Schlagwort-Archive: Francis Bacon

Körperkunde

koerperkundeDie Lupe, dies gestielte Auge:
Ein Zeichen, dass ich älter werd.
Wenn Winz’ges in den Blick ich sauge,
sie freundlich mir sein Bild vermehrt.

Was hat an anderen Gebrechen
mir noch beschert der Jahre Lauf?
Dass ich auf weiten Schädelflächen
mir längst nicht mehr die Haare rauf.

Auch macht mir eines meiner Ohren
seit Jahr und Tag ganz schön Verdruss:
Es pfeift und zwitschert mit sonoren
Akkorden namens Tinnitus.

Da muss ich mir mein Bäuchlein preisen,
das unverändert sich erhielt,
weil mittels Rumpf- und Hüftenkreisen
ich einen Status quo erzielt.

Doch sollt ich alles bilanzieren,
die Feder stünde mir nicht still,
indes Altmänner-Lamentieren
ich lieber euch ersparen will.

Das Glas, kann ich von Glück noch sagen,
in das ich meine Klüsen tauch,
ist trotz besagter Altersplagen
die einzge Krücke, die ich brauch.

Am besten nach erfülltem Leben
scheint mir die Kehle noch in Schuss,
bereit, ihr Äußerstes zu geben,
was immer sie auch schlucken muss.

Wer würd in Trübsal da versinken,
solange dies Organ intakt?
Lasst auf ihr Wohl mich einmal trinken
und dass sie’s weiterhin so packt!

Selbstporträt

Selbstporträt, Francis BaconSo ehrlich möchte ich mich zeigen
mit Worten auf Papier,
dass von den Zügen, die mir eigen,
nicht einen ich verlier.

Wie Meister Rembrandt ungelogen
sich seiner Kunst gestellt,
will Furchen, die die Zeit gezogen,
enthüllen ich der Welt.

Indessen wie den Anfang machen?
Gibt es nicht hunderttausend Sachen,
die so ein erster Pinselstrich
beginnen könnte meisterlich?

Am besten start ich mit dem Alter,
das ist ’ne Basis schon:
Der höchste Personalverwalter
schickt bald mich in Pension.

O weh, ein Kerl von solchen Jahren
hat doch ’ne Menge schon erfahren,
was auf dem werten Angesicht
in lust’gen Fältchen zu uns spricht!

Das muss ich jedenfalls bekennen:
Der Teint ist längst versaut.
Mag‘s jemand rau und männlich nennen,
ich nenn es alte Haut.

Und was da oberhalb der Stirne
den Schädel einst gedeckt,
hat rings sich um die nackte Birne
als Kränzlein ausgestreckt.

Wenn wir dann etwas tiefer schauen
an der Apollgestalt,
dann finden auf den Lymphen-Auen
ein Hügelchen wir bald.

Gewiss, gewiss, das sind Symptome,
wie sie in seinem Lebensstrome
wohl jeder mal erfährt,
der sich der Mündung näh‘rt.

Adonis bin ich nie gewesen,
doch was sie jetzt im Spiegel lesen,
die Augen, deprimiert,
sie beinah schon geniert.

Nur noch ein Schatten jener Tage
mit leidlicher Figur,
da keine überdrehte Waage
mir riet zur Hungerkur.

Die ungefügen Biomassen,
die kaum noch in die Hose passen,
ob Schicksal oder Schuld,
ich trag sie mit Geduld.

Nun, wenn denn dies schon alles wäre,
ich pfiff darauf wohl glatt,
doch in dem Buch der Krankheitslehre
ist auch für mich ein Blatt.

Ich muss mich nicht in Qualen winden
mit was wie Gallenstein,
doch seh dafür mir sacht entschwinden
den klaren Augenschein.

Das gilt auch für die Kunst zu hören,
die offenbar schon litt,
dass, lauschte ich den „drei Tenören“,
nur zwei bekäme mit.

Will jemand sich mit den Gebrechen
für meines Lebens Laster rächen?
Bin ’n kleiner Sünder bloß –
die Strafe wär zu groß.

Mehr möchte ich indes nicht schildern,
jetzt brauch ich meine Ruh –
malt euch in euren eignen Bildern
noch dies und das dazu!

Viel ehrlicher kann ich’s nicht sagen
als mit den Zeilen hier –
wär’s wohl auch mut’ger aufgetragen
auf Leinwand statt Papier!