchen,
der Wind die Strahlenpest verjagt,
beginnt man gleich, zurechtzustauchen,
was an der Wahrheit nicht behagt.

Vor allem heißt’s herunterspielen,
dass uns Gefahr vom Meiler droh:
„Wir stehn zu den bewährten Zielen.
Und Pannen gibt’s auch anderswo.“

O-Ton der Herrn mit weißer Weste.
Und ihre saubre Energie
verkaufen wieder sie als beste –
bis zu der nächsten Havarie.

Der Mensch wird wohl erst wirklich schlauer,
wenn’s für die Schläue schon zu spät
und er im letzten Teilchenschauer
mit allem vor die Hunde geht.

Auch um den Frühling wär’s geschehen,
der jetzt grad webt am Blütenflor.
Heut hab ich Krokusse gesehen –
nie kamen sie mir schöner vor.