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Fallobst

Bisher hab vor den Jahreszeiten
noch keinen Bammel ich verspürt,
da sie behutsam vorwärtsschreiten,
wie von ‘nem Blindenhund geführt.

Wie denn im Frühling sich nicht freuen,
wenn aus der Erde reichem Schoß
die alten Schätze sich erneuen,
die kurz da eingekellert bloß?

Und wenn zur Sommerzeit die Ähren
in langen, goldgelockten Reihn,
indem sie von der Sonne zehren,
den Fluren ihren Glanz verleihn?

Und wenn auf winterharter Scholle,
mit einem Hauch von Schnee bepelzt,
die schwarze, immer würdevolle
Frau Krähe durch den Nebel stelzt?

Genauso könnt vom Herbst ich sagen,
dass es an Reizen ihm nicht fehlt,
wozu auch, weil sie Früchte tragen,
die Fülle seiner Pflanzen zählt.

Doch hier liegt auch der Hund begraben,
dass er nicht ganz geheuer ist,
denn mit den weit verstreuten Gaben
verbindet sich ‘ne Hinterlist.

Habt ihr’s schon einmal knistern hören
und jäh darauf ‘nen kurzen Knall?
Dann könnt ihr, glaubt mir, darauf schwören,
es war ‘ne Frucht im freien Fall!

Und keine Eckern, keine Eicheln
und anderes, was wenig wiegt,
die bestenfalls den Scheitel streicheln
dem, der davon was abgekriegt.

Du hast ‘nen kleinen Trip genossen
und biegst in deine Straße ein,
da bombardiern dich mit Geschossen
die Bäume gleich am Wegesrain!

Was aber sind das für Kaliber –
kaum mag ich meinen Augen traun!
Ein Traumformat für Waffenschieber:
Groß, kantig, hart. Kastanienbraun.

Balkon-Schau

Weit kann der Blick von hier nicht schweifen,
verfängt sich rasch in Busch und Baum;
das Dickicht wuchert schon zum Greifen
bis unten an den Kellerraum.

Doch lässt nur umso höherschlagen
ein Herz, das der Natur geneigt,
ums hoch auf den Balkon zu tragen,
wo sie ihr ganzes Können zeigt.

Dies große Grün, mit dem die Schöne
sich stolz bis an den Himmel reckt,
ist ja ein Spiel der feinsten Töne,
das jede Krone anders fleckt.

Zu mannigfachen Höhenstufen
sind auch die Wipfel aufgeführt,
die damit zig Etagen schufen,
in denen sich das Leben rührt.

Da flattert grad ‘ne Ringeltaube
der Birke auf den höchsten Ast,
wo schwankend sie im lichten Laube
den Flugverkehr ins Auge fasst.

Bald folgt ihr auch schon eine andre
auf dieser schmalen Stiege nach,
dass scheu sie ihr entgegenwandre
ins weit gewölbte Brautgemach.

Ich will nicht weiter sie belauschen,
auch hier sei Diskretion gewahrt.
Die Blätter hör ich ringsum rauschen
und jeden Baum auf seine Art.

Auch Kühlung sie mir rüberfächeln
zu meinem luft’gen Logensitz,
ersparn mir, wie ein Hund zu hecheln
und dass ich Blut und Wasser schwitz.

Doch muss ihr Grün nicht auch ermüden
den Blick, der sich an Farben schärft
und von den Chlorophyll-Etüden
vielleicht zu guter Letzt genervt?

Das wär gewiss kein rechter Sommer,
hätt er den Pinsel nicht dabei
und nur ein Wunsch es wär, ein frommer,
dass er ein Tintoretto sei!

Am Fuß der monochromen Szene,
ein Dutzend Meter nur vom Haus,
packt er nach kurzer Quarantäne
die blühendste Palette aus.

Hier strahlend weiß der Oleander
als Quintessenz der Farbenpracht,
da rosig kriechender Gamander,
der höflich ihm den Buckel macht.

