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Eingeschränkter Seeverkehr

Mag sein, dass sich die Möwen wundern,
die vis-à-vis am Meer zu Haus,
dass auf Sardinen und auf Flundern
zurzeit kein Menschenjäger aus.

Klar können sie hier selbst ergattern,
was sie an Nahrung so begehrn,
doch gern sie schwärmend auch umflattern
die Dampfer, die vom Fang heimkehrn.

Da rutscht wohl manches durch die Maschen
und plumpst mit Platsch ins Meer zurück,
dass fast im Flug sie’s noch erhaschen
als leicht errungnes Beutestück.

Die Tafel ist für ihresgleichen
rund um die Trawler stets gedeckt –
doch heut heißt‘s übers Wasser streichen
und gucken, wo’s ein Schatten fleckt.

Sie werden sich zu helfen wissen;
ich hab noch nie davon gehört,
‘ne Möwe hätt ins Gras gebissen,
nur weil auf „leichte“ Kost sie schwört!

Sie braucht nur irgendwas zum Fressen
und fragt nicht viel nach dem Woher.
Ihr Möwenhirn hat bald vergessen,
wie unbefahren jetzt das Meer.

Der Mensch indessen sieht die Leere
und weiß den Grund dafür sofort –
führn Luxusliner jetzt und Fähre,
wärn Viren sicher bald an Bord.

Dabei hieß früher es doch immer:
Auf See steckt man sich niemals an.
Doch da gab’s ein, zwei Kohlentrimmer
und höchstens noch ein Dutzend Mann!

Jetzt karren riesenhafte Klötze
Touristen auf Vergnügungsfahrt,
dass man zu Tausenden ergötze,
die lang auf diesen Törn gespart.

Damit hat’s erst mal nun ein Ende,
bis dieser Albtraum wieder weicht
und sich der Mensch wie je die Hände
berührend zur Begrüßung reicht.

Doch muss ich um Verzeihung bitten
die Möwen für mein Seemannsgarn –
bin heut am Meer entlanggeschritten,
sah Boote dort auf Beute harrn!

Wir alle brauchen schließlich Speise
von Land so dringend wie von See –
schwirrt also weiterhin im Kreise
um euer schlingerndes Buffet!

Die großen und die kleinen Fische

Wie friedlich wogt des Meeres Weite
vor ihrem großen Horizont,
wenn sie einmal auf ganzer Breite
von Dampfern sich befreien konnt.

Heut ist dem Sonntag es zu danken,
dass Schiff für Schiff im Hafen liegt
und sich nicht zitternd an die Flanken
der grünen Wellenberge schmiegt.

Die sonst den Fischen auf der Fährte,
genießen ihren Ruhetag,
nachdem das letzte Netz sich leerte
zum wöchentlichen Fangertrag.

Ein Grund zur Freude für Sardine,
Anchovis auch und Kabeljau,
dass man mit heitrer Sonntagsmiene
sich heute auf die Straße trau?

Man weiß doch längst in diesen Kreisen,
vom Hering bis zum Edelfisch,
dass fehlnde Fänger nicht beweisen,
damit sei die Gefahr vom Tisch.

Man kann auch kläglich hängen bleiben,
wenn plötzlich man in Maschen tappt,
die herrenlos im Wasser treiben,
gerissen oder gar gekappt.

Und was ist mit den bunten Sachen,
die neuerdings sich stark vermehrn
und einen Appetit entfachen,
als ob sie Leckerbissen wärn?

Schon mancher dieser Schuppenbrüder
ist an dem zähen Zeug erstickt,
der Atem ging ihm immer müder,
bis er zu Neptun eingenickt.

Ein ewger Kampf ums Überleben
ist ja ihr Dasein ohnehin;
Pardon wird Kleinen nicht gegeben,
schwups, und im Maul der Großen drin!

Doch grade so geht’s auch da oben,
wohin man sie zum Schlachten zieht:
Die aus der Tiefe sie gehoben,
die kennen dieses alte Lied.

Die Fischer sind nur arme Schlucker,
die ihre Bäuche stopfen wolln
und deshalb täglich, tucker, tucker,
als Räuber durch die Wogen rolln.

Denn diese richtig großen Kähne,
die nicht nur fahren auf dem Meer,
sind die der Wirtschaftskapitäne
im Güter- und Finanzverkehr.

Die haben solche Dimensionen
und einen so gefräß’gen Schlund,
dass ihre Touren sich erst lohnen,
reißt alles raus man bis zum Grund.

Der Unternehmer, so die Lehre,
braucht Kapital und Wagemut,
damit er die Profite mehre.
Und denkt: Nach mir die Plastikflut!

Fischzug

Gespenstisch, ohne sich zu rühren
auch nur ein Fünkchen hin und her,
als wärn mit Tauen sie verbunden,
ein Dutzend Lichter auf dem Meer!

Indes ich meine Runde drehte,
die ich nur selten mal geschwänzt,
und hoch hinauf zu Venus spähte,
wo abends öfter sie geglänzt.

Mit einem Blick auch schon gefunden,
kein Wunder in der klaren Nacht –
so sichtbar wie die Vagabunden,
die da auf Reede festgemacht.

