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Ausgebremst

AusgebremstDie Buddel geht mir schon zur Neige,
und kürzer tritt die Kerze auch –
als ob die Nacht mir riete: Schweige,
und in den Pfühl des Schlummers tauch!

Doch dieser Wunsch, er wird verhallen:
Ich sitz putzmunter noch am Tisch,
den Stift entschlossen in den Krallen,
mit dem ich übern Bogen wisch.

Im Übrigen: Fürn Kerzenstummel,
der kaum mehr als sein Flämmchen wiegt,
mach gern ich mal ‘nen kleinen Bummel
zum Schapp, in dem der Nachschub liegt.

Genauso wenig plagt mich Kummer,
dass er versiegt, der Flaschenwein –
komm ich doch ohne Wartenummer
stets in die Speisekammer rein.

Nichts steht damit jetzt noch im Wege
dem passionierten Abendlied
und dieser Art der Musenpflege,
die immer erst nach neun geschieht.

Nun hört mich also bitte singen,
verfolgt mit mir den schönen Text,
der wie auf Odinsrabenschwingen
von Vers zu Vers an Weisheit wächst.

Doch angesichts der zweiten Flasche
und eines Wachslichts, frisch entbrannt,
legt plötzlich lähmend sich wie Asche
doch Müdigkeit auf meine Hand!

Wieder Musendienst

Wieder MusendienstZu dieser vorgerückten Stunde
(den Ausdruck prägte wohl ein Tor,
denn, sei er auch in aller Munde,
die Zeit rückt immer ja nur vor)

Zur Stunde also, dieser späten,
füg ich korrekter nun hinzu,
knie vor der Muse ich, zu beten,
dass sie zu segnen mich geruh

Mit Versen allerfeinster Ware,
wie sie nur je ein Dichter spann,
dass er sie ihr auf dem Altare
als fromme Spende weihen kann.

O Götter ihr der alten Griechen,
wie rasch werft’s Echo ihr zurück:
Schon fängt’s an, brenzlig hier zu riechen –
ach so, die Kerze, na, zum Glück!

Mir scheint es immerhin ein Zeichen,
das pfiffig der Parnass gesandt,
ich möcht von meinem Ziel nicht weichen,
für das mein Herz so heiß entbrannt.

Schon ist es mir ja auch gelungen,
den Zeilen Wohnungen zu baun,
die, so in Strophen eingezwungen,
gewiss sehr künstlich anzuschaun.

Noch ein paar mehr von diesen Buden
im abgemessenen Geviert,
mit Möbeln aus dem Rechtschreibduden
ganz standardmäßig ausstaffiert

Dazu in jeder Zimmerecke
(auch dies im allgemeinen Trend)
zu höherem ästhet’schen Zwecke
ein Reim als festes Ornament

Und fertig ist zu meiner Freude
als Dithyramben-Architekt
das wundersame Luftgebäude,
das sich in Babels Bläue reckt!

Ich glaub, ich kann schon innehalten
und Richtfest feiern auf Papier.
Und jetzt noch mal die Hände falten:
O Helikon, gefällt es dir?

Kaum ist die Spannung zu ertragen.
Das Urteil – kontra oder pro?
Da Hermes, um Bescheid zu sagen,
persönlich, nicht per Mail und so!

Ja, ja, ja, ja! Wird angenommen
nach uralt heil’gem Götterbrauch,
den Unsterblichen nahzukommen –
in Feuer und in Rauch!

Mein Bambushain

Mein BambushainBehaglich hock ich in der Kammer,
wo Wärme mich und Wein verwöhnt,
und diesen ganzen Erdenjammer
das Spiel der Lyra übertönt.

Ein Wachslicht leuchtet mir zur Seite,
und hoch am Himmel gleißt der Mond,
der noch nicht voll um Haaresbreite,
schon stolz in seinem Hofe thront.

Mal kreuzt Gewölk mit finstren Flügeln
die Bahn verdunkelnd, die er geht,
doch ohne seinen Lauf zu zügeln
von schwanenhafter Majestät.

Hier unten rauchen Friedenspfeifen
vom Feuer ihrer Harmonie.
Kein Fuß mehr auf dem Zebrastreifen,
kein Auto mehr beim Wasserski.

Der Altbau, kurz vor der Ruine,
mir wieder Turm aus Elfenbein,
wo heiter ich den Musen diene,
den Weisen gleich im Bambushain.

Bei diesen, die im Reich der Mitte
als Dichterfreunde einst gelebt,
war in der Einsamkeit es Sitte,
dass Pinsel man und Becher hebt.

Des Gaumens und des Weines Freuden
in der Idylle froh vereint.
Genießend keine Zeit vergeuden –
ein guter Grundsatz, wie mir scheint.

