Schlagwort-Archive: Nero

Auf der Küchenbank

auf-der-kuechenban-hendrik-terbrugghenSo wie ich’s, einz’ge Les‘rin, dir versprochen,
bring wieder Ernstes ich hier aufs Tapet.
Was hälst du etwa von den Diadochen,
Karthagos Fall und Nero als Poet?

Das träf den Nagel auf den Kopf mitnichten?
Dir graut’s vor so was wie Geschichte gar?
Vor Fakten, die zu Zahlen sich verdichten
als unentwegter Schlachten Jammerjahr?

Versteh, versteh. Es soll an mir nicht liegen,
hab schließlich auch noch andre Themen drauf.
Was Biologisches gefällig: Fliegen?
Lass ich für sie den Worten freien Lauf?

Da seh ich wieder dich die Mähne schütteln
und wie’s im Auge widerwillig blitzt:
Du lässt nicht an der Überzeugung rütteln,
dass so ein Brummer keinen Charme besitzt.

Liegt’s an dem Tierchen nur, dem naseweisen,
das uns mit seinen Kapriolen narrt
und seinem planlos unerschrocknen Kreisen
auf des Instinkts verbrieftem Recht beharrt?

Ich kann’s dir auch ‘ne Nummer größer bieten –
willst etwa von den Bestien du hörn,
von Meister Nobel und den Katz-Eliten,
erklärten Feinden von Spinat und Möhrn?

Daneben! Wieder nicht den Punkt getroffen.
Ich seh’s dir, Les‘rin, an der Nase an.
Für Zoologisches bist du nicht offen,
sei’s in der Stube, sei’s in der Savann.

Doch bin ich, der in mancherlei beschlagen,
auch von Physik nicht völlig unbeleckt;
ein Verslein über diese Kunst zu wagen,
wär nichts, was meine spitze Feder schreckt.

Erzähl ich dir von Keplers Geistesblitzen,
die uns erleuchtet der Planeten Bahn,
dass sie elliptisch um die Sonne flitzen,
Gesetzen folgend, ewig und profan?

Soll ich auf Newton einen Hymnus singen,
der gleichfalls Wundersames offenbart –
dass bei den zig zig körperlichen Dingen
die Attraktion sich mit der Masse paart?

Du wendest, einz’ge Les‘rin, dich mit Grausen,
pfeifst auf den strengen Kodex der Natur?
Dein Recht. Indes soll mich der Affe lausen,
weiß ich nicht anderweitig Remedur.

Schon immer machte mich die Heilkunst schwärmen,
die unsre Leiden lindert und behebt,
die Kenntnis von Gefäßen und Gedärmen
und allem, was intern so in uns lebt.

(Damit sie läuft, die flotte Limousine,
muss man die Haube lüften dann und wann,
damit man hier, im Herzen der Maschine,
des Ganzen Wohl und Wehe prüfen kann.)

Da liegst du eines Tages siech zu Bette
und fühlst dich grad so elend wie ein Hund.
Mit matter Hand ergreifst du die Tablette
und schluck!, bist du schon wieder kerngesund!

Dies scheint dir größre Neugier zu entlocken,
doch ist noch immer nicht das A und O.
Da heißt es weitermachen unerschrocken,
bis du der Verse endlich rundum froh.

Chemie? Um faustisch Antwort dir zu geben,
was diesen ganzen Sums zusammenhält?
Den Teppich aus Atomen nachzuweben
zum bunten, lückenlosen Bild der Welt?

Ein schwerer Kern, umschwirrt von Elektronen,
geladen beides, doch im Gegensinn,
ihr schöner Bund besiegelt von Photonen
und andren Wichten, geisterhaft, mit Spin?

Du bist so ehrlich, mir nicht zu verhehlen,
dass dir auch dieses Genre nicht gefällt
und eher solche Dinge für dich zählen,
dern Dasein bloßes Tageslicht erhellt.

Nun sieh mich doch an meine Grenze kommen:
Was tun, wenn alle Wissenschaft versagt?
Verzeih, gehörst du etwa zu den Frommen,
die auch poetisch auf Erlösungsjagd?

