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Ein Hoch dem Herbst!

Ein Hoch dem Herbst!Schon ist es wieder Herbst geworden,
und traurig stimmt sein trübes Grau.
Die Luft, sie reizt und riecht nach Norden,
da Winde wehen frisch und rau.

Längst haben sie schon kahlgeblasen,
was selig einst geschwelgt in Grün,
und den Hautgout noch in den Nasen
von tausend Blättern, die verblühn.

Verwesung wabert in den Wäldern,
als feuchter, unsichtbarer Rauch,
und Krähen huschen auf den Feldern
gespenstergleich im Nebelhauch.

Viel heller nun die Sterne funkeln
und weitaus mächtiger an Zahl,
da Schleier sie nicht mehr verdunkeln
von Dunst, der sich zum Himmel stahl.

Als läg das Jahr schon auf der Bahre
unheilbar krank, dem Tod geweiht,
verfaulte, abgelaufne Ware,
die auf den Kehricht kommt der Zeit!

Und doch will ich Partei ergreifen
für dieser Tage finstren Flor –
wie Phönix aus der Asche reifen
ja Früchte auch daraus hervor!

Nicht nur dem Wild zur Freude Eicheln
und Rosskastanien ebenso –
nein, auch die unserm Gaumen schmeicheln,
sei’n sie vergoren oder roh.

Ist’s nicht die hohe Zeit der Trauben,
die aus dem Rebenfeld man liest,
des süßen Safts sie zu berauben,
der schäumend aus der Kelter fließt?

So birgt des Herbstes dunkles Wesen
doch manchen angenehmen Zug.
Auch mir gefällt es jetzt zu lesen –
hab ich denn Früchte nicht genug?

Herbststimmung

HerbststimmungWie aufgepflanzte Reisigbesen
stehn sie da starr in Reih und Glied,
Gefährte für die Hexenwesen,
die’s zu geheimen Treffen zieht.

Kein Blättchen baumelt an den Zweigen
als eines Sommers müder Rest.
Nur kleine Vögel manchmal steigen
wie Schatten ziellos durchs Geäst.

Daneben, seltsam kontrastierend
mit golden glänzender Montur,
die Farbe, nicht das Laub verlierend,
Gesträuch von anderer Natur.

Im krausen Dachgestühl der Kronen
nistet die Dämmerung sich ein,
da wo auch schon die Tauben wohnen
und andre flügge Mietpartein.

Indes hat sich zurückgezogen
der Wind, der nebelnass und kalt,
und tags, dass sich die Bäume bogen,
geblasen noch mit Sturmgewalt.

Wie’n Gottesacker liegt die Stätte
im Sterbekleid der Stille nun,
die Welt entleibt zur Silhouette,
um gleich im Grab der Nacht zu ruhn.

Mein Blick kehrt wieder heim ins Zimmer,
als ob er sattgesehn sich hätt.
Ein Lämpchen wirft mir seinen Schimmer
wie’n ew’ges Licht aufs Krankenbett.

Wochenendbetrachtung

WochenendbetrachtungDas Wochenende voll in Gange.
Gleich ist der Samstag schon vorbei.
Kein Stau mehr, keine Autoschlange.
Die Straße wieder abgasfrei.

Entblößt das Pflaster von Passanten.
Man hörte, wenn ‘ne Nadel fällt.
Auch Möwen ha’m und Turteltanten
den Flugbetrieb schon eingestellt.

Ganz still seh ich auf Reede liegen
nach stundenlanger stürm’scher Fahrt
und sich in süßen Träumen wiegen
des Tages dunklen Widerpart.

Dies alles würd ich nicht erwähnen,
würd ich in Versen nicht beschwörn,
ging’s nur um die bekannten Szenen,
die wir seit Olim sehn und hörn.

Nein, was dem unscheinbaren Heute
im Dichterauge Glanz verleiht,
ist, dass des frechen Frühlings Beute
er wiederbringt: geraubte Zeit.

Die Stunde, die er uns gestohlen,
dass ihn mehr Tageslicht erquick,
gelang es nun zurückzuholen
dem Herbst. Und zwar mit diesem Trick.

Man muss der Uhren Zeiger drehen
entgegen ihrem eignen Sinn;
so weit, wie sie dann rückwärts gehen,
so weit ist auch der Zeitgewinn.

O könnte man doch dies Verfahren
auch für den Menschen patentiern,
so dass von seinen Lebensjahren
die unerwünschten sich verliern!

Dann sei sein Sommer gern zu Ende,
sein Scheitel schütter und entlaubt,
sei’n lederhäutig seine Hände
und seine Ohren fast ertaubt.

Dann mag sein Auge gern bemühen
der Brille ungebrochne Kraft,
sein Blut ihm in den Schläfen glühen,
wenn er mit Not die Treppe schafft.

Mag ihm die Seele schon entweichen
aus seinem röchelnd offnen Mund:
Er lässt ein Zifferblatt sich reichen,
stellt sich zurück zum jungen Spund!

Sollt wirklich einst der Geist erhellen
so’n Dreh für ‘nen flexiblen Leib,
dann wär gewiss das Uhrenstellen
des Menschen liebster Zeitvertreib.