Er hat als fruchtbar sich erwiesen,
was ihre Poesie betrifft.
So folg ich dichtend also diesen,
das Gläschen schwenkend wie den Stift.

Dabei vergehn so rasch die Stunden!
Man sieht’s am Firmament sogar:
Der Mond ist wieder längst verschwunden,
der grade in Vers 2 noch war!

Das Wachs ein gutes Stück geschmolzen,
dass stummeltief die Flamme steht.
Mit meiner Kerze, dieser stolzen,
es sichtlich nun zu Ende geht.

Was soll ich von der Flasche sagen?
Bis auf den Bodensatz geleert.
Ich spür ein Gluckern schon im Magen –
den Saft, der seine Säfte mehrt.

Auf Mitternacht marschiern die Uhren,
noch fünf Minuten bis zum Schlag;
und dann verlieren sich die Spuren
von diesem dritten Monatstag.

Gewiss hock ich auch morgen wieder
in meinem stillen Kämmerlein –
doch die ich dann mir sing, die Lieder,
es werden nicht die gleichen sein.

Atelierküche

AtelierkücheIm Kerzenlicht ‘ne Kupferkanne,
ein guter Tropfen sowieso,
und auf dem Herd die Schmurgelpfanne –
voilà, das ist mein Studio!

Man könnte auch von Küche sprechen
(vor allem, wer den Braten roch),
doch Erbsenpaln und Bohnenbrechen
passieren hier nur selten noch.

Was eine Mahlzeit so erfordert,
geht ohne großes Drum und Dran.
Und außerdem: Der Single ordert
beim Pizzaservice nebenan.

Kein Futterplatz in Bausch und Bogen –
auch Klause in Pieriens Flur:
An diesem Ort hat sich vollzogen
ein echter Wandel der Struktur.

Wenn Bauch und Geist an einem Strange
zu friedlichem Behagen ziehn,
dann ist um Verse mir nicht bange,
dass würdig ich den Musen dien.

(Mit Lorbeern will ich und mit Reben
wie Epikur in alter Zeit
die Tage still zu Ende leben
in heiterer Gelassenheit.)

Sehr praktisch auch: Von dieser Warte
kann ich die Straße übersehn,
was mir schon häufiger ersparte,
erst lang auf Themenpirsch zu gehen.

Da liegt ja alles ausgebreitet,
was des Poeten Herz erfreut,
der gern auf einem Rosse reitet,
das vor Beton und Blech nicht scheut.

Zudem kann ich von hier erhaschen
beim Blick auf die Fassadenfront
ein Stückchen Himmel, trüb, verwaschen,
doch weitend meinen Horizont.

(Auch anderen verhalf zum Liede
schon mancher ungewohnte Fleck –
man denk nur an die Verseschmiede
mit ihrem Eisen, Ruß und Dreck!)

Was rede ich denn so verschroben?!
Macht denn der Ort die Poesie?
Im Oberstübchen, tick, da oben,
da muss sie stimmen, die Chemie!

Sonst müssten ja Vereinsnaturen,
die wandernd durch die Lande ziehn,
beglückt vom Zauber unsrer Fluren
so hymnisch sein wie Hölderlin.

Und auch die Wärter, deren Augen
im Bildersaal den Dienst versehn,
sie müssten für die Dichtkunst taugen,
auf Du und Du mit Dante stehn.

Doch Rucksackträger und Livrierte,
trieb’s je sie zum Parnass empor?
Ich weiß nicht, was sie so genierte –
in jedem Fall, es kam nicht vor.

Mag das Ambiente auch beflügeln,
im Herzen kriegen sie Kontur,
die Verse, die nicht zu erklügeln
mit ‘ner Poetik-Rezeptur.

Was will der Dichter damit sagen?
Dass er gesegnet mit Talent?
Um Himmels Willn, wie würd ich’s wagen –
das weiß allein der Rezensent.

Da seht nur (könntet ihr’s denn sehen)
mein Kerzlein, wie es innig glüht:
So sollt ihr mich als Licht verstehen,
bescheiden, aber stets bemüht.

Mit diesem Credo will ich schließen.
Längst füllt die Nacht das Himmelsrund,
und überall die Sterne schießen
wie goldne Pilze aus dem Grund.

P.S.

Ich werf den Pinsel in die Ecke.
Ich führ zum Stall den Pegasus.
Ich dreh mich kantisch in die Decke.
Ich ruhe sanft wie Claudius.

Nachtfantasie

NachtfantasieAls ob’s ein Riesenraubtier wäre,
hat sich der Bau, von nichts bewegt,
in seiner ganzen schwarzen Schwere
zur Nacht aufs Trottoir gelegt.

