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Traumreise

Tief eingetaucht in meine Kissen,
der Federn Fülle nicht zu missen
und nicht der Decke warme Haut,
hab ich mich Träumen überlassen,
die alles in ihr Auge fassen,
was das Gedächtnis überschaut.

Da stand ich oben auf der Brücke
und starrte in die Nacht hinaus,
in diese große grelle Lücke
aus Blitzlicht und aus Sturmgebraus.

Die See, sie schäumte und sie kochte
wie völlig außer Rand und Band.
Ich hörte, wie das Herz mir pochte.
„Voraus“, schrie einer, „Helgoland!“

Die Muck hielt krampfhaft ich umklammert,
schlang ständig Kaffee in mich rein.
Der Bestmann nur, der hat gejammert:
„Gott, diesmal haut’s uns kurz und klein!“.

Mit stetem Stöhnen und mit Stampfen
schob die Maschine uns voran –
jetzt nur nicht stoppen: weiterdampfen,
sonst holt uns der Klabautermann!

Und ständig diese Schrecksekunden,
wenn jäh im Gischt der Bug verschwand
und nach gefühlten ew’gen Stunden
sich wieder aus den Wellen wand.

Es dachte keiner jetzt an Schlafen –
nur unser Alter, Jakobeit.
Der fand noch einen Hafen
in seiner langen Fahrenszeit.

An Backbord, wen’ge Meilen weiter,
rang noch ein Trawler mit der Flut,
im Zwielicht wie ein Geisterreiter,
ein Schatten ohne Fleisch und Blut.

Dann jäh ein Schlag. Und Stille wieder –
als wär der Horrortrip vorbei
und ruhten unsre steifen Glieder
lebendig oder tot am Kai.

Doch lag im Bett ich warm geborgen,
von einer Tür geweckt, die schlug
und mich befreite von den Sorgen
in diesem wahren Höllenspuk.

Als weiter zu mir ich gekommen,
hab ich als Erstes, noch verschwommen,
den blauen Ozean gewahrt.
Hat er den Traum mir eingegeben,
um vorteilhaft sich abzuheben
von meiner ersten Meeresfahrt?

Schiffe gucken

Schiffe guckenVorbei am Leuchtturm auf dem Deiche,
dem Hamburger aus alter Zeit,
der lichtlos da als Ziegelleiche
den Winden seine Lenden leiht…

Und schon ist man am Ziel der Reise,
die ohnehin nicht weitergeht,
weil hier der Strom auf seine Weise
den Wandrer nötigt, dass er steht.

Ein Bau aus Balken und aus Bohlen,
der trotzig in die Fluten ragt,
indes parterre sich untern Sohlen
der Gischt durch alle Ritzen nagt.

Und durch des luftige Arkade,
die kaum geschützte Nischen kennt,
die Windsbraut öfter als Mänade
wie rasend um die Pfeiler rennt…

Da draußen übern trüben Wogen
die Möwe ihre Kreise kreischt
und von des fernen Holsteins Koogen
der Blick ‘nen Zipfel Dunst erheischt.

Die Elbe, die mit offnem Rachen
sich in die Nordsee hier verbeißt,
will noch mal richtig Eindruck machen
auf den sensiblen Menschengeist.

Doch kann sie auch noch anders glänzen
an ihrem Eingangstor zum Meer –
mit Helgoländer Hummerschwänzen
und ‘nem enormen Schiffsverkehr!

Was für ein Kommen und ein Gehen:
Brunsbüttel, Hamburg und nach See,
und stolz sieht man sich Buge blähen
zu Tausenden in Luv und Lee.

‘ne pausenlose Schiffsparade
durch diesen Trichter defiliert,
wie andernorts sie pro Dekade
ein einz’ges Mal vielleicht passiert.

Da sitzt man wie in einer Loge
(in der es freilich etwas zieht)
wie seinerzeit Venedigs Doge,
der seine Flotte übersieht.

Und kriegt wie jener von den Sbirren,
was man an Daten dazu braucht,
nur dass sie hier elektrisch schwirren,
von Mikrofonen ausgehaucht.

Die „Alte Liebe“, Gott befohlen,
auch sie gealtert mit der Zeit –
statt faulig-grüner Eichenbohlen
Zement schon längst ihr Trauerkleid!