Schlagwort-Archive: Freund Hein

Genau besehen

Nach allem, was wir heute wissen
vom Sein und seiner Haltbarkeit,
ist’s nur ein flücht’ges Ruhekissen
im mörderischen Strom der Zeit.

Kaum auf der Erde angekommen
und kaum sie kurz nur angeschaut,
ist schon das Lebenslicht verglommen,
dass dir Freund Hein ‘ne Kiste baut.

Und während es uns wenig kümmert,
was war vorm ersten Wiegenlied,
wolln wir doch, ist der Leib zertrümmert,
gern wissen, was danach geschieht.

Doch ist Gewissheit nicht zu kriegen –
denn leider die Erfahrung lehrt,
dass ein Versuch mit Probeliegen
den Sterblichen seit je verwehrt.

Wer erst einmal die letzte Bleibe
in Erde oder Feuer fand,
der ist mit seinem ganzen Leibe
auch bombenfest dort eingebrannt.

Der Mensch indes in allen Zonen
gab niemals sein Gegrübel auf
und ließ den Spekulationen
nur umso stärker freien Lauf.

Gewiss ein schwieriges Gelände,
doch alles andre als banal.
Die einen sagen: Aus und Ende,
man lebt nur dieses eine Mal.

Denn so, wie ehe wir geboren,
wir fühllos für ein Hier und Jetzt,
sehn wir uns, ist die Schlacht verloren,
ins gleiche Nichts zurückversetzt.

Doch viele bringt das auf die Palme,
weil es ihr Ego untergräbt:
Die Seele gleicht ‘nem feinen Qualme,
dern Tod des Körpers überlebt!

Sie wird geschäftig weiterwandern,
bis sie der Suche müde wird
und sich in irgendeinem andern
als Untermieter einquartiert.

Dabei nicht eine der Millionen
verschiednen Lebensformen flieh’nd,
kann sie im Huhn und Heil’gen wohnen,
so, heißt es, wie sie es verdient.

Der Kreislauf aber könnt auch enden,
beteuern andre wiederum,
wenn wir uns innerlich nicht bänden
an dieses Weltpanoptikum.

Genuss von Bier und Bratkartoffeln
nur immer fleißig dir versag,
dann hockst du einst in Filzpantoffeln
im ewigen Nirwana-Tag!

So’n Quatsch, im Chor dagegenhalten
die Leute, die als Christ getauft:
Man lässt den Tod erst einmal walten
und wird von Gott dann freigekauft.

Das kann zwar eine Weile dauern
da unten in der dumpfen Gruft –
doch Schluss dann plötzlich mit Versauern,
die Leiche atmet frische Luft

Und wird von fleiß’gen Engelsbütteln,
die bei Gottvater in der Pflicht,
nach Auferstehn und Staubabschütteln
flugs abgeführt zum Endgericht.

Berufung wird’s dann nicht mehr geben,
das Urteil hat Gesetzeskraft,
entscheidet übers ew’ge Leben
in Freiheit oder Dunkelhaft.

Die einen, die stets schlecht gewesen,
fahrn in die Hölle zur Tortur,
die andern, brav und handverlesen,
lustwandeln auf der Himmelsflur.

So weit nur meine kleine Liste,
die doch vielleicht zu zeigen reicht,
was angesichts besagter Kiste
uns so an Ahnungen beschleicht.

Na gut. Doch ‘ne Bestandsaufnahme
ist nicht der Weisheit letzter Schluss:
Wenn ich im Glaubenslehrgut krame,
ich auch was Neues finden muss!

Voilà: Was diese Lehrn verbindet,
die füreinander doch so blind,
ist, dass der Boden ihnen schwindet,
in dem sie fest verwurzelt sind!

Denn was auch immer mag passieren,
ist man aus seiner Haut heraus,
man wird in jedem Fall verlieren
den Draht zu Vaterland und -haus.

Ob man für alle Zeit gestorben,
ob man vertauscht des Körpers Kleid,
ob Himmel-Hölle man erworben,
ob sel’ge Ungeborenheit –

Gekappt die Taue, die geschlungen
in diese trügerische Flut,
vergehn auch die Erinnerungen
ans früher eigne Fleisch und Blut.

Nur in der kurzen Lebensphase
kann wer und wo und wie man sein –
zerplatzt dann diese Seifenblase,
platzt mit ihr auch der schöne Schein.