Erwartest du, dass ich in Göttersphären
auf Schwingen süßer Hymnen dich entführ,
die Hoffnung auf ein Paradies zu nähren
mit Petrus an der goldnen Flügeltür?

Mit Engeln, die auf ewig Harfe zupfen,
unnahbar nonnenhaft in Weiß gehüllt,
da Lämmer mannagleiche Gräser rupfen
und unser Münchner Halleluja brüllt?

Bist du des Ostens Weisheit gar erlegen
und wandelst Buddhas achtfach rechten Pfad,
dem Wolln und Wirken unsrer Welt entgegen
und zum Nirwana mit dem besten Draht?

Ach, welcher Unsinn wär es zu vermuten,
dass dir Erbauliches am liebsten wär!
Hätt’s dich denn sonst in meinen Versefluten
so sicher fortgetrieben bis hierher?

Mein Geist, verzweifelt ringt er nun die Hände,
will wissen, was dich bei der Stange hielt –
indes das Auge träge streift die Wände
der Küche, wo ja diese Leier spielt!

Du lächelst! Oh, was bin ich blöd gewesen
(wofern nicht aus Bescheidenheit gar blind)!
Gern sollst du wieder Neues von ihr lesen –
ich hol nur noch ein frisches Blatt geschwind.

Kleine Freuden

Kleine FreudenKeine besondren Vorkommnisse.
Der Tag, er schleppte sich dahin
als Schnecke auf der Zeitabszisse
mit Wackelbauch und Doppelkinn.

Nicht dass ich nicht erledigt hätte,
was heute er von mir begehrt,
doch in der ew’gen Pflichtenkette
ist das ja kaum der Rede wert.

Ein bisschen Einkauf, Staubverteilen,
mit feuchtem Lappen Streifen ziehn,
die Nägel schneiden und befeilen,
zum Feudeln auf den Fliesen knien.

Allein dass dieses ich erwähne –
ich müsst mich schämen als Poet!
Nicht ein Moment, nicht eine Szene,
die gern in Versen man verbrät!

Doch mag sich drum auch Unmut regen –
erzwingen lässt sich so was nicht.
Soll etwa selbst ich Feuer legen,
es zu besingen im Gedicht?

Zum Nero bin ich nicht geboren,
hab eher Epikur im Blut –
auf kleine Freuden eingeschworen,
zufrieden stets und frohgemut.

Und überhaupt: Auch dieses Leben,
das man verächtlich Alltag nennt,
hat so viel Poesie zu geben,
die unsre Poesie nicht kennt!

Barbier

BarbierEr ist Friseur und kennt die Welt.
Mit wem hat er nicht schon geplappert!
Die Strähne, schnipp, die Locke fällt.
Er labert und die Schere klappert.

Politikern geht er ans Haupt.
Da muss er immer fix was schneiden.
Mit ihnen redet er geschraubt.
Die hohen Herren mögen’s leiden.

Für Künstler gilt ein andrer Stil.
Die lassen gern die Mähne flattern.
„Nur Spitzen kürzen, doch nicht viel!“
Mit ihnen auch gebüldet schnattern!

Und ja mit den Poeten bloß!
Da muss man seine Worte wägen.
Doch nach der Art des Figaros
ist er um diese nicht verlegen.

Mal hat er auch ‘nen Musikus,
womöglich gar ‘nen Dirigenten,
den just er so beschneiden muss
wie jene Strophe-3-Patienten.

Wie rhythmisch regt er dann die Hand –
als ob er einen Taktstock schwänge.
Und säuselt süßlich im Diskant:
„Gewiss, nur wenig von der Länge.“

Da bricht ein Sänger ihm ins Haus,
der röhrt sich jetzt durch alle Sender.
„Nur färben. Alle Töne Blaus!“
Gebalz mit einem Sechzehnender.

Hat er nicht sogar schon toupiert
den – Diskretion, nur Zaunpfahlwinken! –
Den X, der seinen Skalp verliert
in so ‘nem alten Cowboy-Schinken?