Doch alles in den Schatten stellen,
zu ganzen Büschen schon gediehn,
Hortensien, die zu Kugeln schwellen
von Lila und von Karmesin.

Sommers Erwachen

Sommers Erwachen, Claude MonetWie pünktlich ist der Sommer eingetroffen,
und wie der Frühling sich sofort verkroch!
Im Guten selbstverständlich, wolln wir hoffen:
“Leb wohl, und viele schöne Tage noch!“

Voll Blumen hinterließ er uns die Fluren,
die er des Winters kaltem Schoß entriss –
erst einzeln und danach in ganzen Fuhren
dem Horror unterird’scher Finsternis.

Mag nun der Sommer mählich reifen lassen,
was jener bis zur Blüte schon geführt,
bis die Natur auf allen ihren Gassen
die Gegenwart der süßen Früchte spürt.

Die 4. Strophe, diese, wollt ich weihen
dem Farbenrausch der Juli-Sinfonie –
doch will’s im Ansatz mir schon nicht gedeihen:
Der Taktstock klemmt auf einmal irgendwie.

(Wie peinlich ist’s mir, Les’rin, auszufechten
vor aller Augen hier den Seelenstrauß –
doch widersteht man jenen innren Mächten,
die heimlich herrschen in des Fleisches Haus?)

Drum soll der Lenz nicht einfach so verschwinden,
so völlig ohne Lob und Dankbarkeit –
will rasch ihm noch ein Lorbeerkränzchen winden,
dass auch besiegt erhobnen Haupts er schreit’.

O Frühling, schweigend bist du hingegangen,
dem Windhauch gleich, der leise sich verweht,
wie Röte auf beredten Mädchenwangen
in stille Blässe wieder übergeht.

So sang- und klanglos unsrem Blick entschwunden,
als wär ein Abschied nicht der Mühe wert,
als schämtest du dich deiner Erdenstunden,
weil du nicht selber Früchte auch genährt.

Doch unsre ganze Seligkeit hienieden
entspringt der Saat, die du einst ausgestreut.
Erst jetzt begreifen wir’s, da du verschieden
bei aller Glockenblumen Wehgeläut.

Wer ließe sonst so deutlich uns empfinden,
wie Leben aus den tiefsten Grüften steigt,
den muffig-feuchten und den maulwurfsblinden,
und sich so frisch und ungebrochen zeigt,

dass es im Kuss der apollin’schen Strahlen,
von göttlichem Verlangen ganz durchglüht,
aus seinen unsagbaren Winterqualen
sich in die Freiheit lichter Lüfte blüht?

Die Sommersonne brennt, doch ohne Feuer,
bebrütet nur, was Leidenschaft gebar,
dass sie, bemutternd bloß, die Frucht erneuer,
die bald sie opfert auf dem Herbstaltar.

Die Triebe aber, die dem Lenz entsprießen,
sie welken nicht und wittern nicht dahin.
Ja, immer höher nur ins Kraut sie schießen
mit übermütig-jugendlichem Sinn.

Wenn schließlich dann in seinen reifen Tagen
der Sommer prächtig sich durchs Leben schlägt,
wird manchmal wohl ihn sein Gewissen fragen,
wer diese Bahn so rosig ihm gelegt.

Sommerwetter

imagesC0U5A4LHEs blitzt und donnert. Sommerzeit.
Der Abend ist noch frisch.
Ich hocke, dichte, Beine breit
an meinem Musentisch.

Vom Straßenpflaster tönt es feucht
vom Rieb der Reifen her.
Am Himmel pulsend ein Geleucht
in Wolken, schwarz und schwer.

Gelegentlich vernimmt man auch
ein fernes, dumpfes Grolln –
wie Räder, die in Qualm und Rauch
auf ihren Sphären rolln.

Wie ein Karnickel schmieg ich mich
in meinen kleinen Stall.
Es rauscht und regnet, Strich um Strich –
ein feiner Wasserfall.

