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Der blaue Nils

Es war einmal ‘ne Nilpferddame,
die hat im Bade sich entspannt,
auf dass sie in Gedanken krame,
was farblich ihr am besten stand.

Sie musste nicht sehr lange grübeln,
war sie auch nicht besonders hell:
Das größte doch von allen Übeln
war zweifellos ihr graues Fell.

O wie den Löwen ich beneide,
so dachte sie im Stillen sich,
wie er in golden-gelbem Kleide
beherrscht den ganzen Wüstenstrich!

Und auch die zierliche Gazelle
in ihrem rötlichen Gewand,
die oft gar des Geparden Schnelle
mit kühnen Sprüngen widerstand!

Doch nicht zuletzt dem würdevollen
Flamingo mit dem rosa Frack
muss jederzeit Respekt ich zollen
für den erlesenen Geschmack!

Sie schlüpfte in die Badeschlappen,
vor Augen nur das eine Ziel,
und stampfte fort auf Schusters Rappen
bis ganz hinauf zum Blauen Nil.

Dort warf sie gleich sich in die Fluten,
die ewig blasse Meerjungfrau,
und wurde, was wir schon vermuten,
im Handumdrehen völlig blau.

Wie dröhnte unterm Huf die Erde,
als sie nach Hause galoppiert
und stolz sich zeigte ihrer Herde
zum ersten Male koloriert!

Da nahm der Jubel gar kein Ende,
dass man’s gesehen haben muss.
Ein Ruf durchtoste das Gelände:
Hipp, hipp, hipp Hippopotamus!

Der Ruf hat rascher sich verbreitet,
als irgendwer sich vorgestellt.
Wie ‘n Dschinn, der auf den Wolken reitet,
flog bald er um die ganze Welt.

Ein blaues Nilpferd? Muss ich sehen!
Zuerst warn die Touristen da.
Ihr Lohn fürs lange Schlangestehen:
Ein Schnappschuss mit der Kamera.

Dann Künstler ihre Koffer packten.
Und einer, trotz Entrüstungssturm,
ein junger Meister des Abstrakten,
verstieg sich bis zum „Nilpferdturm“.

Rund um den Globus jeder kannte
die Nachbarin des Krokodils
und zärtlich sie mit Namen nannte
(doch fälschlich, wie wir wissen) Nils.

Der aber dieser Rummel schmeckte,
so von der Menge fast erdrückt,
bis diesem seltenen Objekte
die Wissenschaft zu Leib gerückt.

Die ging denn anders auch zur Sache:
Sich wundern statt Bewunderung.
Die Mädchen und die Jungs vom Fache
berochen alles – bis zum Dung.

Und dieses kolossale Wesen,
es wurd geprüft auf Herz und Niern
von einem Team, das auserlesen
für den Verkehr mit großen Tiern.

Da wurd gemessen und gewogen,
der Puls gecheckt, die Tempratur,
und langsam ihm der Zahn gezogen,
das Leben sei Vergnügen nur.

Tagtäglich musste Blut es lassen,
den nackten Stachel in der Haut,
und pinkeln, was die Eimer fassen,
weil jemand den Urin beschaut!

Und schließlich noch, zu viel des Guten,
verdonnert man es zur Diät –
statt leckrer Schilf- und Weidenruten
‘nem Brei, dass sich der Magen dreht!

Was ist dabei herausgekommen?
Hat schließlich man den Grund entdeckt?
Im Bulletin hieß es verschwommen:
Ein chromophorer Gendefekt.

Bedeutet, klarer ausgesprochen,
für den entscheidenden Befund,
das Fazit vieler Forschungswochen:
Das Tier ist ohne Zweifel bunt.

Dieser Triumph in allen Ehren,
so Dr. Bongo aus Gabun,
doch gibt‘s noch mancherlei zu klären,
das heißt noch ziemlich viel zu tun!

O welch Entsetzen da erfasste
die Dame, die schon höllisch litt
und mehr als irgendetwas hasste,
wenn ihre Freiheit man beschnitt!

Sofort begann sich Wut zu regen:
Zum Teufel mit dem blauen Schund!
Was warn Experten schon dagegen:
Sie kannte ja den wahren Grund.

Sie machte also möglichst leise,
Getrampel meidend und Geschnauf,
des Nachts sich nochmals auf die Reise
zu des Gewässers Oberlauf.

Mal schwamm, mal trabte sie ‘ne Strecke,
so wie es grade ihr gefiel,
und kam auch glücklich an die Ecke,
wo’s abgeht in den Weißen Nil.

Rasch wieder ohne Badehose
den Leib da in die Flut gesenkt,
und fertig war der farbenlose,
den einst ihr die Natur geschenkt!

Danach hat Aufsehn sie vermieden.
Und trotz des mächt’gen Körperbaus
lebte noch Jahre sie zufrieden
inkognito als graue Maus.