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Ungeschoren geblieben

Ja, Märchen sind nun einmal Märchen,
sie haben ihre eigne Welt.
Man kann sie nur in Bücher pferchen,
die man in dunkle Ecken stellt.

Wie das vom Kerl, den Schicksalsschläge
jäh an den Bettelstab gebracht,
und der ganz ohne Körperpflege
am Ende doch sein Glück gemacht.

Sich nicht zu schrubben und zu scheren,
zu schnippeln nicht an Haupt und Haar,
mehr mocht der Teufel nicht begehren,
der plötzlich ihm zu Diensten war.

Doch immerhin für sieben Jahre
er ihn dies unterlassen hieß,
dass er danach bis an die Bahre
des Reichtums süße Frucht genieß.

Gleich hat der Bursche eingeschlagen,
weil die Bedingung ihm genehm,
den Leib so zottig rumzutragen,
als ob er aus der Hölle käm.

Er hat’s auch eisern durchgehalten,
wenn’s ihm auch schwer bisweilen fiel,
weil Michel und die Staatsgewalten
kein Faible für den Schmuddel-Stil.

Doch da er reichlich Taler hatte,
die ihm der Teufel zugesteckt,
stand er nie lange auf der Matte,
bis man ein Tischlein ihm gedeckt.

Ja, in den ungezählten Stunden,
die jener ihn so walzen ließ,
hat er gar noch ‘ne Braut gefunden,
die an dem Wildwuchs sich nicht stieß.

So hat den Kürzeren gezogen
der abgefeimte Ziegenfuß,
um eine Seele mehr betrogen
für seine Welt aus Rauch und Ruß.

Wie aber, liebe Konsumenten
der wunderlichen Märchenkost,
ihr Kinder, Mütter, Rezensenten,
versteht ihr hier die Grimm’sche Post?

Dass dem, dem starren alle Glieder
von eingebranntem Höllendreck,
nichts so verhasst und so zuwider
wie Reinlichkeit am Oberdeck?

Wohl wissend, dass ein schwarzer Kragen,
der speckig um den Hals sich legt,
für Menschen schwerer zu ertragen
als Schmutz, der ihre Seele prägt?

Da hat der listige Geselle
die Macht des Geldes unterschätzt,
denn selbst verlauste Bärenfelle
man dafür nicht vom Hofe hetzt.

Doch ist ihm auch der Typ entgangen
zu seinem tierischen Verdruss:
Er hat Ersatz sich eingefangen –
sehr glaubhaft hier als Märchenschluss.

Richtig ungemütlich

richtig-ungemuetlichDie Menschen jagten auf den Straßen
wie Blätter vor dem Winde her –
das blies und brüllte solchermaßen,
als ob’s ihr letztes Stündchen wär.

Den Bäumen schüttelt’s ihre Kronen,
dass es sie fast vom Rumpfe riss:
Ein solcher Sturm, o seit Äonen
sich nicht mehr ins Geäst verbiss!

Wie bin ich bloß nach Haus gekommen?
Im Zickzack trieb es mich dahin
wie’n Hund, der noch nicht eingeschwommen,
die Suppe ständig bis zum Kinn.

Ein Segen, nun daheim zu hocken,
und draußen kracht und kocht es fort!
Im Stübchen sitz ich warm und trocken
und geh nicht mehr so schnell von Bord.

Da plötzlich einer Böe Brausen,
dass meine Tür ‘nen Tattrich kriegt
und ich vermein im ersten Grausen,
dass gleich sie aus den Angeln fliegt.

Für eins, zwei kurze Wimpernschläge
werd irr ich an der Jahreszeit
und glaube, dass im Wildgehege
der Hirsch schon seine Kühe freit.

Dabei blick rasch ich mal verstohlen
auf den Kalender an der Wand,
um mir des Fachmanns Rat zu holen –
noch immer MAI nach neustem Stand!

Ein stürmischer Tag

Ein stürmischer TagMan hatte Angst davonzufliegen,
so wütend tobte heut der Wind,
Südwest, der aus dem Meer gestiegen,
für Landidylle taub und blind!

Zu Berge türmte er die Wogen
und trieb sie heulend vor sich her,
dass sie sich krümmten und sich bogen,
am Strand zerplatzend tonnenschwer.

Und wie vor Wut sie selber schäumten,
dass sie den Hieben ausgesetzt,
und rings das breite Ufer säumten
mit Spitzenhäubchen, die zerfetzt.

Ein Kunststück war‘s, nach Haus zu bringen
den Beutel, der im Winde schwang
und der mit seinen tausend Dingen
ans Bein schlug alle naselang.

Spätabends hörte ich noch rütteln
am Tor den ungebetnen Gast –
wie’n Trupp von aufgebrachten Bütteln,
der hitzig an die Klinke fasst.

Es scheint, er hat selbst ausgeblasen
das gläserne Laternenlicht,
das ab und zu in kürzren Phasen
ersichtlich auf dem Posten nicht.

Die Nacht ist ruhiger verlaufen.
Gestillt des Sturms gewalt’ge Gier.
Nur hin und wieder noch ein Schnaufen.
Dann aber eher wohl von mir.