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Wintereinbruch

Dass sie doch einmal weiß noch werde,
bevor der Lenz sie überblüht,
schickte der Himmel Schnee zur Erde,
in feinen Flocken hingesprüht.

Die flauschig graue Wolkendecke
schlug er heut Morgen gar nicht auf
und ließ dafür an jeder Ecke
den flücht’gen Federn ihren Lauf.

Wie ihre Freiheit sie genossen!
Warn völlig außer Rand und Band.
In Wirbeln kamen sie geschossen
und stürzten sich aufs dürre Land.

Das ging den ganzen Tag so weiter,
sie gaben einfach keine Ruh,
machten sich langsam immer breiter
und nahmen auch an Höhe zu.

Am Abend lagen sie in Wehen
auf jedem Pflaster, Baum und Strauch,
dass man versinken musst beim Gehen
in ihrem aufgeblähten Bauch.

Nicht nur romantisch anzuschauen
war dieses schimmernd weiche Weiß,
man konnt auch einen Schneemann bauen
mit Brocken seines feuchten Breis.

Wie aber sollt die Freude teilen
das Bäumchen da am Wegesrand,
das, seiner Zeit vorauszueilen,
schon fleißig Blüten ausgesandt?

Von eisigem Gespinst umwoben,
die Blätter schon geknickt und schlapp,
mit feinem Rosa sie sich hoben
kaum merklich noch vom Grunde ab.

Bildbetrachtung

Um schnell ‘nen Schnappschuss mal zu machen,
braucht’s keinen Kameraverleih,
denn unter seinen Siebensachen
hat man sein Handy auch dabei.

Und dieser wahre Zauberkasten,
der Tricks zu Tausenden enthält,
verbirgt die Kunst auch untern Tasten,
ins Bild zu bannen Gott und Welt.

Der Wandervogel, der auf Streife
den Wald penibel inspiziert,
dass sein Geheimnis er begreife,
die Eichhörnchen fotografiert.

Der Kenner, der in stillen Sälen
sich lautlos ‘nem Gemälde naht,
will mit dem Blitz es nicht verfehlen,
geblendet von dem Unikat.

Der Gast, der einer flotten Fete
sich irgendwann erinnern will,
vertraut dem kleinen Knipsgeräte
vom Cocktail bis zum Haxen-Grill.

Und auch wer Panoramablicke
grandios vor der Pupille hat,
dem Motto folgt „Fixier und klicke!“
und sieht sich an den Bildchen satt.

Vermehrt ersetzt die virtuelle
die anfassbare Wirklichkeit,
weil überall und auf die Schnelle
sie in der Jacke griffbereit.

Zum Beispiel hockt auf dickem Hintern
man in der Sonne hübsch bequem
und zeigt sich Fotos von den Wintern,
da wo sie weltweit jetzt extrem.

Dann schüttelt man sich auch beflissen,
als fühlte man ‘ne eis’ge Hand,
doch ernsthaft nicht vom Frost gebissen,
nur angestachelt vom Verstand.

Mir ist es neulich so gegangen:
Ich saß mit wem am Kneipentisch
und hab von Mandeln angefangen,
den ersten Blüten, frühlingsfrisch.

Und dass hier unten an der Küste
ihr rosa Feuer nicht entbrannt
und rauf ich an die Hänge müsste,
ins hügelige Hinterland.

Die Klage aber kaum verklungen,
mein Partner in die Tasche rein,
sein Handy mir vorn Dööts geschwungen:
„Da hast du deinen Mandelhain!

Hab’s gestern grade aufgenommen,
weil im Vorbeifahrn ich es sah.
Hab ich doch ganz gut hinbekommen,
konnt ja nicht ewig halten da!“

An digitalen Frühlingsboten
hab ich mich heuchlerisch erfreut,
nach Duft und Fülle zu benoten,
was nicht mal riecht nach Zelluloid.

Mein Gegenüber, selbstzufrieden,
gab ganz sich dem Triumphe hin,
dass Sinn für Fortschritt ihm beschieden
und ich noch hinterm Monde bin.

Und hat die Chance gleich ergriffen
und weitre Fotos ausgespuckt,
die ich – wie Petrus, der gekniffen -,
mir zähneknirschend angekuckt.

Landpartie

LandpartieKaum hatt‘ ich mich dem Pfühl entwunden,
als mir ein Anruf widerfuhr:
Heut soundso viel Sonnenstunden –
wie wär es mit ‘ner Autotour?

Obwohl ich müde noch und träge,
hab ich begeistert zugesagt,
denn nichts macht ja den Geist so rege
wie eine Aussicht, die behagt.

Die Uhrzeit will ich euch ersparen.
Wir trafen unten uns am Strand.
Und kaum dass wir davongefahren,
warn mitten wir im Hügelland.

Das Ziel: Knapp unter ihrer Spitze,
sechshundert Meter über See.
Ich saß auf meinem Krähensitze
und spähte scharf nach Luv und Lee.

Im Auf und Ab von Meereswellen
ergingen sich hier Berg und Tal,
ein grenzenloses Sinken, Schwellen,
doch fest, als wär’s erstarrt einmal.

Und von den sanft geneigten Hängen
bis in der Schluchten engen Raum
sah um die Wipfel man sich drängen
der Mandelbäume Blütenschaum.

Kein Wind blies, ihnen zu entreißen
auch nur ein einz’ges Flöckchen heut.
Still standen sie, die herrlich weißen,
und auch die roten, drin verstreut.