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Wetteraussichten

Es ist dem Stausee anzumerken,
dass er ‘nen Schluck dazugekriegt.
Mag der sich gerne noch verstärken –
jetzt wird erst mal nicht ganz versiegt!

Des einen Freud, des andern Jammer!
Am Strand fiel’s nicht so glimpflich aus,
da schlug wie mit ‘nem Vorschlaghammer
der Sturm sich ganze Stücke raus.

Und hat sogar zum großen Schrecken
am Bauch der kleinen Bars genagt,
die, Lust auf Fisch und Meer zu wecken,
zu weit ans Ufer sich gewagt.

Die müssen ihren Mut nun büßen
für diesen exponierten Stand
und baumeln mit den bloßen Füßen
auf Kippe überm Küstenrand.

Auch wo die Sande nicht versanken,
sah man sofort, wie’s da geweht –
mit Sträuchern, Flaschen, Plastik, Planken,
mit Trümmern alles übersät.

Das geht so schon die dritte Woche,
ein Ende ist nicht abzusehn.
Ich stecke fest in meinem Loche,
wo ich mich durch den Dämmer gähn.

Genauer: Über meinem Buche
dös unverhofft ich manchmal ein
und träumend mir ein Plätzchen suche
im schönsten Frühlingssonnenschein.

Erwach ich dann aus diesem Wahne,
es gleich mich zu erfahren drängt,
ob gegenüber noch die Plane
vor der geschlossnen Haustür hängt.

Der Nachbar, müsst ihr nämlich wissen,
dem’s öfter in die Bude schwappt,
schützt vor dem Regen sich beflissen,
indem die Schwelle er belappt.

Durch dies erprobte „Barometer“
zeigt ahnungslos der gute Mann,
ob ich mich früher oder später
getrost ins Freie wagen kann.

Es sind die alten Fischerkaten –
ein einz’ges Stockwerk unterm Dach;
wenn die in einen Guss geraten,
rauscht durch das Flett ein ganzer Bach.

Der Touri, der hier müßig schlendert,
den Anblick heiß und innig liebt.
Er steht, er staunt: „Noch unverändert.
Ein Glück, dass so was es noch gibt!“

O heiliger Kulturbanause!
Sieht alles nur im schönsten Licht,
doch nicht den Zustand dieser Klause,
die längst aus allen Fugen bricht.

Und hätte er im Weitergehen
sich kurz noch einmal umgedreht,
die Plane hätt er liegen sehen,
die ewig aus der Angel weht.

Meeresfreuden

Zum Strand muss man nicht lange laufen,
‘ne schmale Straße trennt ihn nur
von diesem kleinen Hüttenhaufen,
aus dem man einst das Meer befuhr.

Doch da Berufe sich vererben,
vielleicht wohnt ja da auch noch heut,
sein Brot mit Fischen zu erwerben,
ein Seebär, der die Flut nicht scheut.

Zumindest hätt er vor der Nase
sein grenzenloses Arbeitsfeld
und wüsst schon in der Frühstücksphase,
wie’s Neptun mit dem Wetter hält.

Denn falls die Welln sich überschlagen
wie vom Klabautermann gehetzt,
was soll er sich nach draußen wagen,
fehlt ihm der Fang zu guter Letzt?

Doch mag’s auch niemanden mehr geben,
der seinen Unterhalt erfischt,
wird doch den Leuten, die hier leben,
ein Augenschmaus stets aufgetischt.

Zieh nur den Vorhang leicht beiseite,
hock träge vor der Häuserfront,
es zeigt das Meer in ganzer Breite
und tief sich bis zum Horizont!

Und nicht nur als bewegte Masse,
die, blubbernd oder bleiern still,
mit Boot man, Dampfer und Barkasse
als Wasserweg befahren will!

Mal huschen ihm geformte Schatten
wie Flecken übers graue Fell,
die erst im Wolkenflug ermatten,
gibt sich der Himmel wieder hell.

Mal schüttet ihm aus voller Kanne
die Sonne Funken auf den Hals,
dass diese prall gefüllte Wanne
so glitzert wie nur Badesalz.

Dann wieder jagen schwarze, schwere
Gewitterwolken drüber weg
und schleudern ihre Feuerspeere
frenetisch ohne Sinn und Zweck.

Ob sie nur Lärm erregen wollen?
Sie rühren ja den Donner auf,
wie er mit unverhohlnem Grollen
stets folgt der Blitze Zackenlauf.

Schon tags darauf: Ein Tuch gezogen,
das hoch den Himmel überspannt,
sich spiegelnd jetzt in glatten Wogen,
dern Farbe dem Azur verwandt.