Was aber auf den schwarzen Wogen
so stiekum da vor Anker liegt,
ist’s ‘ne Armada, hergezogen,
dass sie den Strand im Schlaf bekriegt?

Doch nix passiert. ‘ne Lichterkette –
und richtet keinen Schaden an.
Dahinter steckt, was gilt die Wette,
ganz sicher der Klabautermann.

Hätt früher ich drauf kommen müssen;
der haust ja zwischen Heck und Back
und spielt mit seinen Geistergüssen
der Gang mal gern ‘nen Schabernack.

Bestimmt konnt er hier Fischersleute
mit einem Trick dazu verführn,
anstatt auf hoher See der Beute
halb auf dem Ufer nachzuspürn.

Da liegen sie nun auf der Lauer
und halten ihren Atem an,
worauf als flüchtiger Beschauer
ich keinen Reim mir machen kann.

Ich lass sie also hinterm Rücken
und langsam mich nach Hause schieb.
Wer weiß, wann die sich da verdrücken
mit ihrem schwachen Netzbetrieb.

Meerbedarf

Gern würd ich stärker noch genießen
des Meeres Weite hinterm Haus,
die Welln, die ineinanderfließen
bei Stille und bei Sturmgebraus.

Die Möwen, die darübergleiten
und angestrengt nach Beute spähn,
um die bisweilen sie sich streiten,
indem sie kreischend Runden drehn.

Den Horizont, auf dem die Fähren
und Kreuzfahrtschiffe balanciern,
als ob sie aus der Puste wären
und kaum sich aus dem Blick verliern.

Die Fischer, die mit frischer Brise
frühmorgens schon zum Fangplatz eiln,
damit sie ihre fette Prise
noch zeitig auf dem Markt verteiln.

Auch die grazilen Segelboote
nicht allzu weit vom Ufer weg,
zwar mit geringer Trefferquote,
doch gut gesehn als weißer Fleck.

Indes als Fischlein nicht geboren
in dieser trüben Unterwelt,
bleib lieber ich vor ihren Toren,
wo Sonnenschein den Tag erhellt.

Auch den Artisten in den Lüften
schließ ich wohlweislich mich nicht an,
weil, leidlich lahm schon in den Hüften,
so rastlos ich nicht kreisen kann.

Auch fürchte ich, die Schiffsgiganten,
von fern betrachtet grandios,
sie wärn so ohne Mast und Wanten
im Grunde völlig ausdruckslos.

Und für die schöne Kunst zu kreuzen
hab ebenfalls ich keinen Hang,
halt auch nicht viel von diesen Käuzen
mit maritimem Fachwortzwang.

Da wärn die Louis mir schon lieber,
die nicht aus Spaß das Meer befahrn,
doch täglich mit dem Arbeitsfieber,
zu fülln ihr Netz aus Seemannsgarn.

Ein einz’ges Mal hab ich betreten
so’n Trawler hier am Hafenort,
weil nach ‘nem Umtrunk mich gebeten
ein Käpt‘n nächtlich noch an Bord.

Doch kann man ja nicht ewig zehren
vom Zufall einer Kneipentour –
all diese Dinge mich nur lehren,
dass ich auf falschem Dampfer fuhr.

Das Meer noch stärker zu verspüren,
fand jäh ich einen andren Weg,
dass selbst ich bei verschlossnen Türen
mein Ohr an seine Pulse leg.

Die wunderbar gemischte Würze
aus Wasser, Schuppen, Tang und Salz
beschaff ich mir in aller Kürze
im nächsten Laden jedenfalls.

So Würfel, die zu einem Sude
mit fischigem Geschmack zergehn –
dann riecht es in der ganzen Bude,
als würd sie auf der Mole stehn!

Über Fischen

Über FischenFrühmorgens gehn sie auf die Reise
und dampfen in ihr Fanggebiet,
wo immer noch auf Petri Weise
man Maschen durch die Fluten zieht.

Da kreisen sie denn Stund um Stunde
in eng begrenzter Region
und bergen ihre feuchten Funde
fürn ungewissen Tageslohn.

Dann heißt’s schon in die Hände nehmen
den Kiel am späten Nachmittag,
damit sie nicht verspätet kämen
zu des Versteig’rers Hammerschlag.

Der fällt hier in der Hafenhalle
unweigerlich Punkt 18 Uhr –
indessen nicht für Krill und Qualle,
für Seehecht und Sardine nur.

Wenn sie dann schon vorm Bierchen hocken,
um durchzuhecheln ihren Fang,
machen sich andre auf die Socken
und stillen nachts ihrn Beutedrang.

Die geistern lockend dann als Lichter
in diesem Sott von Nacht und Meer,
mal draußen weiter und mal dichter,
doch immer lautlos hin und her.

Eintrudeln morgens, wenn die andern
die Lider grad vom Schlaf befrein –
sofort zum Auktionator wandern,
weil Käufer schon nach Ware schrein.

Da Fischer ständig ihn bejagen,
erholt sich nie ihr Lebensquell.
Die Brut wird ihm davongetragen
in Einkaufsnetzen XXL.

Na und, wird mancher vielleicht höhnen,
beschwert sich wer aus diesem Kreis? –
Zumindest hör ich nächtlich stöhnen
die Welln, die Winde – ach, wer weiß!