Schlagwort-Archive: Joaquin Sorolla

Das Meer, wiedereröffnet

Der Sonnenschirme bunte Dächer,
den Feuerpfeilen zugewandt,
reihn, zahlenmäßig etwas schwächer,
sich nun am Ende-Juni-Strand.

Das Virus-Maß wird eingehalten.
Eins fuffzig. Oder waren’s zwei?
Nun ja, selbst unsre Staatsgewalten
verzetteln manchmal sich dabei.

Man muss auch keine Maske tragen,
es reicht der kleine Abstand schon,
die Biester aus dem Feld zu schlagen
samt Risiko der Infektion.

Mit den bekannten Intervallen
pulsiert der ew’ge Wellengang,
der momentan noch keine Quallen
in Massen auf die Ufer schwang.

Und wenn man es nicht besser wüsste
aus tausendfältigem Bescheid,
man hielte es für eine Küste
der guten alten Sommerzeit.

Doch Achtung, Achtung! Ob dich Kraulen,
ob Schmetterling dich mehr entzückt,
du musst den Badegast vergraulen,
der dicht dir auf die Pelle rückt!

Denn jeder trägt ja Mund und Riecher
ein wenig übers Nass gelupft,
dass er womöglich diese Viecher
dem Nächsten an die Backe schnupft.

Nun, schleunigst auf Distanz zu gehen,
wenn es die Haut zu retten heißt,
das kann beim Hai man wohl verstehen,
doch bei ‘nem Menschen, der nicht beißt?

Gerad vor dem muss man sich hüten!
Oft kommt ganz harmlos er daher,
um schließlich dann so schlimm zu wüten,
als ob er nicht bei Sinnen wär.

So manches Übel wohl verschwände
für immer aus der kranken Welt,
wenn einen Impfstoff man nur fände,
der diesen bei Verstande hält.

Fischzug

Gespenstisch, ohne sich zu rühren
auch nur ein Fünkchen hin und her,
als wärn mit Tauen sie verbunden,
ein Dutzend Lichter auf dem Meer!

Indes ich meine Runde drehte,
die ich nur selten mal geschwänzt,
und hoch hinauf zu Venus spähte,
wo abends öfter sie geglänzt.

Mit einem Blick auch schon gefunden,
kein Wunder in der klaren Nacht –
so sichtbar wie die Vagabunden,
die da auf Reede festgemacht.

Was aber auf den schwarzen Wogen
so stiekum da vor Anker liegt,
ist’s ‘ne Armada, hergezogen,
dass sie den Strand im Schlaf bekriegt?

Doch nix passiert. ‘ne Lichterkette –
und richtet keinen Schaden an.
Dahinter steckt, was gilt die Wette,
ganz sicher der Klabautermann.

Hätt früher ich drauf kommen müssen;
der haust ja zwischen Heck und Back
und spielt mit seinen Geistergüssen
der Gang mal gern ‘nen Schabernack.

Bestimmt konnt er hier Fischersleute
mit einem Trick dazu verführn,
anstatt auf hoher See der Beute
halb auf dem Ufer nachzuspürn.

Da liegen sie nun auf der Lauer
und halten ihren Atem an,
worauf als flüchtiger Beschauer
ich keinen Reim mir machen kann.

Ich lass sie also hinterm Rücken
und langsam mich nach Hause schieb.
Wer weiß, wann die sich da verdrücken
mit ihrem schwachen Netzbetrieb.

Auf einer Welle

Wie häufig diese gleiche Strecke
ich heute wohl gegangen bin –
vierhundert Meter um die Ecke
und dann noch mal im Gegensinn?

Man muss ja raus, um einzukaufen
und sich das Nötigste zu holn,
bedächtig wie beim Eierlaufen,
nicht hopp! wie über heiße Kohln.

Auch gehe ich nicht unbegleitet,
worauf ich großen Wert hier leg,
denn treu mir an der Seite schreitet
das Meer auf diesem ganzen Weg.

Und wenn ihr meint, es würde schweigen
so stumm wie ein verkrachtes Paar,
i wo, aus seinem Bauche steigen
die Worte rasch und wandelbar!

Mal murmelt es in dumpfem Tone
Geheimnisse aus seiner Welt,
so etwa, dass Poseidons Krone
schon hier und da der Rost befällt.

Dann gluckst es mit ersticktem Lachen,
weil plötzlich es ein Seepferd sieht,
wie gleichsam es mit hundert Sachen
vor einer Sattelrobbe flieht.

Ich werd nicht müde, ihm zu lauschen,
wenn es Interna mir verrät
und aus dem hintergründ’gen Rauschen
ein leicht verschwommnes Bild entsteht.

Ein Ausschnitt nur aus diesen Weiten,
in die das Wasser sich verläuft,
doch mehr als man beim Wellenreiten
an Wissen auf sein Brettchen häuft.

Als ob das wirklich hier verfinge!
Vor dieser Flut sind alle klein.
Und wenn ich zehnmal täglich ginge:
Ein Tropfen auf den heißen Stein…