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Wieder daheim

EinquartierungZu Hause glücklich angekommen
mit dem geflügelten Gefährt!
Den ersten Wohnsitz eingenommen
mitsamt dem ersten Heim und Herd.

Die Teller, Töpfe und die Tassen
begrüßten mich zwar nicht mit Tusch,
doch so, als hätt ich sie verlassen
erst gestern nur mal auf’n Husch.

(Konkreter will es der nicht sagen
der sich aufs Putzen nicht versteht.
Kann sein, dass mancher Tassenkragen
jetzt stärker noch ins Graue geht.)

Auch will ich kein Geheimnis machen
aus meiner Post, die ja nicht schlief –
die üblichen banalen Sachen:
Reklame, Rechnung, Mietenbrief.

Doch nichts dabei, was Sorgenfalten
hervorrief in dem ganzen Stoß –
zu bunten Knäueln rasch sich ballten
Papiere, die bedeutungslos.

Auch draußen bis auf Kleinigkeiten
kein Wandel, der ins Auge fiel.
Fassaden, die sich endlos breiten,
sporadisch nur in neuem Stil.

Hier ließ ein Restaurant sich nieder
trotz überreicher Konkurrenz
und da ein Figaro schon wieder,
auf dass die Reihe er ergänz.

Die Nachbarschaft in nächster Nähe,
im Hause also Tür an Tür,
wenn ich so leise um mich spähe –
auch da ich nichts Verdächt’ges spür.

Die grad mir gegenüber wohnen,
die Leute auf demselben Flur,
noch immer ihren Teppich schonen
und ihn belatschen barfuß nur.

Und unter mir die Querulanten,
die das Geräusch der Fliege stört,
sie jagen noch nach Fehlerquanten,
sich aufzuplustern als empört.

Ja, auch der Mime unterm Dache,
der‘s schon zu Bildschirmruhm gebracht,
ist weiter treu dem ernsten Fache
und wenn, nur durch die Zähne lacht.

Drum heißt’s getrost sich anvertrauen
dem alten Nest nach Jahr und Tag.
Ich muss nicht erst ein neues bauen –
wenn’s mir auch manchmal stinken mag.

Barbier

BarbierEr ist Friseur und kennt die Welt.
Mit wem hat er nicht schon geplappert!
Die Strähne, schnipp, die Locke fällt.
Er labert und die Schere klappert.

Politikern geht er ans Haupt.
Da muss er immer fix was schneiden.
Mit ihnen redet er geschraubt.
Die hohen Herren mögen’s leiden.

Für Künstler gilt ein andrer Stil.
Die lassen gern die Mähne flattern.
„Nur Spitzen kürzen, doch nicht viel!“
Mit ihnen auch gebüldet schnattern!

Und ja mit den Poeten bloß!
Da muss man seine Worte wägen.
Doch nach der Art des Figaros
ist er um diese nicht verlegen.

Mal hat er auch ‘nen Musikus,
womöglich gar ‘nen Dirigenten,
den just er so beschneiden muss
wie jene Strophe-3-Patienten.

Wie rhythmisch regt er dann die Hand –
als ob er einen Taktstock schwänge.
Und säuselt süßlich im Diskant:
„Gewiss, nur wenig von der Länge.“

Da bricht ein Sänger ihm ins Haus,
der röhrt sich jetzt durch alle Sender.
„Nur färben. Alle Töne Blaus!“
Gebalz mit einem Sechzehnender.

Hat er nicht sogar schon toupiert
den – Diskretion, nur Zaunpfahlwinken! –
Den X, der seinen Skalp verliert
in so ‘nem alten Cowboy-Schinken?

Dazwischen aber, welch Kontrast,
des Handwerks rühriger Kollege –
ein biedrer Bäcker, der nicht passt
in dieses Große-Tier-Gehege.

Was der für kleine Brötchen backt!
Na ja, nicht jedem kann’s gelingen.
„Heut tüchtig Mehl schon eingesackt?“
Die Blicke kreuzen sich wie Klingen.

Ach, könnt er doch dem Meisterbrief,
da an der Wand dem Dokumente,
den Zusatz geben: „Und aktiv
in Sonderheit für Prominente.“!

Da mondgleich jene er umkreist
den lieben Tag mit Kamm und Schere,
was Wunder, dass er selber gleißt
im Glanz geborgter Künstlerehre!

Von Kopf bis Fuß ist er gestylt.
Ein Kunstwerk, das auf Stelzen wandelt.
Und modisch weit vorausgeeilt
den Herrn, die haarig er behandelt.

Wenn einer so durchs Leben springt
und sich nicht sorgt ums sel’ge Ende,
was, wenn das Totenglöckchen klingt,
dass es ihm Grabesgrüße sende?

Wird er wie wer, der distanziert
bewertet seines Daseins Nutzen,
nur achselzuckend resigniert
und ohne Wort die Platte putzen?

Er wird zum letzten Mal sich schönen,
ein Eauchen da, ein Gelchen hier,
und sterbend wie einst Nero stöhnen:
„O welch ein Künstler stirbt mit mir!“

Und dann der Grabstein, groß, gediegen.
Darunter leiht ihm nun Gehör
Gewürm. Geduldig und verschwiegen.
Was will man mehr als Coiffeur!