Die Kämpfe, Kriege, Emotionen,
aus denen sich das Sein addiert,
es wird kein Schwein sie einmal lohnen –
wenn immer eins auch profitiert.

Mammonitis

MammonitisAuf einmal in die Welt geschmissen,
als ob du einen Dreck nur giltst,
wolln alle plötzlich von dir wissen,
wie diese du verändern willst.

Denn jene, die darin schon hocken,
ha’m dafür selber kein Rezept
und wolln der Neugeburt entlocken,
was sie an Weisheit mit sich schleppt.

Um eine Antwort nicht verlegen,
orakelt unser Frischling frei
mit flinken feuchten Zungenschlägen,
dass Pampe wohl das Beste sei.

Und, bitte sehr, die Neunmalklugen,
schon haben sie ihr Lustobjekt
und lehrn, die Welt ging aus den Fugen,
wenn man nicht fleißig Pampe schleckt.

So, etwas überspitzt gesprochen,
nimmt Überzeugungen man an –
so einfach übers Knie gebrochen,
nicht lange fragend, was daran.

Das sind mir schöne Kantianer:
Die reinste Feigheit vorm Verstand!
Der tapfre Königsberger Mahner
hätt sich mit Grausen abgewandt.

Auch heut noch tappt die Menschenmasse
im Dunkel der Unmündigkeit
wie’n bäuerlicher Hintersasse
zur gnadenreichen Gutsherrnzeit.

Wobei man jetzt nicht mit der Knute
die krit’schen Geister überzeugt,
dass nur zum Wohl von Herrn und Gute
man schweigend seinen Nacken beugt.

Nein, kaum dem Junkerjoch entkommen
und aller Obrigkeiten frei,
hat man ein neues angenommen,
dass Mammon untertan man sei.

Und nur aufs Fressen ausgerichtet
wie jeder Straßenköter auch,
am höchsten man das Moos gewichtet
als nöt’ges Polster fürn Verbrauch.

Und falls sich mal den „höhren“ Fragen
die satte Seele stellen mag,
dann weiß sie noch aus Kindertagen:
Die Antwort kennt der Kirchentag.

So futtert man sich durch das Leben
wie durch die süße, dicke Wand,
nach der die Schlemmer alle streben
zum Durchbruch ins Schlaraffenland.

Doch fortgesetzte Paradiese
(erst irdisch, dann im Himmel wo)
entspringen nur der Expertise
des Geists auf bloßem Wunschniveau.

In Wirklichkeit weiß kein Schamane,
egal von welchem Betverein,
ob wir nach Charons düstrem Kahne
erneut uns in den Stammbaum reihn.

Gewiss ist nur, dass uns schon morgen
Freund Hein die Rechnung präsentiert.
Wird Mammon uns fürn Aufschub borgen?
Ja, wie ‘ne Jungfrau, die gebiert.

Nicht risikofreudig

Nicht risikofreudigAm Meer, was für ein buntes Treiben!
Die halbe Welt zieht es dahin,
um in ihr Tagebuch zu schreiben:
Jetzt bin ich, wo ich glücklich bin!

Zwar sind verschieden die Int’ressen
bei dieser hormonellen Kur,
doch geht es meist ums Kräftemessen
mit den Gewalten der Natur.

Da ist der Fischer, der die Netze
um das Getier der Tiefe schlingt
und zum Gewinn der schupp’gen Schätze
mit Stürmen um sein Leben ringt.

Da ist der Seemann, der die Fluten
als Handelsweg zu nutzen pflegt
und dem auf bodenlosen Routen
Freund Hein schon mal ein Schnippchen schlägt.

Da ist der Sportler, Jachtbesitzer
oder ‘nes Surfbretts Eigner nur,
der mit dem flotten Wellenflitzer
schon manch riskante Kurve fuhr.

Was aber von den Kreuzlern sagen?
Schippern sie still und sicher nicht?
Ihr Abenteuer ist der Magen:
ob er’s behält oder erbricht.

So oder so mich zu bewähren,
dagegen bin ich wohl immun.
Die See mag gähnen, sie mag gären –
ich lass den Blick nur auf ihr ruhn.

 

Menschliches Versagen

Menschliches VersagenJa, rekle dich mit Wohlbehagen
auf Urlaubsfahrt im Reisebus:
Ein Knall – und schon wird Leichenwagen,
was doch der Freude dienen muss!

