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Sommerspaziergang

SommerspaziergangEin schwüler Tag liegt mir im Rücken,
und vor mir glimmt das Kerzenlicht.
Ich greif, mich übers Blatt zu bücken,
den Stift, der mir zum Munde spricht.

Den drängt es heute, zu erzählen,
mein Plazet schon vorausgesetzt,
ich hätt an lauschigen Kanälen
mit Muße meinen Fuß benetzt.

Und hätt an Büschen wie an Bäumen
und ihrem Schatten mich erfreut,
wo an den dichten Ufersäumen
die Graugans sich ins Grün gekäut.

Und hätte Stümpfe dort gesehen
von Hölzern, glatt wie Chorgestühl,
die da als Bänke gleichsam stehen
für Hintern mit Naturgefühl.

Dazu die abgeknickten Stämme,
die übers Wasser sich gereckt –
zwar gegen Fluten keine Dämme,
für Entennester doch perfekt.

Und hätte an den Schrebergärten,
die bald ans Ufer sich geneigt,
den unbekannten Weggefährten
als wackrer Wandrer mich gezeigt.

Genug! Mehr soll er nicht enthüllen,
der Stift, der gerne fabuliert,
zig Seiten würd er mir sonst füllen
mit Zeug. das niemand int’ressiert.

Ein bisschen Luft wollt ich nur schnappen,
solange es nur eben ging,
bis sie den Seidenfaden kappen,
an dem der schwarze Himmel hing

Und sich die jäh befreiten Massen
der wässerigen Wolkenfracht
enthemmt ins Leere fallen lassen,
dass es die schönste Sintflut macht.

Der Guss ist aber ausgeblieben.
Hab ächzend mich nach Haus bewegt,
den Schweiß mir von der Stirn gerieben
und, seht, gleich lyrisch losgelegt!

Erzwungener Konsumstopp

Erzwungener KonsumstoppWie schwer ist es mir heut gefallen,
nicht aus der Bude rauszugehn,
um auf versierten Zehn und Ballen
‘ne Runde um den Block zu drehn.

Da hock ich in ‘ner stillen Ecke,
die Stunden dösen vor sich hin,
und schläfrig immer wieder recke
zum Fenster ich mein Doppelkinn.

Denn nur zu gerne wollt ich wissen,
ob sich das Wetter noch besann
und statt des Prädikats „Beschissen“
den ersten Schönheitspreis gewann.

Dann wär ich schnell noch mal gelaufen,
als wären Flügel mir verliehn,
um ohne vorher zu ersaufen
‘nen Laden mir an Land zu ziehn.

‘nen Supermarkt mit alln Genüssen,
die sich der Appetit ersann,
auf die indes bei Regengüssen
er locker auch verzichten kann.

Da konnt ich aber lange warten,
von Umschwung nicht die kleinste Spur.
Die Wolken fröhlich weiter karrten
ihr graues Elend auf die Flur.

Und schließlich gab ich mich geschlagen
und fand mich ab mit dem Arrest,
fast dankbar schon für das Behagen
in meinem warmen, trocknen Nest.

Besorgt nur um mein Wohl und Wehe
und dass mir nicht der Magen groll,
ich noch mal in den Kühlschrank spähe:
Der ist noch für ‘ne Sintflut voll!

Relativ ruhig

Relativ ruhigHeut wird die Stille unterbrochen,
die sonst im Hause ich erlebt.
Geräusche stets ans Ohr mir kochen,
wie’s Blasen aus der Pfanne hebt.

Es muss an diesem Freitag liegen,
der voll aufs Wochenend gestimmt
und möglichst viel davon zu kriegen,
sich jetzt schon jede Freiheit nimmt.

Ringsum was für ein Budenzauber;
das kichert, schwatzt und quietscht nur so,
und zwar je später, desto tauber
fürs angemessne Lärmniveau.

Das ist wohl kaum zu übertönen,
von Menschen schwerlich jedenfalls;
der Himmel nur kann mächt’ger dröhnen,
wenn er mal brüllt aus vollem Hals.

Und prompt, als wollte er’s beweisen
der übermüt’gen Erdenbrut,
schickt Blitz und Donner er auf Reisen
in finstrer, jäh erwachter Wut!

Ist das ein Flackern und ein Krachen
da übern Bergen, überm Meer,
und stürzt sich noch mit hundert Sachen
‘ne ganze Sintflut drüber her!

Mir wird ein bisschen flau im Magen.
Im Hause herrscht nun Stille pur.
Ach, lieber sein Gekreisch ertragen
als diese Hölle der Natur!

 

Landregen

LandregenNun seh ich wieder keine Sterne,
der ganze Himmel ist bedeckt
und hat die goldnen Apfelkerne
tief im Gehäuse wo versteckt.

Versteht sich, dass auch den Trabanten,
wenn er denn heute Nacht erschien,
die Wolken völlig überspannten,
dass unsichtbar er müsste ziehn.

Aus dieser schmutzig-grauen Decke
es unaufhörlich rauscht und rinnt,
dass das Gemäuer feuchte Flecke
und der Asphalt an Glanz gewinnt.

Und aus dem Regen ‘s wie Geraune,
Gemurmel mir herüberweht,
als wären Feen da und Faune
und flüsterten ihr Nachtgebet.

Die Büsche unten an den Wegen
sehn auch schon aus wie Schilf und Ried.
Noch ein paar Tage mit dem Regen,
dann ist zum Sumpf kein Unterschied.

Man könnte melancholisch werden.
Schon schwappen Flüsse übern Rand.
‘ne neue Sintflut hier auf Erden?
Landunter an der Waterkant?

Sollt ich mir Noahs Arche bauen?
Die würde sicher schief und leck.
Doch kann wie er ins Glas ich schauen –
und komm schon so darüber weg!

Nachbar Noah

Nachbar NoahDa liegen friedlich sie und schnarchen
sich von des Tages Sorgen frei
in ihren fest vertäuten Archen
fernab vom Immobilienhai.

Und keine Sintflut kann sie schrecken,
kein Blitz, der aus den Wolken fährt,
kein Donner sie aus Träumen wecken,
der sie das große Fürchten lehrt.

Die städt’schen Fluten eher nippen,
Naturgewalt ist zahm und matt;
kein Schiff zerschellt hier an den Klippen,
keins landet auf dem Ararat.

Die einzigen Erschütterungen,
die Angst bereiten und Verdruss,
entstehn, wenn höher sich geschwungen
die Miete, die man löhnen muss.

Was allerdings nach fester Regel
sie rhythmisch immer wieder tut,
indem ihr Spiegel und ihr Pegel
nach oben rückt in Richtung Flut.

So füllt der Hai sich seine Scheuer –
Tribut, dass er nicht tödlich beißt
und dieses Archenabenteuer
mit weitem Rachen nur umkreist.

Das Gute nur bei allen Lasten,
wie sie beharrlich sich erhöhn:
Ich halt’s wie Noah mit dem Kasten
und trink ihn mir mit Trauben schön.