Dazwischen aber, welch Kontrast,
des Handwerks rühriger Kollege –
ein biedrer Bäcker, der nicht passt
in dieses Große-Tier-Gehege.

Was der für kleine Brötchen backt!
Na ja, nicht jedem kann’s gelingen.
„Heut tüchtig Mehl schon eingesackt?“
Die Blicke kreuzen sich wie Klingen.

Ach, könnt er doch dem Meisterbrief,
da an der Wand dem Dokumente,
den Zusatz geben: „Und aktiv
in Sonderheit für Prominente.“!

Da mondgleich jene er umkreist
den lieben Tag mit Kamm und Schere,
was Wunder, dass er selber gleißt
im Glanz geborgter Künstlerehre!

Von Kopf bis Fuß ist er gestylt.
Ein Kunstwerk, das auf Stelzen wandelt.
Und modisch weit vorausgeeilt
den Herrn, die haarig er behandelt.

Wenn einer so durchs Leben springt
und sich nicht sorgt ums sel’ge Ende,
was, wenn das Totenglöckchen klingt,
dass es ihm Grabesgrüße sende?

Wird er wie wer, der distanziert
bewertet seines Daseins Nutzen,
nur achselzuckend resigniert
und ohne Wort die Platte putzen?

Er wird zum letzten Mal sich schönen,
ein Eauchen da, ein Gelchen hier,
und sterbend wie einst Nero stöhnen:
„O welch ein Künstler stirbt mit mir!“

Und dann der Grabstein, groß, gediegen.
Darunter leiht ihm nun Gehör
Gewürm. Geduldig und verschwiegen.
Was will man mehr als Coiffeur!

Kunstkonditor

KunstkonditorNur immer kleine Brötchen backen
hat ihn nie völlig überzeugt,
in aller Herrgottsfrüh den Nacken
tief über Sauerteig gebeugt.

Ihm hat, wie’s heißt, seit Kindesbeinen
was Anspruchsvollres vorgeschwebt –
das Handwerk mit der Kunst zu einen,
das Ideal mit dem, was lebt.

So hat er sich der Haute Cuisine
des Backens schließlich zugewandt:
der Torte, gleichsam der Terrine,
wie die Pastete auch genannt.

Und wirklich, seine Kreationen,
die Aug und Gaumen angenehm,
mit nobler Kundschaft ihn belohnen,
die Creme gesellend sich zur Creme.

So hat sie sich ‘nen Ruf erworben
im Viertel, die Konditorei –
nur erste Ware, unverdorben.
bloß nicht der Chef ganz einwandfrei.

Nicht weil da auf pompöse Weise
sein Meisterbrief im Rahmen prangt,
von Zeugnissen der Ehrenpreise
für bestes Feingebäck umrankt.

Nein, weil die schöpferische Seite
des Zuckerwerks ihm so gefällt,
dass er sich in Europas Weite
für den Rodin des Kuchens hält.

Nicht mal des Handwerks goldner Boden,
ach, hält ihn auf dem Teppich fest,
was an den völlig neuen Moden
des Auftritts sich verfolgen lässt.

Natürlich trägt den schlichten Kittel
von früher er nicht mehr zur Schau
und kleidet sich dank reicher Mittel
so farbenprächtig wie ein Pfau.

Und spreizt wie dieser auch die Federn,
dass würdig durch die Welt er schreit’,
so steif und grade wie die Zedern
des Libanon in alter Zeit.

Bekannten geht er aus dem Wege.
„Klienten“ gönnt er einen Schwatz.
An jedem Dienstag Nagelpflege.
Und mittwochs auf dem Tennisplatz.

Er ist ein neuer Mensch geworden,
seit er als Künstler sich versteht –
neronisch nicht im Brennen, Morden,
doch in dem Wahn, er sei Poet.

Ob ‘nen Gedanken er verschwendet
an das, was nach Konditern kommt?
Dass auch der Zuckerbäcker endet,
wogegen ihm kein Törtchen frommt?

Auf einmal stürzt er von der Szene –
direkt ins Loch mit einem Sprung.
Vorbei. Und keine Madeleine
weckt je ihm die Erinnerung.