Das Leben hängt am seidnen Faden,
wo immer sich’s auch sicher glaubt –
es hat Freund Hein mit aufgeladen,
der nur drauf lauert, dass er’s raubt.

Der Mensch indes, der’s besser fände,
dass dieser ihm vom Leibe blieb,
spielt ihm doch immer in die Hände
durch seinen dumpfen Technik-Trieb.

All den Geräten und den Kisten
vertraut er sich tagtäglich an,
todsicher, stets zu überlisten
den allpräsenten Sensenmann.

Der schläft ja auch zum größten Teile,
und unbenutzt die Sichel liegt.
Mit seinem Job hat’s keine Eile,
weil er am Ende alle kriegt.

Doch manchmal juckt’s ihm in den Fingern,
hat unversehns er Blut geleckt –
dann bringt er so ‘nen Bus ins Schlingern –
und das Massaker ist perfekt!

So lauern überall Gefahren,
verkannt, verharmlost und verdrängt.
Auch an der Produktion von Bahren
so mancher Arbeitsplatz wohl hängt.

Wahrheiten

Wahrheiten„O saeculum, o litterae,
es ist ‘ne Lust, in dir zu leben!“
Wenn ich die Frontfrau recht versteh,
soll’s überall nur Wohlstand geben!

Doch mag sie’s ständig auch beteuern
in zwanghaft psychopath’scher Art,
sie kann auf Dauer nicht bescheuern
ein Volk, das sich Verstand bewahrt.

Was schenken uns die nackten Zahlen,
gesammelt vom Statistikamt?
Der Wahrheit Beigeschmack, den schalen,
der nicht der Heuchelei entstammt.

In diesen gottverdammten Jahren,
da diese Rotte uns regiert,
hat ohne Scham man an den Haaren
Gewinne nur herbeizitiert

Um so den Eindruck zu erwecken,
als kämen jedem sie zugut,
obwohl doch nur die Reichen stecken
den Beutebruch sich an den Hut.

Heißt: Zehn Prozent in diesem Laden
haben’s so dick wie Dagobert
und können in ‘nem Pool sich baden,
der ‘s halbe Volksvermögen wert.

Und wie in diesem Pfuhl gestiegen
des Eigners warmer Wasserstand,
so mussten nasse Füße kriegen
die armen Schlucker um den Rand.

Die Fakten! Doch die Akrobaten,
die uns mit allen Tricks regiern,
jonglieren gerne mit den Daten –
und manche ganz eskamotiern.

(Das mag die Frontchristfrau entlasten,
so war es immer ja schon Brauch –
und sie dreht nur den Leierkasten
wie ihre Vorklugscheißer auch.)

Der Abstieg für die große Masse:
negiert, verschwiegen, Asche drauf!
Wer eh schon hat, macht weiter Kasse.
Wer eh nichts hat, der füllt sie auf.

Wie’n Warenhaus, nicht auszumalen!,
das alles führt und alles hat,
und wo die Armen doppelt zahlen
und für die Reichen gibt’s Rabatt!

Die ahnungslosen brechtschen Kälber,
die blindlings ihrem Schlächter traun,
wann merken sie denn endlich selber,
dass die sie nur in Stücke haun?

Ach, einmal wird es ihnen dämmern,
dass alles nur ein schöner Schein
und sie die Ob’ren nur behämmern
mit ihrem Tarn-Politlatein.*

(*Die Kälber werden weiter trotten
‘ne Weile wohl noch dämlich hier,
doch mag man ihrer Schwäche spotten:
Sind sie nicht eines Tages Stier?)

Denn abgesteckt sind schon die Trassen,
die Weichen lange schon gestellt,
dass künftig wen’ge mehr noch prassen,
die Mehrheit mehr ins Elend fällt.

Der lange Marsch der Billiglöhne
kommt ja im Alter einst zur Ruh –
dann, Rententöchter, Rentensöhne,
drückt’s richtig euch die Gurgel zu!

Die Armut weiter auszubreiten,
gelingt perfekt dem Hohen Haus –
und stellt ihm selbst für alle Zeiten
das beste Armutszeugnis aus!

Warum indes die ganzen Lügen?
Der vielen Stimmen wegen nur,
die’s braucht, die Leute zu betrügen
‘ne weitere Legislatur?

Wenn so auf Kreuze sie versessen,
auf ew’ges Herrschen wohl bedacht,
wie können sie dann nur vergessen,
dass auch Freund Hein gern Kreuze macht?