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Schaffe, schaffe

Schaffe, schaffeDie Menschheit – welch ein buntes Treiben,
dem jeder so und so verfällt,
sich für ‘ne Sache aufzureiben,
das heißt im Zweifelsfall für Geld.

Der eine geht nicht weite Wege
und setzt direkt am Quell sich fest,
der Bank, dem goldenen Gelege
mit Konten, Zinsen und Invest.

Da wälzt er seine durst’ge Seele,
bis sie im Mammon ganz versinkt,
ermunternd sich aus weiser Kehle,
dass Buchgeld umso wen’ger stinkt.

Der andre hat’s mit Produzieren,
zieht Reibach aus ‘ner Wurstfabrik:
Zerhacken, würzen und gelieren
mit Fleischeslust und Schweinsgequiek

Bringt mächtig ihm was in die Kasse,
dass rosig seine Börse glänzt
und je nach Fett und Lebendmasse
mit drallen Euros sich ergänzt.

Dann gibt’s da auch die Charaktere,
die reden gern ein Wörtchen mit,
beschwören stets, was morgen wäre,
wärn ihre Gegner sie erst quitt.

Mit ihrem pralln Terminkalender
gehn ständig sie auf Stimmenfang:
Politiker = Sechzehnender
mit ausgeprägtem Platzhirschdrang.

Da wären auch noch die Gelehrten,
die forschen bis zum letzten Quark
und machen für die ungeklärten
Geheimnisse der Welt sich stark.

Als weltfremd gelten dennoch viele,
weil ihre Geisteskraft sie balln
und, endlich am ersehnten Ziele,
in Brunnen hin und wieder falln.

Auch des Asklepios späte Jünger
sind ehrlich um Erfolg bemüht,
wobei ein bisschen Euro-Dünger
oft hilft, dass ihre Heilkunst blüht.

Vergesst auch nicht den Malermeister,
der schon vor Tag und Tau bereit,
und der mit Pinsel, Quast und Kleister
der schlimmsten Klitsche Glanz verleiht.

Genauso früh, bei Nacht und Nebel,
ist auch der Arbeiter aktiv,
setzt in Bewegung alle Hebel,
„belohnt“ mit Minimal-Tarif.

Doch wie herum sie sich auch winden,
die ich hier beispielhaft genannt,
sie wolln nicht Unterhalt nur finden,
nicht Stolz nur im sozialen Stand.

Als steten Strohhalm sie ergreifen
die blinde Hast bei Tag und Nacht –
so wie im Walde dieses Pfeifen
in einer Welt, die Angst uns macht.

 

Bescheidene Palette

Bescheidene Palette2Bedächtig habe ich wie immer
den Bogen vor mich hingelegt.
Halb neun. Die Zeit, da sich ein Schimmer
von Sternen schon am Himmel regt.

Auf meinem Tisch nur, was ich brauche:
Ein Lämpchen, das sein Licht mir leiht,
und auf der Kerze dickem Bauche
das Flämmchen der Gemütlichkeit.

An Wein hab ich ‘nen trocknen Weißen
mir für heut Abend ausgeguckt.
Dazu ein bisschen was zum Beißen,
falls es den Gaumen danach juckt.

Mehr nicht. Um Bragis Kunst zu üben,
reicht dies bescheidne Drumherum.
Kein Atelier wie Kraut und Rüben,
kein Studio mit Harmonium.

Doch Strich für Strich die Worte fallen,
die in der Seele angerührt
und sich zu bunten Bildern ballen,
von keinem Rahmen eingeschnürt.

Indes im Rhythmus ihrer Füße,
der ruhig und melodisch fließt,
ein Hauch sich schon der ganzen Süße
gottseliger Musik erschließt.

Ja, so spartanisch das Ambiente,
so dionysisch oft die Kunst,
winkt doch dem lyrischen Talente
nicht nur der einen Muse Gunst.

Es muss sich keinem Zwange beugen,
der „tonig“ oder „tönend“ heißt,
kann all dies und noch mehr erzeugen
in seinem grenzenlosen Geist.

(Bisweilen, in ganz seltnen Fällen,
gelingt dies auch der Staffelei.
Wer hört ihn nicht im Raume gellen,
Munchs manisch laut gemalten „Schrei“!)

Was sehen lassen oder hören
mit Pinsel die und Notenblatt,
der Barde kann es auch beschwören
genauso klang- und farbensatt.

Doch nicht so ‘n hergelaufner kleiner –
nur ein Gigant im Dichterchor.
Der Dante, ja, das war so einer:
ein Bosch fürs Auge, Bach fürs Ohr.

Der Hölle unsägliche Qualen
so schrill und schmerzlich er beschrie,
dass selbst dem übelsten Rivalen
die Sünden man noch gern verzieh.

Des Himmels höchste Lichtgefilde
er so berauschend gar besang,
dass von dem unsagbaren Bilde
wie Offenbarung es erklang.

Ach, in so blendenden Regionen
verliern nur Große nicht die Sicht!
Ich muss indes die Augen schonen,
die nur gewöhnt an Kerzenlicht.

Kein Aufschwung, keine Wiedergabe
von letzten Dingen, kühn geschaut.
Hie Laureat, hie Waisenknabe,
der einfallslos am Griffel kaut.

Wenn aber Kräfte zu entbinden,
ein Weib uns aus dem Schlummer weckt,
dann lass, o Gott, den Rock mich finden,
in dem ‘ne Beatrice steckt!