Schlagwort-Archive: Stempeluhr

Bürofreuden

Büroambiente. Alltagsszene.
Man klebt am Platz, der abonniert,
wie eine hungrige Hyäne
den Blick auf den PC fixiert.

Gelegentlich die Finger gleiten
über die Tastenreihn dahin,
wobei sich die Pupillen weiten,
zufrieden mit dem Satz und Sinn.

Geräusche eher Mangelware.
Der Schreibtischstuhl knurrt öfter bloß.
Man fährt sich manchmal durch die Haare,
kratzt sich am Kopf gedankenlos.

In diese friedliche Idylle
platzt höchstens mal der Chef herein,
der mit der Weisheit ganzer Fülle
noch nie am Ende vom Latein.

Dann setzt’s womöglich einen Tadel
(mit Lob gehn Chefs ja sparsam um),
den nimmst in deinem Seelenadel
du diesem „Fuzzi“ nicht mal krumm.

Dann führst du wieder an der Leine
die Maus durchs Bildschirmareal,
damit ihr Spürsinn dir vereine
das nöt’ge Datenmaterial.

Beharrlich folgst du ihrer Fährte.
Die Stirn gefurcht. Konzentration.
Wer weiß, wie lange dies schon währte,
da weckt dich jäh das Telefon.

Kollegin… wie war doch ihr Name?
Abteilung hast du mitgekriegt.
Was will zum Teufel diese Dame?
Ob die bei mir auch richtig liegt?

„Zuständigkeit dafür bei Ihnen.“
Dann wird das Thema ausgewalzt.
Ein Feld voll Fallen und voll Minen.
„Was hab ich mir da aufgehalst!“

Im Übrigen Besprechung heute.
Zwei Stunden wieder für die Katz.
So an die dreißig, vierzig Leute.
Und stille ruht der Arbeitsplatz.

Ein paar wie üblich sich berauschen
an ihrem schwafelnden Talent
und sich begeistert selber lauschen.
Der Rest mit offnen Augen pennt.

Nachdem man sich halb lahm gesessen
auf seinem eingekeilten Sitz,
stürzt man befreit zum Mittagessen,
auf das Menü des Tages spitz.

O nein, ist Mittwoch: Leberkäse!
Den kannst du langsam nicht mehr sehn.
War immer ja schon deine These:
Kantinen möglichst weit umgehn.

Du hast den Bauch dir vollgeschlagen
und schon die Müdigkeit beginnt.
Die Lider Blei auf einmal tragen,
und bleiern auch die Zeit verrinnt.

Vermehrter Griff zur Kaffeetasse.
Den Hintern hoch und beug und streck!
Wie ich die Nachmittage hasse!
Die Stunden kommen nicht vom Fleck.

Erlösung endlich. Runterfahren
die Kiste mit der Tastatur.
Am Ausgang warten schon die Scharen
auf das Okay der Stempeluhr.

„Schön‘ Feierabend!“ floskelweise
dir zwanghaft von den Lippen fliegt,
bis dich die Bahn auf schrillem Gleise
noch meilenweit nach Hause wiegt.

Ein Bild aus glücklicheren Tagen,
als früh man in den Dienst geeilt
und mit geselligem Behagen
den Raum mit Tausenden geteilt!

Der lange Marsch zur Arbeitsstelle,
er ist uns heute ja verwehrt;
man hockt allein in seiner Zelle,
den ganzen Tag an Heim und Herd.

Kein Vormann aus der Chefetage
kommt reingeschneit in dein Büro,
dir zu verkünden, deine Gage
verdopple sich ab Ultimo.

Auch liebenswürdige Kollegen
der eher mitteilsamen Art
dich nicht mehr zu zerstreuen pflegen
mit ihrer ständ’gen Gegenwart.

Man kaut auch nicht mehr seine Knochen
als Clique wo im Speisesaal,
du musst dir selbst dein Süppchen kochen,
so wie ‘s dein Gusto dir empfahl.

Und alles dies will man verspielen
zu Hause jobbend, fern der Welt?
Ich frag mich nur, warum so vielen
gerade das so gut gefällt!

