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Gedächtniskunst

GedächtniskunstViel würd, o Freund, ich gern behalten,
im Kopf und tief im Herzen drin,
so etwa all die zig Gestalten,
von denen selbst ich eine bin.

Die Welt möcht wissend ich umfassen:
Der Sterne Zahl und Galaxien
und ob in diesen Raum sie passen,
aus dem sie offensichtlich fliehn.

Beim Namen möcht ich all sie nennen,
wie Kastor, Kassiopeia schon,
vom Hörensagen sie zu kennen,
wenn ich auch fern von ihnen wohn.

Das Pflanzenreich möcht ich durchmessen,
kein Hälmchen sollte mir entgehn,
auch ihre Namen nicht vergessen
und mit welch Kräften sie versehn.

Und Tiere aller Herren Länder
möcht im Gedächtnis ich bewahrn,
des bunten Lebens Unterpfänder,
die mit uns durch den Kosmos fahrn.

Was von dem Seelenlosen sagen?
Auch Steinen gilt mein Wissensdrang.
Nach Gneis und Gabbro möcht ich fragen,
Pyrit, Porphyr mein Leben lang.

Dass ich nach Fakten mich verzehre,
ist etwas, das im Blut mir liegt,
wie jemand sonst bei Macht und Ehre
wie Pawlows Hund `nen Jieper kriegt.

Die Welt zu sehn mit tausend Brillen,
das schwellt und weitet mir die Brust,
und statt den Eifer mir zu stillen,
weckt schauend es mir neue Lust.

Doch nicht, um damit anzugeben –
für Wagner keine Sympathie!
Und Tipp für faustisches Bestreben:
Mehr Gretchen, wen’ger Galaxie!

Nur wahllos in den Brägen stopfen
sich Wort- und Zahlenzeug en gros,
lässt uns zur Datenbank verkopfen,
die proppevoll mit Bohnenstroh.

Schön an der Weisheit Brüsten saugen
und nicht am trocknen Hungertuch:
Da wird ein Shakespeare besser taugen
als hundert „Schmidt“ im gelben Buch!

Warum hast, Freund, du nichts erfunden,
das unsern Geist für Prosa stählt,
die man in langen Winterstunden
den endlos Lauschenden erzählt?

Und was in Worte eingeschlossen,
und was in Klang und Rhythmus schwingt,
den offnen Herzen eingegossen,
zum Guten sie und Schönen bringt?

O könntest dieses du mich lehren,
ich fiel vor deiner Kunst aufs Knie.
Doch einen Dreck solln sie mich scheren,
die Hinterkommastelln von π!