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Straßenfeger

StraßenfegerEin Wochentag zur Abendstunde,
und wie im Schlummer liegt die Stadt!
Kein Laut mehr vom asphaltnen Grunde.
Halb neun erst zeigt mein Zifferblatt.

Laternen ihre Hälse recken,
zur Straße biegend ihr Genick,
doch gibt’s da nichts mehr zu entdecken
für ihren trüben Neonblick.

Verschluckt vom Boden die Passanten,
dern Schritte sonst im Dunkel halln.
Wie leergefegt die Bordsteinkanten,
wo sich gewöhnlich Bleche balln.

Fassaden, mit Oasen immer
von Licht im nächtlich-düstren Bau,
erhellt nur hier und da ein Schimmer
von seltsam blutlos blassem Blau.

Die Erde, stets von Wind umflossen,
wie hält sie jetzt den Atem an!
Den Bäumen gleichsam angegossen
die Blätter wie im Zauberbann.

Der Himmel selbst hat sich verschworen
und schweigt in diesem Schweigen mit.
Kein Mond, kein Stern. Nur traumverloren
Gewölk, das auf der Stelle tritt.

Warum, was strotzend sonst von Leben,
wohl dieser Stille heut verfiel?
Nur eine Deutung kann es geben:
Im Fernsehn läuft ein Fußballspiel!

Viel Ballgefühl

Viel BallgefühlDer Lederball: Ein zähes Wesen,
das kugelig in sich gekehrt.
Geduldig. Still. Doch auserlesen,
dass man es tausend Tritte lehrt

Von flinken Füßen zu erleiden,
die ausgesprochen derb beschuht,
dass er auf kurz geschnittnen Weiden
sowohl mal fliegt als auch mal ruht.

Doch nicht, dass konsequenterweise
in eine Richtung man ihn stieß,
nein, kreuz und quer geht seine Reise,
als ob ein Wirbelwind ihn blies!

Dabei auch rückwärts, wo man eben
ihn fix nach vorne noch gekickt.
Könnt er nur die Facetten heben,
er hätte längst schon durchgeblickt!

Oft schlägt man ihn mit größrem Schwunge,
damit es Höhe ihm verleih.
Zum Glück hat er ‘ne Pferdelunge
und ist auch völlig schwindelfrei.

Bisweilen kriegt er eine Pause.
Dann spürt er wen’ger Widerstand
und, wie ein Fisch im Meer zu Hause,
ein Netz um seinen Bauch gespannt.

Es könnte gut auch dazu passen,
dass er ein Tosen dann vernimmt,
als würd ein Sturm die See erfassen,
in der er wie ein Korken schwimmt.

Man prügelt schließlich noch ‘ne Weile
verbissen wieder auf ihn ein,
bis er zum Ende seiner Keile
ermüden fühlt das Täterbein.

Dann lässt sich bald ein Pfiff vernehmen,
der gleich in Jubel untergeht.
Nun muss er sich nicht länger grämen,
dass man ihm noch eins überbrät.

Er wird dies Spiel wohl nie begreifen.
Und wenn: Ihm fehlt die Macht des Worts.
Er fühlt nur seinen Hals, den steifen.
Ein wahrer Märtyrer des Sports.

Sofasport

SofasportAm Freitagabend. Grabesstille.
Im Ersten läuft ein Fußballspiel.
Die Kicker kämpfen um die Pille –
verbissen, denn es geht um viel.

Herr Meier hat es vor der Kiste
sich richtig schön bequem gemacht.
Zwei Stunden lang versinkt der triste,
der Alltag in der Wadenschlacht.

Nach draußen dringen keine Laute.
Nur manchmal dumpf, gedehnt ein „Tor!“,
wenn in das Netz den Ball wer haute,
vom Sesselgucker-Jubelchor.

In ungezählten Fensterrahmen
beherrscht der Fernsehschirm das Bild,
die Bühne meist für Krimi-Dramen,
für Spannung heut, die Toren gilt.

Wer jetzt mit Schwatzen oder Schmusen
sich auf den Straßen noch bewegt,
hat sicherlich ein Herz im Busen,
das für ‘ne andre Sportart schlägt.

