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Rentner-Stillleben

Rentner-StilllebenDas Wetter: keine Eskapaden;
auch sonst nichts, was der Rede wert.
Den Tag geschaukelt ohne Schaden,
zumindest hier am heim’schen Herd.

Zum Einkauf kurz mal raus gewesen
und frischen Proviant gefasst;
viel Kaffeetrinken, Schmökerlesen,
auch Nachrichten mal abgepasst.

Und nachgeguckt, ob eingegangen
an Post was von Bedeutsamkeit –
auf analogem Weg, dem langen,
oder in Elektronenzeit.

Sonst auf dem Bärenfell gebettet,
von allerlei Motorn umröhrt;
nein, Wäsche zwischendurch geplättet
und dabei Händel zugehört.

Ein Auszug aus dem Rentnerleben,
der keine Überraschung birgt.
So oder ähnlich ist das eben,
wenn man am Tuch der Muße wirkt.

Man wird ja nicht mehr angetrieben,
ist auf Gelassenheit gepolt.
Was heute ungetan geblieben,
wird…irgendwann mal nachgeholt.

Das gilt nicht weniger fürs Dichten.
Bevor es mir Beschwerden macht,
will lieber ich darauf verzichten.
Man sieht sich, tschüs. Und gute Nacht!

 

Unverhofft

UnverhofftWer unlängst noch vorm Rentnerleben
mir wie auch immer Angst gemacht,
ich hätte Kontra ihm gegeben
und ihn aus vollem Hals verlacht.

„Verschon mich bloß mit deinen Sorgen!
Bin fit seit Jahrn tagaus, tagein –
wie sollte das von heut auf morgen
so mir nichts dir nichts anders sein?“

Doch unerforschlich sind die Wege,
die uns das Schicksal wandeln lässt.
Was heißt schon: gestern resch und rege,
befällt dich heute ein Gebrest?

So war die erste bittre Pille,
die es miteins zu schlucken galt,
‘ne lupenreine Lesebrille
zwecks Führung durch den Zeilenwald.

Auch auf der Ohren treue Trichter
war auf einmal nicht mehr Verlass:
Sie hörten, mit Verlaub, „Gesichter“,
erstickte Laute wie im Fass.

Und andere Wehwehchen kamen,
mir bisher unbekannt, dazu,
die immer mehr in Anspruch nahmen
des Ruh’stands trügerische Ruh.

Der Höhepunkt: ‘ne Darmgeschichte,
für die ich unters Messer musst.
Betrachtet man’s in diesem Lichte,
verschafft die Rente keine Lust.

Wo ist die Brille denn schon wieder,
ich hab sie grad doch noch gesehn!?
Na, denn mal hoch die müden Glieder!
Verzeiht, muss erst mal suchen gehn.

Alle Zeit der Welt

Alle Zeit der WeltNa, nun mal raus aus der Matratze,
aus deinem weichen Rentnerpfühl!
Die Uhr zeigt neun schon, und ich ratze
wie’n Kleriker im Chorgestühl.

So ist das mit ‘ner Pfründe eben:
Du bist von jeder Pflicht entblößt
und kriegst die Mittel doch zum Leben,
ob du nun wach bist oder döst.

Jetzt kannst du dir die Faulheit leisten,
da dich der Fiskus zwangsernährt –
nicht als ‘nen Arbeitsscheuen, dreisten,
nein, weil du dich im Dienst bewährt.

Nach ungezählten harten Jahren,
die an ‘nem Schreibtisch du verschwitzt,
gilt’s nun die Euros einzufahren,
die man im Sessel sich ersitzt.

Ist es ein Wunder, dass die Muße
nach Strich und Faden man genießt?
Steht man denn nicht auf gutem Fuße
mit einer Zeit, die zäher fließt?

Nicht in den prasselnden Kaskaden,
in denen sie ab Montag rann,
ins „Wochen-Bett“ sich zu entladen,
als ich noch übern Akten sann?

Und aus dem Wirbel der Gezeiten,
der jeden Arbeitstag berennt,
mich ein paar Stunden nur befreiten
am heiß ersehnten Wochenend?

Doch wenn ich’s ehrlich überdenke
und objektiv Vergleiche zieh:
Die Zeit spinnt immer ihre Ränke
und bricht sich selbst gern übers Knie.

Ob ich im Kissen sie verschlafe,
ob wachend im Büro ich weil –
als Vorgeschmack der Todesstrafe
schwingt stets sie ihr Sekundenbeil.

Und ohne jemals Luft zu holen
und dass sie je ermüdet wär,
stürmt vorwärts sie auf Gummisohlen,
beständig hinterm Leben her.

Wie dieser Furie begegnen?
Geschlossnen Lids sie ignoriern,
dass ihre Sprünge, die verwegnen,
in tiefen Träumen sich verliern?

Ach, lieber anders sich entscheiden:
Der Zeit nicht aus dem Wege gehen.
Denn täglich länger an ihr leiden
heißt länger auch ins Aug’ ihr sehn.

Halbjahresbilanz

HalbjahresbilanzEin halbes Jahr nun schon in Rente!
Und? Fließt sie ruhiger, die Zeit?
Vermehrten sich die Glücksmomente,
seitdem die Arbeit nicht mehr schreit?

Frühmorgens reißt kein Radiowecker
mich aus des Schlummers schönster Stund –
dem Störenfried zog ich den Stecker
und stopfte ihm den Quasselmund.

Erwacht, dreh ich mich noch im Kissen
dreimal, bevor ich ihm entwisch,
und dreimal länger kau den Bissen
gemütlich ich am Frühstückstisch.

Und auch die andern Rituale
verlaufen nun mit mehr Bedacht –
warum auch, dass mit einem Male
dem Stuhlgang man noch Beine macht?

Da mich Termine nicht mehr drücken
und keine Akten ich mehr wälz,
füll ich mit Muße mir die Lücken –
doch nicht wie auf dem Bärenpelz!

Gemächlich, doch mit festem Rahmen,
in den ‘ne neue Pflicht gespannt:
Geschäfte, die zu kurz stets kamen,
die nehm ich endlich in die Hand.

Auf Vordermann die Bude bringen,
die Patina längst angesetzt,
gehört mit Vorrang zu den Dingen,
die ich nun treibe – ungehetzt.

Doch was ich tue auch und lasse,
es ist von keinem Zwang diktiert.
Der Freiheit ganzes Ausmaß fasse
ich jetzt erst, alt und pensioniert.*

(*Dies Wörtchen dient dazu, zu spalten
Bürovolk von Beamtenschaft.
Man soll es nicht für möglich halten,
dass dieser Dünkel noch in Kraft!)

Am Sonntag geh ich Flieder gucken
entspannt am Osterbekkanal.
Der Montag kann mich nicht mehr jucken:
Zurück zum Job? „Es war einmal …“

Das Wochenend vom alten Schlage,
das ständig ich herbeigesehnt,
es hat für mich die beiden Tage
auf sieben nunmehr ausgedehnt.

Jetzt hör ich abends öfter singen
die Amsel oder wer es sei
und zwitschernd um ihr Dasein ringen
ungleich dem Rentner: vogelfrei.

Derweil im schönsten Nest ich hocke
aus hartem, wetterfestem Stein
wie unter einer Käseglocke
und schlürf gebratne Tauben ein.

Ich könnte wohl die Welt genießen
so unbeschwert wie einst als Kind –
würd auch so zäh wie diesem fließen
die Zeit, die mir wie Schaum zerrinnt!