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Fernweh

Inzwischen schon Novembermitte,
und manchen Vogel hält es fest
entgegen lang geübter Sitte
in seinem trauten Heimatnest.

Kopf hoch, ihr lieben Rentnersleute,
der Süden läuft euch ja nicht weg!
Wer heuer noch das Virus scheute,
schnürt morgen schon sein Handgepäck.

Nun ja, entsprechend den Experten
herrscht Sonnenschein am Mittelmeer
mit wohlig-warmen Spitzenwerten
und schwachem Wind von Westen her.

Da sollte man nicht traurig werden
(indes nicht bis zum Tränenfluss),
dass diesem Paradies auf Erden
man zeitlich mal entsagen muss?

Nicht schwierig, euch das nachzufühlen,
mir geht’s ja grade ebenso.
Ich hock im Norden hier, im kühlen,
zehn Grad so unter dem Niveau.

Heut Morgen sah bei starkem Winde
die letzten Blätter ich verwehn,
dass jetzt mit rissig-rauer Rinde
die Bäume nackt am Wege stehn.

Und wie sie so zu Boden fielen,
bestrahlt vom frischen Tagesstern,
sah ich das Licht auf ihnen spielen,
als ob es goldne Taler wärn.

Auch schienen sie wie großen Flocken
in ihrem dichten Defilee,
die braungebrannt und knochentrocken
des Herbsts Pendant zum Winterschnee.

Sind das indessen Schreckensbilder,
die es nun auszuhalten gilt,
weil nach Regionen, süßer, milder,
die Sehnsucht diesmal nicht gestillt?

Man muss vor ihnen gar nicht fliehen,
sind sie doch reicher Freuden Bronn.
Selbst Vögel, die ins Blaue ziehen,
sie schwärmen manchmal noch davon.

Rüstige Rentner

Ein Rentner, rüstig noch an Leibe
und noch von geistiger Potenz,
sucht, dass die Zeit er sich vertreibe,
sich gern noch einen zweiten Lenz.

Und wenn ihm durch sein spätes Balzen
noch mal ein großer Wurf gelingt,
kann er mit einem Weibchen walzen
im Abendrot, das sacht verklingt.

Doch wer nicht zum Charmeur geboren,
der bis zuletzt die Herzen bricht,
muss wohl im eignen Safte schmoren,
auch wenn ihn noch der Hafer sticht.

Da heißt’s dann fleißig sublimieren,
was da an Lust noch heimlich gärt,
und sich an andrem delektieren,
das einem leidlich Trost gewährt.

Zum Glück gibt’s mille Möglichkeiten,
man greif nur in den vollen Topf:
sei‘s Jogging, sei es Ponyreiten,
Mikado oder Doppelkopf.

Auch kann Geselligkeit man pflegen
im Wander- oder Sportverein
sowie sich auf die Kunst verlegen
mit Pinsel auf Papier und Lein.

Doch wolln wir die auch nicht vergessen,
die gern verweiln beim Gerstensaft,
um literweise auszumessen
der Altersblase Fassungskraft.

Wie viele aber der Gestalten,
die unter Palmen promeniern,
es so als frohe Zecher halten,
soll uns nicht weiter int’ressiern.

Hier lediglich in eigner Sache
ein Hinweis zu dem Phänomen:
Dass ich so fleißig Verse mache,
kann ja als Hobby bloß geschehn.

Müsst ich mein Brot damit verdienen,
das Hungertuch wär mir gewiss,
denn statt der funkelnden Zechinen
erhielt als Lohn ich wohl Verriss.

Drum kann ich fröhlich dilettieren,
Gewinn ist nicht mein A und O.
Muss keine Rezensenten schmieren –
die Rente reicht ja grade so.

Auf Sonnenkurs

Wie ich wohl öfter schon erwähnte,
kein Hahn mich aus den Federn kräht;
mein Ruhstand sich inzwischen dehnte
auf … Kinder, wie die Zeit vergeht!

Wie wehrt man diesem steten Fließen?
Verändrung, Wechsel, dacht ich halt.
Und: Ist der Sommer zu genießen,
doch nicht der Winter, nass und kalt.

So habe ich mich denn entschlossen,
zu überlisten Vater Frost,
‘ne Abschiedsträne noch vergossen –
und auf nach Süden, ab die Post!

