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Der Dichter

Der DichterWie Sie sich wohl `nen Dichter denken?
Lassen Sie mich raten, bitte sehr!
Ich glaube, ohne Sie zu kränken,
in dieser Weise ungefähr:

Ein Bursche, kränklich schon seit Kindesbeinen,
doch mit ‘nem starken Geist begabt,
mit Abscheu vor dem Niedrigen, Gemeinen,
der nur an Nektar und pp. sich labt.

Er pflegt in Gärten gern sich zu ergehen,
damit ihn Rosendüfte inspiriern,
ja, schon im Mai die blütenweißen Schlehen,
die rings des Feldrains Büsche ziern.

Und schreibend mit sensiblen Händen,
führt leicht er übers Blatt den Kiel,
Signale seines hohen Herzens auszusenden
in einem vornehm antiquiertem Stil!

Er hat sich seine eigne Welt erschaffen,
in der er wohler sich als in der wahren fühlt,
ein Eden ohne lieben Gott und Pfaffen,
vom Musenquell elysisch nur umspült.

Et cetera. Was sagen Sie? Hab ich’s getroffen?
Hab ich Apollos Jünger auf den Punkt gebracht?
Nur zu! Ich bin für Ihre Korrekturen offen.
Sie schweigen? Gut, das hab ich mir bereits gedacht.

Doch unter uns (ich denk, ich weiß, wovon ich rede):
Sie schleppen da ein Zerrbild mit sich rum.
Vergessen Sie die Einzelheiten schleunigst, jede!
Und nehmen Sie`s Zerpflücken mir nicht krumm!

Wenn ich mir auch nicht schmeichle, als Poet zu gelten,
sollte mein Beispiel Sie indes belehrn
und wo bisher, Pardon!, ein Vorurteil Sie fällten,
Ihr Blick sich für die Fakten klärn.

Die Welt, in die er taucht in stillen Stunden,
kann ihn von Alltagspflichten nicht befrein,
zu eisern ist an Amt er und Büro gebunden,
um sich allein dem Helikon zu weihn.

Ein Paradies kann ihm das schönste Lied nicht bieten
und Milch und Honig nicht der schönste Versefluss –
nur Planken sind`s im Meere der Quiriten,
an die sein Geist sich klammern muss.

Und was er schreibt, kliert er mit grober Klaue,
dass er`s zu Blatt erst einmal bringt –
Laokoon und seine Söhne schaue:
So heillos Zeile sich in Zeile schlingt!

Doch läuft er nicht in obsoleten Hosen!
Er ist geläutert vor Damaskus, ist schon Paul –
kein Freund rhetorischer Preziosen,
schaut er dem Volk gut lutherisch aufs Maul.

Ihn zu verstehn, muss man nicht Sterne deuten,
den del’schen Taucher nicht bemühn,
nicht den Gelehrten bitten, den zerstreuten –
fürs Schlichte muss man nur erglühn.

Und als ein Quell der reinsten Freude
gilt die Natur ihm jederzeit,
mit der er schmückt sein Versgebäude,
weil sie ein grünes Dach ihm leiht.

Doch über Veilchen, Rosen und Narzissen,
Holunder, Dost und Brombeerstrauch
schlägt ihm des “Boten“, Claudius‘ Gewissen:
„Und unsern kranken Nachbar auch.“

Mag er dem Schönen gern auch Blicke schenken,
verschließt er sie doch vor der Fratze nicht –
vor Monstern, die mit Blut die Erde tränken,
das aus den Wunden von Millionen bricht.

Und nicht als Tropfen nur, die fettig quellen,
nein, auch als feiste Ader auf der Stirn,
die dazu neigt, gleich anzuschwellen
aus Fremdenhass im unbedarften Hirn.

Spaliere liebt er, die sich unter Rosen biegen,
Gemäuer, das sich hoch zum Dome fügt,
doch ohne sich in diesem Wahn zu wiegen,
der sich zum Schönen stets das Gute lügt.

