Schlagwort-Archive: La Caleta de Velez

Kein Pharao

Die sie hier Pyramiden nennen
nach denen fern im Wüstensand,
sind Häuserblocks, wie wir sie kennen,
die jenen vage formverwandt.

Sie sind an den Fassadenseiten
nach oben zu leicht abgeschrägt,
so dass die beiden Giebelbreiten
zu einem Dreieck ausgeprägt.

Fünf oder sechs von diesen Klötzen
sind hinternander aufgereiht,
um sich am Meerblick zu ergötzen,
der ihnen Lob und Preis verleiht.

Auch tragen sie berühmte Namen
des Nil-Volks alter Götterwelt,
die schön geschrieben und mit Rahmen
dem Hauptportal vorangestellt.

Natürlich sind sie nicht errichtet
als eines Einzgen Ruhestatt:
Man hat die Ziegel hier geschichtet,
dass mancher Raum und Bleibe hat.

Apartments, alle gleich geschnitten
in Größe, Technik und Komfort,
doch reizvoll alle, unbestritten,
der Aussicht wegen – Mirador.

Ringsum auf dem gepflegten Rasen
Hibiskus, Margeriten auch,
die friedlich mehr am Rande grasen
vereint mit dem Tagetes-Strauch.

Ein Freund von mir hat viele Jahre
in solchem Heim sich wohlgefühlt,
bevor ihn wie verdorbne Ware
der Fluss der Zeit hinweggespült.

Wann immer mich die Schritte lenken
vorbei am „Apis“-Eingangstor,
kommt, ewig seiner zu gedenken,
der Bau mir wie ein Grabstein vor.

Dumm gelaufen

Ein graues Band, zieht sich die Straße
hier ohne Schnörkel durch das Nest,
bis von dem flotten Wanderspaße
ein Kreisel sie verschnaufen lässt.

Die sonst ihr auf der Nase tanzen,
die Reifen mit dem Gummiduft,
verpusten sich im großen Ganzen
in brenzliger Garagenluft.

Kam alles schon zum Stehn und Stocken,
kaum dass sich noch ein Lüftchen regt,
und auch der Küster hat die Glocken
vorübergehend stillgelegt.

Auch draußen, grade gegenüber,
wo Kate sich an Kate reiht,
wird mit dem Abend immer trüber
das freundliche Fassadenkleid.

Das Meer ist ohnehin erloschen.
Kaum sank die Sonne in die Nacht,
hätt man mit tausend goldnen Groschen
ihm nicht ein Fünkchen mehr entfacht.

Die lieben Nachbarn, denen Bohren
und Hämmern liegt im Naturell,
sie lassen heute ungeschoren
mein leidgeprüftes Trommelfell.

So hock ich still in meiner Kammer,
zufrieden bis zum letzten Zeh,
und suche meinerseits den Hammer,
das heißt die zündende Idee.

Nie war ich besser wohl gerüstet,
dass endlich mich Apoll bekränzt:
Allein den Wein ihr sehen müsstet,
der hell in der Karaffe glänzt!

Und dann das Flämmchen, das sich leise
und langsam in die Kerze müht,
dem Wachs entringend eine Schneise,
an deren Ausgang sie verglüht.

Ach, pfui, ich sollt es schöner sagen!
Sie strahlt ja noch so heiter her,
als ob für all mein Wohlbehagen
der Tüpfel auf dem i sie wär!

Jetzt winkt da aus der grauen Grube,
die in das Säulenhaupt gesenkt,
nur noch der Zipfel in die Stube
der Mütze, die das Feuer schwenkt.

Indes der Säulenschaft von innen
in zartes Himbeer-Rot getaucht,
den Dichter wärmstens zu besinnen
auf die Mysterien, die er braucht.

Nun aber mal genug geschwafelt –
komm endlich auf den Punkt, Poet!
Parnassisch wird erst dann getafelt,
wenn’s Gastgeschenk dir wohlgerät!

Verstehe. Nur noch rasch verschnüren
und ihm ein Sprüchlein angehängt,
damit man’s an der Musen Türen
mit Neugier freudig schon empfängt.

Doch stellt euch vor: Nicht eine Zeile
fällt mir noch ein, ‘s ist wie verhext –
ich pussel schon ‘ne ganze Weile
umsonst an diesem blöden Text!

Kurz vor dem Ziel ‘ne Schreibblockade,
das hat mir grade noch gefehlt:
Kein Lorbeer und kein Festmahl, schade.
Doch was ich morgen schreib, das zählt!

Eine Art Kirchgang

Eine Art KirchgangWeit steht die große Pforte offen,
denn heute ist der Tag des Herrn,
und alle, die auf Christus hoffen,
besuchen ihn besonders gern.

Die kleinen Glocken hoch im Giebel,
sie sammelten die Schäfchenschar
so aufgeregt zum Wort der Bibel,
dass sie sich überschlugen gar!

Die eine klang ein bisschen heller,
die andre gab sich dumpf und tief –
und eiferten, wer denn wohl schneller
das Volk zur Frohen Botschaft rief.

Die Kirche, die von Wuchs bescheiden,
erweckt gleichwohl Bewunderung:
Die weißen Wände gut sie kleiden
und der Fassade kühner Schwung.

Die Glöckchen und das Kirchgebäude,
die ihr soeben kennen lernt,
sie stehn zu meiner großen Freude
nur einen Steinwurf weit entfernt.

Muss nur mich aus dem Fenster beugen,
und alles mir vor Augen liegt –
und kann der Muse so bezeugen,
dass blickfangfrische Kost sie kriegt.

Wird feindlich sie zur Kenntnis nehmen,
dass ich auf fremder Götter Spur?
Kein Grund, o Muse, dich zu grämen:
Mein Tempel heißt Architektur!