Drei Stunden Fluges abgesessen
und raus in eine andre Welt.
Zwar wird auch hier in Grad gemessen,
doch selten nur die Säule fällt.

Fast hätt gejauchzt ich vor Vergnügen,
die Sonne schien noch pur und prall,
doch wie’s halt ist bei solchen Flügen,
man ist als Mensch kein Einzelfall.

Die Rentner schweben zu Millionen
hier mit dem Billigflieger ein,
in ihrem Wabenturm zu wohnen,
Balkon in Richtung Sonnenschein.

(Ich lass die kleine Schar beiseite,
die Finca-Freuden hier genießt
mit Meerblick oder sonst’ger Weite,
die von den Hügeln sich erschließt.)

Da kriegt‘ ich gleich den ersten Dämpfer
für mein naives Wagestück –
ich bin wohl gar kein Einzelkämpfer,
wenn ich den Tag hier unten pflück.

Und sah auch bald an Strand und Hafen
Betagte viel und nordisch blass,
die Herbst und Winter hier verschlafen
bei Rotwein, Bier und Klaberjass.

Doch wenn im Frühling dann ihr Feuer
die Sonne immer stärker schürt,
ist manchem schon nicht mehr geheuer
die Glut, die ihn hierhergeführt.

Allmählich lichten sich die Reihen,
die Rentnerquote siecht dahin,
und Ende Juni sieht von dreien
nur einer noch im Bleiben Sinn.

Die Flieger füllen sich nun wieder
mit Passagiern bis an den Rand
und kommen erst in Ländern nieder,
wo dieser Vögel Wiege stand.

So mag es die Vernunft gebieten
im Schulterschluss mit dem Verstand,
doch ich, Novize dieser Riten,
wies sie entschieden von der Hand.

Ich lass mich nicht ins Bockshorn jagen
von einer Hitze Schreckensbild,
die so sehr aus der Art geschlagen,
dass sie womöglich Keime killt.

Der Winter ist ‘ne harte Schule,
die man im Norden wuppen muss,
und dieses Völkchen nahe Thule
auch sonst nicht grad aus Zuckerguss.

Drum werde ich die Stellung halten,
was immer auch ins Haus mir steht –
soll sich der Sommer doch entfalten,
bis Tauben er im Fluge brät!

‘nen Vorgeschmack konnt ich schon kriegen,
so einen Tag mit Wüstenhauch:
Den ließ ich links noch locker liegen –
doch etwas mulmig war mir auch.

Fidele Rentner

Schön falschDas Bild, das sich die Leute machen
von einem, der schon pensioniert,
ist meistens schief und eh’r zum Lachen,
weil`s ihn zum Faulpelz karikiert.

Frühmorgens, wenn die Wecker krähen
das Arbeitsvolk zur nächsten Schicht,
kann er sich auf die Seite drehen,
denn dieser Ruf berührt ihn nicht.

Er kuckt erst mal den Traum zu Ende
und lässt die Lider noch verbleit,
verweilt auch wach noch im Gelände
der Liegenschaft geraume Zeit.

Und erst an Kaffee der Gedanke,
der jäh ihm in die Nüstern schlüpft,
bewirkt, dass mit missglückter Flanke
er endlich übern Rahmen hüpft.

Folgt Frühstück, Zeitung, Mittagshappen,
ein Nickerchen, weil Muße stresst,
dann geht er, sich `nen Kumpel schnappen,
mit dem es sich gut labern lässt.

Ist aber auch `ner frohen Runde
von Mitseniorn nicht abgeneigt,
vorzüglich wenn aus aller Munde
der Blumenduft des Bieres steigt.

Ein Fall, der selten nur gegeben.
Man liegt nicht auf der Bärenhaut.
Die Rente reicht nicht mal zum Leben,
zumal der Staat sie noch beklaut.

Und statt die Jahre zu genießen,
die doch als Lohn der Müh gedacht,
verdingt man sich zum Blumengießen
und Schließerdienst um Mitternacht.

Auch bademeistern geht bisweilen
man für bescheidnes Tagegeld
und Zettel hier und da verteilen,
was gleichfalls über Wasser hält.

Doch Spott, der immer überzogen,
damit er auch Gelächter weckt,
ist nie total herbeigelogen,
weil drin ein Körnchen Wahrheit steckt.

Das aber macht ihn so perfide –
er schildert sie als allgemein:
Aha, die Renten sind solide.
Lieb Vaterland, magst ruhig sein.