Ende Oktober

Ende OktoberNur immer kürzer diese Tage
und immer trüber nur erhellt.
Und Krähen krächzen ihre Klage
ins heimatlose Stoppelfeld.

Es mehrt die Kälte sich, der Regen.
Am Morgen ziehen Nebel auf.
Der Wind, er will sich kaum noch legen
und steigert sich zum Sturmeslauf.

Von Feuchte glänzend auf der Erde
der Bäume ganzer Staat und Stolz.
Am Firmament die Wolkenherde
zu einem grauen Leib verschmolz.

Die Luft, die wir zum Atmen brauchen,
reibt kalt und rau die Kehle wund,
dass wir mehr bellen oder fauchen
als Laute formen mit dem Mund.

Am Strauch verdorrt die Sommerrose,
die Lilie von Staub gedeckt;
nur noch die bleiche Herbstzeitlose
den nackten Kelch zum Himmel reckt.

Vergeblich suchte man noch Beeren.
Aus weicher grüner Hülle bricht
am Fuß der hohen Koniferen
der Pilz dafür ans Tageslicht.

Und manchmal lässt im Dämmer hören,
dass es durch Mark und Bein dir geht,
der Hirsch sein schaurig-schönes Röhren,
das brünstig um ein Weibchen fleht.

Klingt es nicht auch wie eine Klage,
aus tiefster Seele ausgeschrien,
dass dieses Herbstes zähe Tage
noch schneller als die andern fliehn?

So wie die Dinge rings zerfallen,
so, scheint’s, zerfällt uns auch die Zeit.
Üb in der Kunst dich, Schnee zu ballen,
‘ne Handvoll Wochen, und es schneit!

O welche Trübsal der Gedanken
in eines warmen Stübchens Schoß –
an dieser Quelle, Kraft zu tanken
für mehr als diese Herbste bloß!

Warm einpacken

WinterschalNach goldenen Septembertagen
der Sturz ins kalte Kellerloch!
Kann denn der Sommer Wurzeln schlagen?
Der Herbst kommt einmal doch.

Und wie sie plötzlich alle fallen,
die Hemden mit dem kurzen Arm,
im Wäscheschrank gehäuft sich ballen,
bis es im Frühjahr wieder warm!

Mir scheint, sie lässt sich doppelt spüren,
die Kälte, die so jäh begann.
Verstopft die Fenster und die Türen,
sie fällt euch auch zu Hause an!

Und raus nun mit den woll’nen Socken
aus ihrer faulen Sommerruh,
auf dass der Fuß stets warm und trocken
sich schmiege in den feuchten Schuh!

‘s ist wieder Zeit für dicke Jacken,
die man zunächst noch offen trägt.
Doch zieht es erst an Hals und Nacken,
‘nen Schal man um den Kragen schlägt.

Man crem auch häufiger die Pfoten,
dass rau und rissig nicht die Haut.
Memento mori, denk der Toten –
kurz auch am Grab vorbeigeschaut!

Jetzt heißt es, sich die Wärme schaffen,
die uns versagt die Jahreszeit,
mehr Röcke um die Leiber raffen
wie’n Tier sein haar’ges Winterkleid.

Doch schützt das auch vor allen Übeln?
Gewissheit gibt es letztlich nie.
Noch immer schüttet’s wie aus Kübeln.
Des Himmels Herbstmelancholie.

Ein Meilenstein

Ein MeilensteinNun hat auf ihren Wanderungen,
von deren Pfaden sie nicht weicht,
die Erde wieder notgedrungen
des Herbstes Meilenstein erreicht.

Und weil sie’s immer so gehalten
am Grenzpunkt einer Jahreszeit
wie hier beim Übergang zur kalten,
wechselt auch diesmal sie ihr Kleid.

Sie trennt beherzt sich von dem Laube,
das grün im Sommer sie erfreut,
und lässt es welk dem Wind zum Raube,
der’s weithin auf die Wege streut.

Sie macht, dass die behalmten Fluren,
die ährenschwer der Sichel harrn,
nach deren Schnitten und Blessuren
verstümmelt aus den Stoppeln starrn.

Umwindet sich mit Nebelschleiern
wie eine Dame mit ‘nem Flor,
die statt des Lebens lust’gen Feiern
dem Witwenstande sich verschwor.

Trägt nächtlich goldene Pailletten,
die funkeln eisig klar wie Firn
und sich zu Bildern oft verketten
wie dem vom Siebenergestirn.

Dies könnt ich bloßen Augs erkennen,
da sich auch hier der Himmel spannt
und unbesehn sein Licht lässt brennen
wie über Stadt, so über Land

Läg tausendfach im Lampenscheine
nicht jegliche Fassade da,
verschlingend alles Ferne, Kleine
und übergroß dem Blicke nah.

Und Felder, deren stolze Triebe
zu bloßen Stümpfen man zerhaun,
ich kann sie hier bei aller Liebe,
in meinem Wohnquartier nicht schaun.

Drum herbstlich also nichts empfunden,
ganz eingestellt auf Sommer noch?
Ach, an des Tages kürzren Stunden
spür schmerzlich ich sein Nahen doch!