Auch sind ja jederzeit zur Stelle
die kleinen Trawler hier und da,
bei Nacht so gut wie Tageshelle,
der Heimatküste immer nah.

Die Rückfahrt dann aus allen Winden –
dies Bild hat ‘nen besondren Charme:
Wie um den Einlauf sie sich schinden,
beflügelt von ‘nem Möwenschwarm!

Und kaum, dass sie die Anker lichten,
den nächsten Hafen schon im Blick,
sind auf der Kimm sie auch zu sichten,
die Kreuzfahrtschiffe, superschick.

Man kann auch einfach angeln gehen
und warten, bis ‘n Brummer beißt,
sofern nicht dieses ew’ge Stehen
ermüdet selbst den Duldergeist.

Und, liebe Nordlandfraun und -männer,
gewickelt jetzt ins Wollgewand,
heut sah ich sogar, Ende Jänner,
im Badeanzug wen am Strand!

Es warn Bewohner dieser Katen,
wie wenig später ich erfuhr,
als ihrem Heim sie wieder nahten,
bedeckt von einem Handtuch nur.

Bei dieser Flut verschiedner Freuden
gleich hier vor meiner eignen Tür
wollt ich kein bisschen Zeit vergeuden,
bis selbst ich ihren Kitzel spür.

Und stürzte so mit flinken Füßen,
die erst am Ufer haltgemacht,
um dort das Wunder zu begrüßen
‘ner mondbeglänzten Meeresnacht.

Wie groß war aber mein Erstaunen,
als dies und jenes ich nicht fand –
nur, immer diese Wetterlaunen!,
‘ne watteweiße Nebelwand.

Doch die war auch nicht zu verachten,
gab Friedrich’sche Romantik her –
wie „Männer, die den Mond betrachten“
so „Wandrer überm Nebelmeer“.

Nach altem Maß

Nach altem MaßWo wär das möglich hoch im Norden?
‘n ganzes Haus – ein Stockwerk bloß?
Mit Oberstübchen nix geworden,
die Bodenständigkeit bleibt groß.

Ein Domizil der kurzen Wege.
Das meiste hat man gleich zur Hand –
wie eine Henne ihr Gelege,
was diese auch stets praktisch fand.

Muss man da drin sein Navi zücken,
um endlich wo am Ziel zu sein?
Nein, einfach nur die Klinke drücken
und mitten in die Stube rein!

Kaum Platz für Omas Kaffeetasse
in der beschränkten Räumlichkeit –
doch immerhin ‘ne Dachterrasse
macht schön sich in der Sonne breit.

Und da meist offensteht die Türe
hinter des Vorhangs weh’ndem Saum,
erweitert sich durch dessen Schnüre
die Bude in den Straßenraum.

Im Sommer kann man draußen sitzen,
des Hauses Enge zu entfliehn,
und mächtig Braun auch noch stibitzen
der Meist’rin Sonne: Melanin.

Noch viele dieser Fischerkaten
stehn malerisch am Strand entlang.
Hier hat Poseidon man zum Paten
und stets im Blick den nächsten Fang.

Die Kais sind gleich hier um die Ecke,
da landet man die Beute an –
die holt ganz frisch sich weg vom Flecke
der Höker mit dem Caravan.

Kein Pflaster für Hoteltouristen –
der Badestrand zu klein und grau.
Paar hundert Meter weiter nisten
sie hoch in ihrem Plattenbau.

Längerer Tapetenwechsel

Längerer TapetenwechselNoch niemals war ich wohl so lange
getrennt von meiner Heimatstadt –
zwei Monate an Stück und Stange,
zwei Seiten vom Kalenderblatt!

Das ist nun mal ‘ne andre Nummer,
als wenn man zwei, drei Wochen bloß
zu hektischem Erholungsschlummer
vorübergehend „arbeitslos“.

Den flücht’gen Urlaubsgast vergessen,
den eiligen Touristen kann,
wer länger hier schon eingesessen
und dennoch nicht auf Rückkehr sann.

Ist es der Sonne zu verdanken,
die frostige Gefühle schmelzt,
dem Meere, wie’s mit leichtem Schwanken
sich offen in die Weite wälzt?

Sind es die alten Fischerkaten,
die hart an Gischt und Brandung stehn
und aus der Fassung nicht geraten,
wenn Stürme ihre Stirn umwehn?

Ist es der Berge mass’ge Mauer,
die aus dem Hinterlande steigt
und die dem staunenden Beschauer
das Gegenbild des Wassers zeigt?

Wie alles dies mich schon erfreute
und lieber wird von Tag zu Tag!
Ein Vivat drum auf Land und Leute –
und dass auch mich man mögen mag!