Schnippchen schlagen

Schnippchen schlagenSchon wieder Herbst, September wieder.
Dem Sommer geht die Puste aus.
Das Korn fällt auf die Knie nieder.
Der Himmel zieht die Stirne kraus.

Und früher übern Hals gestiegen
kommt diebisch uns die Dunkelheit,
da wir ein erstes Frösteln kriegen,
wenn Sturm uns in die Löffel schreit.

Der Abendmond trägt schon den Schleier
aus feinstem flandrischen Batist:
Nur hinderlich, wenn er im Weiher
sich durch die Entengrütze frisst.

Das grüne Gold der Eichenkronen
glänzt üppig noch um Zweig und Ast –
doch bald auch diese Baumikonen
der Pesthauch des Verfalls erfasst.

Na gut, das ew’ge Stirb und …
Ich sag’s erst gar nicht, kennt man doch;
verkriech mich hinter meinem Herde
und nudel Verse noch und noch.

Das Flämmchen, in Gedanken schweifend,
das rechts hier auf dem Tisch postiert,
als Freudenfeuer eh’r begreifend
denn als ein Grablicht deprimiert.

Ja, so ein Rentner hat gut reden:
Der Herbst flößt Schrecken ihm nicht ein.
Er spinnt schon seine Winterfäden
nach Süden in den Sonnenschein.

 

Pflichtwechsel

PflichtwechselDa ich ja längst im Ruhestande,
sorg um den Montag ich mich nicht,
komm jetzt mit jedem Tag zu Rande,
weil jeder Muße mir verspricht.

Wann soll ich in die Puschen hüpfen?
Na, wann schon – wenn es mir gefällt.
Wann Bande außer Hauses knüpfen?
Na, wie der Dachdecker es hält.

Termine, Fristen, Konferenzen:
Vergangenheit, von Staub bedeckt.
Die einz’gen Zwänge, einz’gen Grenzen
sind die, die ich mir selbst gesteckt.

Die aber nur nicht unterschätzen!
Wenn sich die Pflichten erst verliern,
neigt man dazu, sich hinzusetzen
und Löcher in die Luft zu stiern!

Zeit hat man ja nun jede Menge,
nichts treibt zu irgendwas noch an,
und – morgen! – zieht man in die Länge,
was man auch heut besorgen kann.

So sorglos in den Tag zu leben,
ist auch nicht grad das A und O.
Der Ruhestand gerät daneben,
lautet sein Motto „nitschewo“.

Nun bist der Arbeit Plagegeister
du endlich los in allen Ehrn
und bist dein eigner Herr und Meister –
um dich als solcher zu bewährn!

 

 

Heute mal nicht

Heute mal nichtDie meisten haben ihre Lider
schon zugeklappt auf „Schlaffunktion“;
ich aber hocke wach hier wieder
wie ‘n Nachtportier am Telefon.

Ihr meint, ich sollte mir verknusen
so ‘n Bild, das eher irritiert?
O nein, erwart ich von den Musen
‘nen Anruf doch, der inspiriert!

Und um die Zeit mir zu vertreiben
bis zum entscheidenden Moment,
will ich schon mal in Kladde schreiben,
heißt was man so skizzieren nennt.

Jetzt haben also schon die meisten
die Lider auf „Geschlossen“ stehn,
ich aber (Rentner!) kann mir leisten,
so was wie ‘n Nachtdienst zu versehn.

Wie? Dies hätt ich mit andren Worten
gleich anfangs oben schon verfasst?
Mal gucken… muss die Stelle orten…
tatsächlich! Prima aufgepasst!

Verzeihung, kann ja mal passieren,
wenn man so viel zu Blatte bringt.
Muss nicht den Faden mal verlieren,
wer so wie ich am Schnürchen singt?

Ja, mit den Musen an der Strippe,
ich so was nicht befürchten muss.
Doch hole Hades diese Sippe –
kein Anruf! Na, dann eben Schluss.

Negativer Bilanzgewinn

Negativer BilanzgewinnDa soll mir doch noch einer sagen,
der Staat sei geizig oder so:
Er sorgt für meinen Rentnermagen
und hebt sogar sein Füllniveau!