Erwachen

erwachenHilft alles nichts, wird Zeit sich zu erheben.
Pitsch, patsch, mit Wasser sich den Dööts beleben.
Die Stoppeln sich vom Kinn rasiern.
Das Radio volle Pulle: Nachbarn nerven.
’nen flücht’gen Blick ins Morgenblättchen werfen.
’ne Stulle sich zum Frühstück schmiern.

Beug, streck – Gymnastik volle fünf Minuten.
Dann schnell zum Klo, es gilt schon sich zu sputen.
Geduscht – und die Klamotten an.
Fehlt selbstverständlich noch das Zähneputzen
(bloß jetzt mit Pasta nicht das Kinn beschmutzen!)
und husch, husch kommt das Kämmen dran.

Den Spiegel an der Wand befragt, den großen,
beruhigt dann die Haustür aufgestoßen
und Richtung Arbeitsplatz marschiert.
Die Steine, Steine immer nur die gleichen,
die Stein um Stein mir unterm Tritte weichen
als kleines steinernes Geviert.

Auch sie kenn ich schon längst, die Hausfassaden,
die stoisch ihre Stirn im Winde baden,
der kühl sie morgens noch umfährt.
Hier nur noch diese Kreuzung überqueren,
der Grünpfeil-Rechtsabbieger mich erwehren –
und da die Klitsche, die mich nährt!

PC anschmeißen, Outlook, E-Mail sichten
und lesend langsam ihre Reihen lichten
und notfalls Antwort gleich erteiln.
Kalender öffnen und Termine kucken,
Papier nachfülln, um gleich mal auszudrucken
des Arbeitstages erste Zeiln.

Dann Aug in Aug mit wem Gespräche führen
und Ohr an Ohr mit Hörer und Gebühren,
Notizen machen nebenbei.
Sich hin und wieder einen Kaffee kochen,
Geschreibsel für die Akte heften, lochen,
sofern nicht speichern als Datei.

Gelegentlich in eine Sitzung rennen,
wo kuchenrund die kleinen Lichter brennen,
um einen Riesentisch verteilt –
die reihum alle sich gewaltig blähen,
um ihre Petitessen rauszukrähen,
da kopfschüttelnd die Zeit enteilt!

Nach ungezählten Worten und Vermerken
begehrt der Magen plötzlich sich zu stärken,
und sei es mit Kantinenkost.
Und durch ein Meer von flücht’gen Mahlzeit-Grüßen
schwirrt man auf appetitbeschwingten Füßen
zu Pfanne, Topf und Bratenrost.

Nachmittags dann noch mal die gleiche Leier,
sofern nicht irgendeine fäll’ge Feier
zu Glückwunsch und ‘nem Schwätzchen lädt.
So gegen fünf den Rechner runterfahren,
Persönliches im Schreibtisch aufbewahren,
den Schlüssel zweimal umgedreht.

Dann nur noch Schrank auf, Sakko überstreifen.
Schon auf der Schwelle: letztes Blickeschweifen,
ob alles richtig aus und zu.
Den Fahrstuhl holen und sich runterrempeln,
um an der Uhr sich glücklich auszustempeln.
Das war’s für heute wieder, puh!

Und wieder längs an diesen Hausfassaden
mit gleichen, aber gegenläuf’gen Waden –
derselbe Fuß, derselbe Schritt.
Dieselben Steine, die am Boden lungern,
nach Leder, Hackenschweiß und Gummi hungern,
dieselben Steine schlurfen mit.

Dann Haustür öffnen und den Kasten leeren:
Reklame, Rechnung, Benefiz-Begehren –
kein rosiges Billet d’amour.
Die Treppe rauf bis in den Dritten steigen,
um mich privat nunmehr als Mensch zu zeigen
und Nachbar auf demselben Flur.

Doch kaum kann ich so weit die Kurve kriegen
und komm auf meine Bärenhaut zu liegen,
scheucht mich die Nacht ins Federland.
Die aber rast dahin mit hundert Sachen,
lässt mich entschlummern, träumen und erwachen:
Schon greift zum Wecker meine Hand…