Kein Zucken zittert in den Flanken,
kein Härchen kräuselt sich im Fell,
nur über ihm ein leises Schwanken
von Sternen, die mal trüb, mal hell.

Die gelben Katzenaugen lauern
noch hier und da, verlöschend schon,
doch wo kein Fenster in den Mauern,
füllt Finsternis die Region.

So wird er bis zum Morgen liegen,
bis ihn der kühle Dämmer weckt,
und er, um wieder Licht zu kriegen,
den Scheitel in die Sonne reckt.

Na ja, ihr wisst schon: die Fassade
der Häuser, die vom Musensitz
ich abends sehe, wenn ich grade
mir Verse aus den Rippen schwitz.

„Die Nacht schuf tausend Ungeheuer“ –
das, was ein Dichter einst empfand
bei einem Liebesabenteuer,
es narrt noch heute den Verstand.

Man muss nicht mal durch Wälder jagen,
dass einen Angst vor Schatten packt –
auch Städte schlagen auf den Magen
mit mancherlei Gebäudetrakt.

Erst wenn der Tag mit seiner Funzel
entlarvend vor dem Monster kniet,
verkehrt die Furcht sich in Geschmunzel,
dass man so schnell Gespenster sieht.

Soll ruhig es da drüben liegen,
das Ungetüm aus Glas und Stein,
sich selbst in dunklen Träumen wiegen –
und Hüter auch der meinen sein.

 

Alte Kollegen

Alte KollegenHiermit will jener ich gedenken,
die so wie ich bei trübem Licht
durch Pinsel- oder Griffelschwenken
sich schufen manches Nachtgedicht.

Wenn ich das rasch mal überschlage,
ist ihre Zahl nicht grad gering;
schon immer galt, dass Freud und Klage
man schön sich von der Seele sing.

Das taten schon die alten Griechen,
die Römer taten’s ihnen gleich.
Doch grad so „nach der Lampe riechen“
die Verse aus der Mitte Reich.

Wang Wei, Tu Fu und all die andern,
die in der goldnen Zeit zu Haus,
ihr Lied wird ewig weiterwandern,
kommt’s auch aus China kaum heraus.

Ein Inseldasein führte lange
auch Nippons feine Poesie –
von knapper Form, doch höchstem Range,
den ihre Tiefe ihr verlieh.

Na, und so fort – durch alle Zeiten
und über alle Grenzen hin
ließ sich von Mond und Sternen leiten
der tausend Träumer Musensinn.

Ob ich auf ihren Schultern stehe?
Im Sinne, dass sie Riesen, schon,
doch nicht, weil ich drum weiter sehe –
ich finde ja nicht ihren Ton.

Mir reicht es, ihnen nachzueifern
in unermüdlichem Bemühn –
die Älter’n bleiben sie, die Reifer’n
und ich womöglich ewig grün.

(Ich bin ja nicht nur Versemacher,
sondern auch Versekonsument –
sind meine eignen nicht der Kracher,
erfreut mich halt der Konkurrent.)

In jedem Fall fühl ich mich ihnen
(vielleicht entfernt auch nur) verwandt,
da wir den gleichen Musen dienen,
auch wenn nicht stets sie gleich genannt.

So weit zu meinem Dichterhimmel,
der ewig mir im Hirn sich dreht.
Dahin, dahin! hab ich den Fimmel –
wenn nicht als Stern, dann als Planet!

Später Ausritt

imagesQZ8J0EF1Schon wird die Stille dichter
um Straße und um Haus.
Am Himmel erste Lichter.
Der Abend klimpert aus.

Ich schnapp mir die Latüchte,
was meine Kerze ist,
und ziehe wieder Früchte
auf meinem Geistesmist.

Will heißen, ich beharke
hier meines Blatts Geviert,
auf dass es große, starke
Gewächse mir gebiert.

Das übliche Ambiente.
Die Küche Klause mir
als Schmiede der Talente
und Musenjagdrevier.

Und Nektar soll beflügeln
die Fantasie, die faul,
sie fesseln nur mit Zügeln
an Pegasus, den Gaul.

Als Basislager, glaube
ich, gut wie irgendwas –
mit Tupper und mit Traube
am Fuße des Parnass.

Jetzt nur noch rauf zum Gipfel.
He, ihr im Göttersaal,
gleich hab ich euch beim Zipfel,
den Lorbeer holt schon mal!

Ach, alles nur Schimären,
entrückt und erdenfern.
Den Aufstieg wird man wehren
dem grünen Möchtegern.

Wie kann ich sie besiegen,
die Schwestern, die mich scheu’n?
Wenn sie auf sonst nichts fliegen –
vielleicht auf Strophe neun?