Mein Glück, ich konnte es kaum fassen,
als mir sein Ukas wurd zuteil,
ich dürfe ruhig weiterprassen,
ja, mehr noch aus dem Grunde, weil

Um 7 Euro (wörtlich: sieben)
man aufgestockt mein Ruhegeld,
damit mir noch mehr Mittel blieben,
mich zu vergnügen in der Welt.

Doch Zweifel wuchsen mir im Herzen,
ob dies kein Danaergeschenk,
um die Befürchtung auszumerzen,
dass groß und göttlich er nicht denk.

‘ne Pizza, Cola und zwei Wiener,
wenn man das mal in Nahrung misst.
Wisst ihr, des Staates teure „Diener“,
wie lange so ein Monat ist?

Das schnöde Trinkgeld kannst vergessen –
‘ne Farce, bloß ein Feigenblatt.
Die Inflation hat’s längst gefressen
und macht Vermieterbäuche satt.

Seit Jahren klaffen die Extreme:
Reich sahnt mehr ab und Arm zahlt drauf.
Nicht dass der Staat nichts unternähme:
Er brezelt die Statistik auf!

 

Muße möglich

Muße möglichAuch heute wieder großes Flitzen,
nach rechts, nach links, mit Höllenlärm.
Die Menschheit kann nicht stille sitzen,
vermutlich Treibstoff im Gedärm.

Der wirkt zum Glück nur ein paar Stunden;
und ist die Pulle wieder leer,
läuft träg man, gleichsam angebunden,
in seiner Hütte hin und her.

Na gut, ich will hier gar nicht lästern,
bin ja als Rentner außen vor;
doch früher (leider nicht mehr gestern)
da fuhr auch ich mit dem Motor.

Jetzt seh gelassen ich das Treiben,
in dem als Kork ich nicht mehr tanz;
kann stets bei meinem Rhythmus bleiben
und fühl von Kopf bis Fuß mich – ganz.

Wer soll Befehle mir erteilen,
bekritteln, was ich dicht und denk?
Kann täglich zum Parnassus eilen
mit einem Lied als Gastgeschenk.

Und wo sind sie, mich einzuengen,
die Netze knapp bemessner Zeit?
Von ihrer Maschen luft’gen Fängen
bin wie ein Goldfisch ich befreit.

Wie kommt’s, dass viele Pensionäre
so auf Geschäftigkeit bedacht?
Sie leiden unter ihrer Leere –
da hilft’s, wenn richtig Wind man macht.

Kleines Bekenntnis

Kleines BekenntnisAm Firmament die trauten Lichter
im rauen Hauch Gewölks erstickt;
der Himmel wie ein einz’ger Trichter,
aus dem die schwarze Tiefe blickt.

Was soll der Nacht ich abgewinnen,
wenn sie nicht funkelt und nicht blinkt;
wie meinen Musenfaden spinnen,
wenn mir kein Stern ‘nen Schimmer bringt?

Da heißt’s die eignen Kräfte sammeln
und höh’re Hilfe gern entbehrn –
aus voller Brust, und sei’s nur Stammeln,
sein schluchzend Herz nach außen kehrn.

Doch wem und was soll ich bekennen?
Das Feld der Liebe liegt ja brach,
und keine Leidenschaften brennen,
nicht einmal ältere noch nach.

Auch will ich Augustin nicht gleichen,
der Gott als Sünder sich bekannt
und noch die kleinsten Kellerleichen
demselben groß und breit genannt.

Doch liegt mir daran, zuzugeben,
was ich bisher verhehlt der Welt:
dass dieses müß’ge Rentnerleben
mir manchmal auf die Nerven fällt.

Am Tag erled’ge ich die Dinge,
wie sie im Haushalt stets getan;
zur Abendunterhaltung singe
ich Lieder mir als eigner Schwan.

Doch ist nicht Dichten so wie Golfen
ein Zeitvertreib gesetzter Herrn,
die lendenlahm und unbeholfen
sich gegen die Verrostung sperrn?

Wie gerne schlüg ich meine Zeilen
nicht ungelenk ins Blaue nur,
bloß um ein Steckenpferd zu reiten,
das angesehen und à jour!

Am liebsten wäre mir, sie schafften
in tausend Herzen es hinein,
um da wie Kletten anzuhaften
und ihnen Ohrwurm stets zu sein.

Das würd ein wenig mich versöhnen
mit dem Retour zum Kinderspiel:
Die Welt verbessern und verschönen –
ach, auch für Rentner noch ein Ziel!