Wenn er auf kunsthistor`schen Pilgertouren
mit Staunen vor der Gotik steht,
sieht er des Glaubens grandiose Spuren,
doch auch des Jammers grause Majestät.

Was als Kultur wir überschwänglich preisen
ist nur der Aufsatz dumpfer Barbarei –
kann man mit Tryptichen die Armen speisen,
macht Maßwerk hör`ge Bauern frei?

Cellini hat man Morde gar vergeben,
nur dass er weiter modellier –
symbolisch fürs soziale Leben,
das Elend zu verbergen hinter Zier?

Wer sich erfreut an Bildern und an Tönen,
fühlt auch sich in den Nächsten ein –
die wahre Liebe zum Erhabnen, Schönen,
kann uns nur edel machen, nicht gemein.

Doch die, die alle Fäden der Ästhetik ziehen,
mit Kennermiene jedem Stück sich nahn,
Experten, Sammler, Händler, Galerien,
fühln statt dem Wert dem Markt nur auf den Zahn.

Sie lecken sich zu gerne nur die Lippen,
doch nicht aus Spaß am Kunstgenuss,
nein, weil sie auf ein hübsches Sümmchen tippen,
wenn Meister X mal untern Hammer muss.

Dazu warn viele ja, die heute unbestritten,
zu ihrer Zeit verspottet und verkannt
und in dem Sein, das für die Kunst sie litten,
nach allen ihren Regeln abgebrannt.

Mit Melodien, von jemandem erschaffen,
des Spur im Armengrabe sich verliert,
kann heute wer Millionen sich erraffen,
der ihn nur „kongenial interpretiert“.

(In eigner Sache eingeschoben:
Auch mir kommt keiner: „Gut, mien Jung!“
Mich wird wohl erst der Trauerprofi loben –
als Muss bei der Beerdigung.)

Doch wollt uns Salomo nicht lehren,
dass allen gleich die Sonne scheint?
Drum soll man Verse jedem auch verehren,
selbst wenn er ihren Sinn verneint.

Sich schenken ohne Gegengabe.
Und hoffen, dass man einige erfreu,
die`s, mehr auf Sein begierig denn auf Habe,
nicht schaudert vor dem geistigen Gebräu.

Doch nicht wie einer, unter Räuber grad geraten,
in heller Panik ihnen alles überlässt –
nein, die Gedanken wägend und die Taten,
zu nichts gezwungen und gepresst.

Kein Milchgesicht von stubenreiner Blässe,
von Pickeln pink und peinlich übersät
als Folge ungezählter geist’ger Aderlässe
und mickrig-magenschonender Diät.

Nein, einer, dessen rosig-runde Backen
er guter Hausmannskost verdankt,
nach der in plötzlichen Attacken
es sein Gelüste oft verlangt.

Und nicht gewillt, nur Feingeist zu verblasen,
kratzt er auch manchmal wem am Lack –
Hautgout ist nicht nur was für Hasen,
auch bei Honor’gen müffelt’s unterm Frack.

Kurzum: Wir müssen uns von Spitzweg lösen,
der drollig uns den Dichter porträtiert:
als zipfelmützig unbedarftes Kammerwesen,
das sich heroisch durch die Verse friert.

Würd dafür heute jemand Hunger leiden?
Sich für ’ne Handvoll Reime ruiniern?
In teures Tuch will man sich kleiden,
mit Kettchen seine bronznen Glieder ziern.

(Sie sehn: Ich hab den Trampelpfad verlassen,
auf dem ich selbst virgilisch neben Ihnen ging.
Das Folgende mag für die Starpoeten passen –
nicht mehr für mich als bloßen Dichterling.)

Wo war ich eben doch noch stehn geblieben?
Ach ja, ich hatte mich dem Mammon zugewandt,
den unsre Literaten heute derart lieben,
dass wohl ihr Unwort wär: Verkannt.

