Schlagwort-Archive: Klabautermann

Fischzug

Gespenstisch, ohne sich zu rühren
auch nur ein Fünkchen hin und her,
als wärn mit Tauen sie verbunden,
ein Dutzend Lichter auf dem Meer!

Indes ich meine Runde drehte,
die ich nur selten mal geschwänzt,
und hoch hinauf zu Venus spähte,
wo abends öfter sie geglänzt.

Mit einem Blick auch schon gefunden,
kein Wunder in der klaren Nacht –
so sichtbar wie die Vagabunden,
die da auf Reede festgemacht.

Was aber auf den schwarzen Wogen
so stiekum da vor Anker liegt,
ist’s ‘ne Armada, hergezogen,
dass sie den Strand im Schlaf bekriegt?

Doch nix passiert. ‘ne Lichterkette –
und richtet keinen Schaden an.
Dahinter steckt, was gilt die Wette,
ganz sicher der Klabautermann.

Hätt früher ich drauf kommen müssen;
der haust ja zwischen Heck und Back
und spielt mit seinen Geistergüssen
der Gang mal gern ‘nen Schabernack.

Bestimmt konnt er hier Fischersleute
mit einem Trick dazu verführn,
anstatt auf hoher See der Beute
halb auf dem Ufer nachzuspürn.

Da liegen sie nun auf der Lauer
und halten ihren Atem an,
worauf als flüchtiger Beschauer
ich keinen Reim mir machen kann.

Ich lass sie also hinterm Rücken
und langsam mich nach Hause schieb.
Wer weiß, wann die sich da verdrücken
mit ihrem schwachen Netzbetrieb.

An der Wirklichkeit vorbei

Hans HolbeinWir tun, als ob wir tausend Jahre lebten
und tot noch eine Ewigkeit dazu –
als ob die Parzen nicht schon ständig webten
am här’nen Hemdchen unsrer letzten Ruh!

Da kommt wer, dass er seine Schätze horte,
zur Truhe alle Nase lang gerannt –
und schon klopft ihm der Meister an die Pforte,
den Celan den aus Deutschland hat genannt.

Da haut wer, dass er ihm die Sterne zeige,
‘nem andern voll ins Mondgesicht –
und schon geht diesem Schlagetot zur Neige
das eigne schattenreiche Lebenslicht.

Da faselt jemand groß von den Meriten,
die er auf wicht‘gem Felde sich erwarb –
mehr hatte er indes auch nicht zu bieten.
Er lobte sich unsterblich, bis er starb.

Da knapst und knausert wer mit seiner Pinke,
hat sich gar selbst die Taschen zugenäht –
grad als man wünscht, dass er im Geld ertrinke,
trifft ihn der Schlag. Der Doktor kommt zu spät.

Schau sich auch einer an den Schwerenöter,
der hochbetagt noch geckenhaft poussiert –
in dieser Frühlingspose fast noch töter
als kurz darauf, gebahrt und balsamiert.

Des Landes höchster Lenker oder Leiter:
„Ein Unglück, gäbe ich’s Kommando fort!“
Das Staatsschiff aber schlingert fröhlich weiter,
holt der Klabautermann ihn auch von Bord.

Da seht ihn nur auf hohem Rosse sitzen,
den, der auf seinen Stand und Status pocht!
Den Dünkel wird er sich vom Leibe schwitzen,
wenn er demnächst im Höllenfeuer kocht.

Und dann der Boss, der Abgott unsrer Zeiten:
Success, Importance, Power in Person!
Auch er wird bald den bittren Weg beschreiten:
Sein Pluto – Hab und Hölle – wartet schon.

Zu guter Letzt des Feldherrn noch gedenken:
Je mehr geschlachtet, desto größre Ehr.
Theognis will als Grabspruch ich ihm schenken:
Wär besser, dass er nie geboren wär!

Am liebsten kürzt, die Zeit sich zu verkürzen,
der eine Mensch des andern Lebensfrist,
den faden Alltag kräftig sich zu würzen,
der ohne Blut ihm ungenießbar ist.

Und glaubt in seinem mörderischen Triebe,
er selbst sei gegen jeden Tod gefeit.
Woraus wir lernen, dass die Eigenliebe
dem größten Unsinn noch die Lauscher leiht.

Wir leben ohne Grenzen, ohne Schranken,
den Würmern gleich im bloßen Augenblick –
Halunken, die sich noch um Beute zanken,
schließt um den Hals sich schon der Galgenstrick.

Herr der Meere

Herr der MeereSo einer braucht nicht wenig Grütze,
um auf der Brücke da zu stehn
und mit der goldbestickten Mütze
den Chef zu geben, den Kap’tän.