Aufs Gucken kann auch ich verzichten,
wünsch „unsern“ ich auch keine Schmach.
Denn grade jetzt, da muss ich dichten:
Die Stille schreit direkt danach.

 

König Fußball

koenig_fussballDie ganze Welt im Fußballfieber!
WM und Titelkampf am Kap!
An Ebro, Kongo, Rhein und Tiber
läuft diese Show am Bildschirm ab.

Und kaum ein Tag in diesen Wochen,
an dem die Glotze spielefrei.
Der Superkicker goldne Knochen
versüßen uns den Alltagsbrei.

Im Fahnenschmuck die Hausfassaden,
beflaggt die Autos überall,
weil Hunderte Athletenwaden
sich balgen um den Lederball.

Die Stürmerstars, sie kombinieren;
sie flanken, zaubern: Doppelpass;
am Strafraum erst den Ball verlieren
sie an des Gegners Abwehrass.

Doch einen neuen Angriff tragen
jetzt makellos die Burschen vor,
riskieren muss er Kopf und Kragen,
der Keeper, doch vergeblich: Tor!

Tor! Tor! Da gibt es auch kein Halten
fürn kühlsten Kommentator mehr.
Tor für die Basken, für die Balten,
Tor für das Team von Finisterre!

Durchs Stadion Jubelstürme branden,
grell blökt der Tröten Halali.
O wie viel Hoffnung wird zuschanden
am Fuß des Gegners oder Knie!

Und wie sie nur für ihre schreien,
für alle andern taub und blind!
(So hilft man Völker zu entzweien,
die eigentlich befreundet sind.)

Finale endlich – Sieg! Und Frieden.
Vergeben ist am Kap der Cup.
Die eigne Elf längst ausgeschieden –
nach großem Kampf natürlich, knapp.

Begeistrung, die elektrisierte
die Fans rund um den Erdenball,
verebbt nun vor dem Platzgevierte,
der Dribbelgötter Gras-Walhall.

Der Alltag senkt sich auf die Köpfe
der Menschheit wieder wie vorher.
Gefüllt sind noch der Reichen Töpfe –
und die der Armen sind noch leer.

Heut Abend

schlandHeut Abend kann ich Ruhe tanken,
kein Hupkonzert die Welt beglückt.
Der Fußball lässt sie falln, die Schranken:
Die ganze Menschheit spielt verrückt!

Kaum dass der Schiri abgepfiffen
und deine Mannschaft hat gesiegt,
wird auch zum Lenkrad schon gegriffen,
sich in den Fahrersitz geschmiegt

Um in den Korso sich zu reihen,
der lärmend das Quartier umkreist
und mit frenet’schen Jubelschreien
Verstand für seinen Sport beweist.

Die Jagd nach diesem heil’gen Grale,
dass der WM man Erster sei,
geht bald schon weiter: Halbfinale.
Und Schwarzrotgold ist auch dabei!

Dass nach dem Spiel mir übermorgen
bevorsteht eine heiße Nacht,
weiß Gott, ist dringend zu besorgen,
weil „Schlaaand“ ganz schön Furore macht.

Seht in mir gleichsam denn zwei Seelen
in ihrem faust’schen Widerstreit:
die eine, die Geräusche quälen,
die andre, die berauscht verzeiht.

Wie kann den Knoten ich zerhauen,
dass ich der Wirrung mich entwind?
Nach Mittelchen und Wegen schauen –
und hopp, bevor der Tag beginnt!

Nach einem Matchgewinn ‘n Pfropfen,
der mir die Lauscher fest verschließt?
Nein, besser sie mit Wein verstopfen,
der Schlummer in die Kehle gießt!

Dies Mittel trug schon viele Male
mich sicher fort aus Zeit und Raum.
Anstatt Radau denn und Randale –
ein ungetrübter Fußballtraum!

So kann ich doppelt nun genießen,
was man die Abendstille nennt:
die heute ohne Toreschießen,
die morgen, wenn die Hütte brennt.