Man möchte in der Musenliga ganz nach oben,
die Spitze sich erobern in der Bücherschlacht,
nur Sachen liefern, die die Texte-Schiris loben,
auf dass mit „Toren“ man schön Kasse macht.

Sind Sie nicht auch schon mal so tief gesunken,
dass denkfaul Sie sich diesen Listen anvertraut
und von der süff’gen Sülze der Skribenten trunken,
begeistert `nen trivialen Fraß gekaut?

Ist Ihnen dabei denn nichts aufgefallen?
Na, dieses Muster, dieses ständige Rezept:
Sich hauen, stechen, prügeln und verknallen –
schön zeit- und ortsexotisch aufgepeppt?

Was Helden so in Kassenschlagern treiben,
das hat System, wie`s den Autoren nützt –
die möglichst platte Sensationen schreiben,
auf die sich gern ein Drehbuch stützt.

Ich will’s mal bissig formulieren,
weil mich womöglich Neid bewegt:
`ne Lyra kann man noch so schmieren,
das Publikum sie kaum erregt.

Viel Action, Puppen und Randale –
da liegen Film und Prosa vorn.
Das Schlichte, Sanfte, Minimale
verdient sich keine goldnen Sporn.

Und überhaupt: Sich Thriller auszudenken!
Gibt’s davon „live“ nicht schon genug?
Warum dem Bösen so viel Augen schenken?
Ist das nicht auch ein böser Zug?

Warum denn Blumen nicht besingen,
ganz harmlos, ohne krumme Tour?
Auch wenn sie Quoten nicht erringen –
sind es nicht Wunder der Natur?

Nur Kleinkunst

Nur KleinkunstDer Abend will zur Neige gehen;
zur Hälfte ist das Wachs verbrannt –
doch dürftig sind erst die Trophäen,
die ich dem Helikon entwand.

Das trübe Fazit vieler Stunden,
da brütend überm Blatt ich hing:
dass ich den Ton nicht recht gefunden,
mit dem ich sonst mein Liedchen sing.

Doch soll’s Papier darunter leiden,
dass ihm der Schmuck der Kunst verwehrt?
Ich will in ein Gewand es kleiden,
das schlichter, aber nicht entehrt.

Bin schon dabei, daran zu stricken,
wozu mir eine Nadel reicht –
der Stift nur, der in Augenblicken
die größten Flächen überstreicht.

Drum fehlt nicht viel, es zu vollenden
in der geschilderten Manier
und ohne den Geschmack zu schänden,
dass er im Faden sich verlier.

Hab übertriebne Ambitionen
mit diesem Stück ich auch zerstreut,
würd meine Mühe es doch lohnen,
wenn’s, Leserin, dich trotzdem freut!

Ein Lehrstück! Sieh, mit welchen Tücken
man als Poet so kämpfen muss:
‘nem schweren Kopf, ‘nem Magendrücken –
und mit der Wanduhr Tinnitus.

 

Ein bisschen Verskunde

Ein bisschen VerskundeLängst hat der Samstag angefangen.
So sitz ich denn seit gestern schon,
mir Zeilen aus dem Quell zu langen,
der heilig ist dem Helikon.

Ist gar nicht einfach mit dem Fischen,
Geduld braucht’s und ‘ne Menge Zeit,
um schließlich nicht bloß aufzutischen
den Beifang der Bequemlichkeit.

Denn so ein Vers wird rasch gefunden,
der rhythmisch schreitet und sich reimt,
und meist doch nicht als Kunst empfunden,
gedrechselt vielmehr und geleimt.

Ein Sinn soll auch noch darin stecken,
damit der Leser denkt: Genau!
Das heißt Verstand und Herz ihm wecken
genauso wie der Lesefrau.