Direkt vor meiner Nase hält
der Rote mir die Wacht,
der, wenn mich feindlich Durst befällt,
ihm wehrt mit Traubenmacht.

Versteh indes: Ich klage nicht;
ich stelle einfach fest –
sitz selbst ja hier bei Kerzenlicht
im warmen Küchennest.

Was schert mich, wenn ein jäher Stoß
mir die Gardine bläht?
Ein bisschen Kühlung, denk ich bloß,
in dieser Luft, die steht.

Und wenn auch mal ein volles Pfund
der Sturm ans Fenster fegt:
Ein Schwall von Tropfen, der, na und?,
die Scheibe nicht zerschlägt!

Ich schreibe. Schau nur ab und an,
ob’s nicht inzwischen schneit.
Gemächlich schreib ich weiter dann.
O schöne Sommerzeit!

Die schwülen Tage

zu_warmDie schwülen Tage, wenn wir leiden,
gehn rascher noch als sonst herum.
Bloß nicht bewegen, alles meiden,
was steigert dies Martyrium!

Der Slogan mag uns davor schützen,
dass heftiger der Schweiß noch rinnt,
und jene Trägheit unterstützen,
die ständig auf Vermehrung sinnt.

Doch ist die Zeit nicht eingefroren,
die wie ein vorgeheizter Fluss
bei jedem Wetter ungeschoren
in freier Strömung fließen muss.

Und die nicht nur in Dimensionen
des Universums unvereint,
nein, auch im Kosmos der Neuronen
dem Schädel oft verschieden scheint.

Genauer: Wenn mit regem Leben
und Neuem wir den Alltag fülln,
den Sinnen ständig Nahrung geben
an Reizen, sie nicht zuzumülln

Doch Welten ihnen zu erschließen,
die ihnen fern und fremd noch warn,
dann mögen Monate verfließen,
die wir im Herzen zähln nach Jahrn.

Und umgekehrt, wenn stubenhockend
wir uns in Däumchendrehn verliern
und andres nicht als Bier verbockend
nur glasig in die Röhre stiern

Und schaun dann, so aus Langeweile,
mal auf die Uhr gelegentlich,
dann wundern wir uns ob der Eile,
mit der auch dieser Tag verstrich.

So quälen sich dahin die Stunden,
gelähmt von Hitze, halb erstickt –
doch zügiger fährt seine Runden
der Zeiger, der die Zeit vertickt.

Ist nicht die Möwe zu beneiden,
die wie ein weißer Blitz durchschießt
des Dämmers trübe Schattenweiden
und schweigend ihren Flug genießt?

Ein Lüftchen weht

lueftchenEin Lüftchen weht, und die Gardine,
wie hübsch sie in den Hüften schwingt!
Das dank ich meiner Windmaschine,
die Kühle in die Küche bringt.

Die Fenster halt ich fest verschlossen,
damit mir nicht durch einen Spalt
wie laues Spülicht komm geflossen
ein Hauch, der eher schwül als kalt.

Für eine wetterfühl’ge Seele,
wie sie das Schicksal mir verlieh,
bedeutet eher es Gequäle,
was andern Grund zur Euphorie.

Wie ich es hasse, wenn die Birne
mit saurer Feuchte sich beschlägt
und man die hohe Denkerstirne
wie einen Tropfenfänger trägt!

Wie ich es hasse, wenn im Nacken
wie eine Schnecke, schleimbewehrt,
ein Etwas, das da nicht zu packen,
bedächtig Richtung Becken fährt!

Wie ich es hasse, wenn im Rücken
der Hemdenstoff, so fein gewebt,
sei es beim Sitzen, Gehen, Bücken
wie ‘n Feudel auf der Pelle klebt!

Ein Lüftchen weht, und die Gardine,
sie tänzelt zwischen Stuhl und Schrank.
Behaglich schnurrt die Windmaschine,
schickt kühle Böen. Gott sei Dank!