Und neben all den naut’schen Sachen,
die kompliziert schon von Natur,
muss er bei Wind und Wetter machen
auch noch ‘ne gute Mannsfigur.

Er muss sich kerzengrade halten,
an Bord die Füße steif und fest,
selbst wenn im Wüten der Gewalten
vor Angst schon mancher Wasser lässt.

So flößt er seinen Passagieren
das nötige Vertrauen ein,
in besten Händen zu kutschieren,
und bräch die Sintflut selbst herein.

Knapp und präzise die Befehle,
mit denen er die Crew regiert
und seiner Kommandantenseele
manch Lustgefühlchen generiert.

Auch bei der Damenwelt zu spielen
den Hahn im Mastkorb, mit Verlaub,
gehört nicht zu den Reisezielen,
für die sein Seemannsherz zu taub.

Hat er den Globus nicht befahren
die kreuz und quer und lang und breit –
von Hamburg zu den Nikobaren,
von Halifax bis nach Kuwait?

Und hat er sich nicht rumgetrieben,
äh, umgesehn in jedem Port
und sich ins Gästebuch geschrieben
mit Treueschwüren immerfort?

Nur jene reden von den Planken,
die selber vor dem Kopf ein Brett:
dass sie nur schlingern und nur schwanken –
ihm gelten sie als Weltparkett

Im Tanz der Wellen und der Wogen,
der sich in tausend Rhythmen wiegt,
dass er des Erdballs kühne Bogen
von Meer zu Meer im Rausch durchfliegt.

Da muss man sich doch wenig wundern,
wenn weit sein Geist vorausgeeilt
dem Schwarm der aufgedrehten Flundern,
mit denen er sein Dickschiff teilt.

Hat er denn in der Wasser Weiten
als Herr und Richter auf dem Pott
etwa noch andre Obrigkeiten
als nur die allerhöchste: Gott?

Er weiß sich stets auf gutem Fuße
mit Neptun und Klabautermann,
dass selbst in Mallung und in Muße
ihn nichts vor Unheil wahrschaun kann.

Indes, auf beide Phänomene
ist letzten Endes kein Verlass.
Auch er verlässt dereinst die Szene
und beißt ins Gras. Das auch noch nass!

Karriereknick

KarriereknickDer Herr der Tampen und der Taue
versprach vom Himmel uns das Blaue,
doch eh er dieses noch errang,
musst er zum letzten Urnengang.

Hat er nicht schon als Lausbub gerne
die anderen getriezt beim Spiel,
weil unbewusst in weiter Ferne
die Politik sein Lebensziel?

Inzwischen hat er sie durchlaufen,
in der Partei die Ochsentour,
und kann auf höchster Bühne raufen
mit Typen, die genauso stur.

Um Macht. Denn nur in Sonntagsreden
dreht alles sich ums Sachgebiet,
im Stillen aber um die Fäden,
die man in der Gesellschaft zieht.

Was für Gefühle ihn durchwallen!
Wie’n Käptn steht er, „Volle Kraft“!,
und unter ihm wie Meeresquallen,
gesichtslos, blass, die Wählerschaft.

‘ne Windsbraut bringt ihn nicht ins Wanken,
die stärksten Stürme steckt er weg.
Gottvater auf des Staatsschiffs Planken,
vier Jahre mindestens an Deck.

Wie selbstbewusst kann er befehlen!
Wie zäh entscheidet er allein!
Verkaufte dieser Kahn auch Seelen,
er hielt den Kurs noch strikter ein!

Zu neuen Ufern will er steuern,
wo uns ein neues Eden winkt,
und wird nicht müde ‘s zu beteuern,
selbst wenn der Jammer schon versinkt.

Denn er wird Schiffbruch nicht erleiden,
und wenn die ganze Crew ersäuft,
kann sich in Ruhm und Ehre kleiden,
von Laub und Lorbeer überhäuft

Dass er so tapfer ausgehalten
und eisern auf der Brücke stand,
als im Orkan der Volksgewalten
sein „mut’ger Kurs“ ein Ende fand.

Wär da nicht einer, der den Dingen
noch eine Wendung geben kann
mit seines Netzes feuchten Schlingen –
ihr wisst schon: der Klabautermann.

Der holt die Kerls aus der Kajüte
gerade so, wie’s ihm gefällt,
und sei es in der Jugendblüte –
ein Meister der „verkehrten Welt“.

Aus seiner Macht- und Leibesfülle
stößt er den Alten jäh von Bord.
Ein Staatsakt für die tote Hülle.
Die Quallen paddeln fröhlich fort.