Entscheidend auch die Wahl der Worte:
lebendig, klangvoll, stilgerecht,
con brio mal, mal mezzoforte,
so ähnlich wie beim Tongeschlecht.

Fehlt nur noch die gewisse Würze
fürn unverwechselbarn Genuss –
die aber in der Küchenschürze
nun mal verborgen bleiben muss.

Mein Grundrezept für Dichtprodukte.
Garant auch für den Meisterlohn?
Ach, mancher Sternekoch schon schluckte,
weil er verpfuscht die Kreation!

Wortgefecht

WortgefechtDie Sterne stehen ruhig Posten;
wie’n Dieb der Mond vorüberschleicht.
Ich sitze, meinen Wein zu kosten,
so lang bis Mitternacht verstreicht.

Den Kugelschreiber in der Rechten
dem Blatt schon auf die Brust gesetzt,
versuch ich, Siege zu erfechten,
für die der Helikon mich schätzt.

Bisweiln verhalt ich, zu erlauschen,
was flüsternd mir die Nacht verrät –
dann hör ich, wie die Räder rauschen,
wenn’s durch asphaltne Pfützen geht.

Sonst tote Hose auf den Gassen;
kein einz’ger grölender Passant,
der, seelisch Wasser mal zu lassen,
sich an die ganze Stadt gewandt.

Des Lyrikers ersehnte Stille
ist in die City eingekehrt,
die nicht einmal ‘ne späte Grille
mit ihrer schrillen Brunst beschwert.

Die beste Basis für die Siege,
von denen oben ich schon sprach,
und mit der Strophe hier ich liege
doch schon ganz gut dem Anschein nach.

Ein Hieb noch mit der Tintenklinge –
und voll getroffen: Aus der Spaß!
Sechsmal kein Ende ich erzwinge:
Der siebte aber, ja, der saß!

Wieder Musendienst

Wieder MusendienstZu dieser vorgerückten Stunde
(den Ausdruck prägte wohl ein Tor,
denn, sei er auch in aller Munde,
die Zeit rückt immer ja nur vor)

Zur Stunde also, dieser späten,
füg ich korrekter nun hinzu,
knie vor der Muse ich, zu beten,
dass sie zu segnen mich geruh

Mit Versen allerfeinster Ware,
wie sie nur je ein Dichter spann,
dass er sie ihr auf dem Altare
als fromme Spende weihen kann.

O Götter ihr der alten Griechen,
wie rasch werft’s Echo ihr zurück:
Schon fängt’s an, brenzlig hier zu riechen –
ach so, die Kerze, na, zum Glück!

Mir scheint es immerhin ein Zeichen,
das pfiffig der Parnass gesandt,
ich möcht von meinem Ziel nicht weichen,
für das mein Herz so heiß entbrannt.

Schon ist es mir ja auch gelungen,
den Zeilen Wohnungen zu baun,
die, so in Strophen eingezwungen,
gewiss sehr künstlich anzuschaun.

Noch ein paar mehr von diesen Buden
im abgemessenen Geviert,
mit Möbeln aus dem Rechtschreibduden
ganz standardmäßig ausstaffiert

Dazu in jeder Zimmerecke
(auch dies im allgemeinen Trend)
zu höherem ästhet’schen Zwecke
ein Reim als festes Ornament

Und fertig ist zu meiner Freude
als Dithyramben-Architekt
das wundersame Luftgebäude,
das sich in Babels Bläue reckt!

Ich glaub, ich kann schon innehalten
und Richtfest feiern auf Papier.
Und jetzt noch mal die Hände falten:
O Helikon, gefällt es dir?

Kaum ist die Spannung zu ertragen.
Das Urteil – kontra oder pro?
Da Hermes, um Bescheid zu sagen,
persönlich, nicht per Mail und so!

Ja, ja, ja, ja! Wird angenommen
nach uralt heil’gem Götterbrauch,
den Unsterblichen nahzukommen –
in Feuer und in Rauch!