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Stadtnatur

StadtnaturHier schlagen keine Nachtigallen,
hier ruht kein Reh im grünen Tann –
hier ist das Reich der Radarfallen,
der Polizist ein Jägersmann.

Kein Mond, der aus dem Meer der Wipfel
sein Strahlenhaupt zum Himmel reckt –
kaum sichtbar hinterm Häuserzipfel,
die nächste Wand ihn schon verdeckt.

Auf weichem Moos willst du dich betten,
die Füße wo im Blaubeerlaub,
und ringsherum die Lagerstätten
von Pilzen, die zurzeit noch taub?

Ein frommer Wunsch auf diesen Fluren,
die wenig mit Natur gemein
und tief versiegelt mit den Spuren
von Asphalt, Dreck und Ziegelstein.

‘nen Trupp von jugendlichen Bäumen,
der Schule eben erst entflohn,
sieht spärlich man die Straße säumen
als eines Waldes Illusion.

Daraus auf wundersame Weise
das Lied der Amsel noch erklingt
und dieses Tages triste Reise
zu einem blüh’nden Ende bringt.

‘ne Fliege summt mir hin und wieder
hier mitten in der Küche drin –
zwar nicht mit Fell und mit Gefieder,
doch schön natürlich immerhin!

Jagdfieber

JagdfieberMein Herz, es mag im Hochland weilen,
doch jagen möchte es da nicht,
verschreckten Ricken nachzueilen
mit Unschuldsaugen im Gesicht.

Verhuschte Hasen zu erschießen,
die panisch vor der Flinte fliehn,
um nach gezieltem Blutvergießen
ihr flausch’ges Fellchen abzuziehn.

So wenig wie um zu erlegen
des Walds gekrönte Majestät,
den Hirsch, der seiner Enden wegen
bei Kugeln hoch im Kurse steht.

Und auch die Kerze auszublasen
‘nem Auerhahn in seiner Pracht,
gehört nicht zu den Lust-Extasen,
auf die ich Anspruch je gemacht.

Ich möchte nicht die Knarre heben,
nach Laune Leben zu zerstörn,
nur um mir das Gefühl zu geben
im Schuss als Platzhirsch selbst zu röhrn.

Millionen Jahre Jäger-Sammler
gehn aber spurlos nicht vorbei –
manch einer schießt auf kleine Rammler
und glaubt, dass er ein Nimrod sei

Und rühmt sich solcher Heldentaten,
die ohne Angst und Schweiß geschehn –
fast so, als würd er seinen Braten
beim Schlachter vis-à-vis erstehn.

Denn während unsre Steinzeitahnen
gekämpft um Leben und um Leib,
keult diese Zunft der Schrumpfgermanen
das Wild zum bloßen Zeitvertreib.

Beschönigend: „Bestände pflegen“ –
sonst wird von Reh’n man überrannt!
Der Schöpfung zweifelhafter Segen:
Neandertaler mit Verstand.

Nein, einfach durch die Heide streifen,
die diese tausend Wesen nährt –
nur mit den Sinnen sie ergreifen:
Geschwister, aller Liebe wert.