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Die Straße

die-strasseDie Straße sieht wie immer aus,
ganz einfach zu beschreiben.
Es reihn sich endlos Haus an Haus,
Fassaden, Fensterscheiben.

Hier glimmt ein gelblich-trübes Licht
gleich altem Pergamente,
da hell es in die Augen sticht,
als ob die Hütte brennte.

Darunter leuchtet oftmals bunt
‘ne Bar für späte Gäste
und lockt in ihren Schummerschlund
zum Sprit- und Hopfenfeste.

Querab dann ein Laternenpfahl,
ein Peitschenmast genauer,
der krümmt sich unter steter Qual –
heißt Kälte, Wind und Schauer.

Sprach ich euch von den Dächern schon?
Was ist da groß zu sagen?
Ein breiter Streifen, Ton in Ton
wie’n schweißgeschwärzter Kragen.

Darüber winken wie zum Gruß
im selben Wind zwei Fahnen
und lassen unterm runden Fuß
ein Grand Hotel erahnen.

Und Wagen, dicht an dicht geparkt
an eng gebauten Wegen,
als ob nach ‘nem Verkehrsinfarkt
sie still im Koma lägen.

Dies Bild hat sich mir präsentiert
durch alle meine Tage,
mal grau, mal kräftig koloriert,
je nach der Wetterlage.

Mal hält ihm Regen schimmernd vor
ein Tuch von Perlenschnüren,
mal Schnee den weißen Flockenflor
mit zackigen Bordüren.

Dann wieder schaut es grimmig her,
wenn dicke Wolken jagen
und Tropfen zu Milliarden schwer
an Mauern sich zerschlagen.

Auch strahlt es voller Heiterkeit,
von Sonnenlicht durchflutet,
wenn über ihm der Himmel weit
sich venenblau verblutet.

Und morgens, wenn der Tag erwacht
von Eos‘ ros’gen Küssen,
hat er auch Frische ihm gebracht
von tauigen Genüssen.

Wenn minder dann die Sonne glüht
zur vorgerückten Stunde,
o welche Stille dann erblüht
aus solchem stein’gen Grunde!

Und abends, wenn davon sie rauscht
mit ihrer Purpurschleppe,
man gern noch mit dem Nachbarn plauscht
im Dämmer auf der Treppe.

Nun, da ich dieses für euch schrieb,
fühlt ich die Zeit nicht fließen
und ist mir jetzt auf einmal lieb,
die Sitzung zu beschließen.

Weg denn mit Kuli und Papier!
Ihr werdet nichts versäumen.
Kommt morgen auch zur Straße hier
und lasst uns weiterträumen!

Nach dem Vollmond

Nach dem VollmondSchon ist der Vollmond durchgezogen,
und einsam wieder liegt und leer
im bleichen Schaum der Wolkenwogen
das sternenlose Himmelsmeer.

Und diese Stadt an seinem Grunde,
die tags von Leben nur so sprüht,
verkümmert jetzt zur Abendstunde
wie eine Blume, die verblüht.

Von Schatten völlig übergossen
der Häuser steinernes Gesicht.
Wie unter Lidern, halb geschlossen,
glimmt spärlich nur noch Stubenlicht.

Und wo auf gegenläuf’gen Bahnen
nie, scheint es, der Verkehr versiegt,
kann man die Straße nur noch ahnen –
ein Asphaltbett, das trockenliegt.

Wie tief ist dies urbane Schweigen,
in das nicht mal ein Hofhund bellt
und nicht einmal Zikaden geigen
ihr Nachtkonzert vom Trümmerfeld!

Ja, wenn ich es nicht besser wüsste,
ich käm wohl noch auf die Idee,
die ganze Welt ging nun zur Rüste,
dass nie sie wieder aufersteh.

So werd ich ruhig schlafen gehen,
bis Eos ihre Flügel reckt.
Soll doch kein Hahn dann nach mir krähen –
wenn sanft mich nur die Sonne weckt!