Bin ich ein Bauer

sommerBin ich ein Bauer, dessen Acker
mal dringend ‘ne Erfrischung braucht?
Ne, nur ‘n alter Rentenknacker,
den so ‘ne Dauerhitze schlaucht.

Die Sonne schmeißt hier jetzt den Laden.
Und wer vom Fach auf dem Gebiet,
quakt ständig von den höchsten Graden
und breiter noch sein Maul verzieht.

Nun, Wärme mag man ja genießen –
doch dass sie auch willkommen sei,
wenn hoch die Temp’raturen schießen,
ist leider Koks, und zwar hoch drei.

Doch die gewohnt, uns einzuseifen
mit ihrem plattesten Kalkül,
auf diese Rechnung sich versteifen:
Mehr Hitze = mehr Glücksgefühl.

Die Welt ist ihnen eitel Eden –
was für Politiker auch gilt,
die gleich gewohnt, stets schönzureden,
für was „der Mündige“ sie schilt.

Und auch die smarten Werbefritzen
gehn ja nach dieser Masche vor:
Ein Arsenal von Gags und Witzen
begöscht das kühle Kundenohr.

Weil „Schachern“ sich zum Leitgedanken
die Menschheit für ihr Sein ersann,
fieln längst auch schon die letzten Schranken –
dass man sich selbst verkaufen kann.

Da wo Geschäfte sich entfalten,
sind immer Lügen mit im Spiel,
mag noch so sehr sein Grinsen halten
der Broker mit dem Dax-Appeal.

Verzeiht, ‘s muss an der Sonne liegen,
ich bin ein bisschen abgeschweift.
Kurzum: ‘nen Brand will ich nicht kriegen,
der mir das Fell vom Leibe streift.

Ich kann mich ja auch so erhitzen,
wie ich es oben just getan
mit den diversen Unmutsspitzen
gegen geschürten Sonnenwahn.

‘ne angenehme Sommerwärme,
nicht schwül, mit einem Lüftchen lau,
genau das ist’s, für das ich schwärme –
und damit basta, Leute. Ciao.

Nun kam er doch

warmNun kam er doch, der lichte, schöne,
der Sommer endlich nach dem Lenz,
und, zack, schon spucken große Töne
die Typen von der Hörfrequenz.

Wie den Bericht sie zelebrieren
auf einmal, priesterlich gekonnt,
die da im Radio reportieren
tagtäglich von der Wetterfront.

Sie jauchzen gradezu Choräle
zu Orgel und Harmonium,
verheißen jeder frommen Seele
den Eingang ins Elysium.

Und preisen so sehr diese Grade,
die manchmal über dreißig gehn,
dass sie die schlimmste Eskapade
der Säule noch als super sehn.

Wobei sie sich so toll gebärden
(wie’s bei ‘ner „Sendung“ zu verstehn),
als wär’s jetzt sonniger auf Erden,
weil selber sie am Knöpfchen drehn.

Ihr Haupt umwallen Sonnenstrahlen,
dem Mund entträufelt Honigseim.
Der Bauer macht sich nur mit Qualen
auf dies Aride seinen Reim.

So wie man einem von Millionen
verkündet, dass sein Los gewann,
euphorisch eigens sie betonen,
wie hoch die Hitze steigen kann.

Dass es ‘ne Menge Zeitgenossen
auch gibt, die höllisch leiden jetzt
und lieber pudelnass begossen,
als von der Sonne Stich geätzt

Ist wohl für die, die moderieren
(entgegen dieses Wortes Sinn),
kein Thema, weil (um zu zitieren):
„Ich denke nicht, darum ich bin.“

Es muss da wohl so ‘n Passus geben
im Rundfunkredakteursstatut:
Nur immer hitzig höher streben,
das tut auch der Karriere gut.

Wie sie akustisch gleichsam grinsen
mit ihres Timbres Äthercharme!
Wahrhaftigkeit geht in die Binsen.
Die Welt ist kalt, selbst wenn sie warm.