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Gräber im Grün

Zum Friedhof heut aus freien Stücken
und keineswegs aus dunklem Trieb,
allein um Löwenzahn zu pflücken
fürn Tier, das seinem Frauchen lieb.

Man hockt am Boden in ‘ner Schneise
und rupft das heiß begehrte Kraut,
das allenthalben büschelweise
von der Natur hier angebaut

Im Schatten längst ergrauter Eichen,
von Rhododendron ringsumher,
von Malven, Rosen und dergleichen,
als ob’s der Garten Eden wär.

Doch auch umgeben von den Mälern,
die man als letzten Gruß entbot
und die den schönen Eindruck schmälern
mit ihrer Mahnung an den Tod.

Ich ließ den Blick darübergleiten
und starrte plötzlich wie gebannt:
Da lag wer, den zu Lebenszeiten
vor Jahren selber ich gekannt!

Ein Name, der für sich alleine
nicht unbedingt ins Auge fällt,
der machte meiner Neugier Beine,
weil Titel ihm vorangestellt.

Prof. Doktor. Irrtum ausgeschlossen.
‘ne Leuchte seiner Wissenschaft
und hochgeehrt von Zunftgenossen
für Früchte seiner Geisteskraft.

Da liegt er hilflos mir zu Füßen,
den ich bewundert als Student,
und lässt mich untertänigst grüßen
von seinem Marmormonument.

Erinnern wird an ihn indessen
mehr als ein halb versteckter Stein –
bewohnt sein Ruhm doch unvergessen
des Akademos heil’gen Hain.

Spätes Fundstück

Spätes FundstückHeut dacht ich, dass ich mal erkunde
‘ne Gegend, die mir unbekannt,
und drehte also meine Runde
gezielt in Richtung Stadtteilrand.

Den Friedhof wollt ich nämlich suchen,
der jener Reisenden Quartier,
die ihre letzte Kreuzfahrt buchen
im Kirchlein gegenüber hier.

Doch dann die übliche Geschichte,
wenn man ‘ne Örtlichkeit nicht kennt:
Man kriegt ein Schildchen zu Gesichte
und dennoch in die Irre rennt.

Zur Auswahl viele Wege standen,
doch ging ich stets dem falschen nach,
den Hügel hoch, die Kräfte schwanden,
bis mir das Chassis schier zerbrach.

Nicht eine Spur von Gottesacker.
Ich wieder runter und zurück.
Es dämmerte und Sterngeflacker
bezog den Himmel Stück für Stück.

Indes von oben aus betrachtet
dem Auge nichts so leicht entrinnt:
Da lag er, nach dem ich geschmachtet,
fast da gleich, wo der Weg beginnt!

Und dennoch erst erreicht am Ende
‘ner mühevollen Wanderschaft.
Wär ich Poet, wenn ich’s nicht fände
in höchstem Grade sinnbildhaft?