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Alles verpulvert

Vier Beine, die wie Säulenschäfte
dem bull‘gen Rumpfe unterlegt –
es braucht den Einsatz aller Kräfte,
dass dieser Mammutleib sich trägt.

Wir lassen kurz den Blick mal schweifen,
Europa…Malta…Afrika –
ein Esel jäh mit schwarzen Streifen:
Savanne, super, wir sind da!

Das Tier indes, bei dem ich weile
poetisch heut mit Herz und Hand,
es ist in keiner müden Zeile
der heiß geliebte Elefant.

Wenn in dem Punkt auch zu vergleichen,
dass ihm Trophäen Wert verleihn
und Wilderer ihn gern beschleichen
wie auf der Jagd nach Elfenbein.

Doch aus des Nashorns dickem Zinken
wer schnitzte sich ‘ne Gemme schon,
‘nen Sessel, zünftig einzusinken
in den erlesnen Fürstenthron?

Kein Schwein ging solcher Künste wegen
mit diesem schnaubenden Koloss
sich Aug in Auge anzulegen –
es wär denn ein Rhinozeros.

Doch in dem dicken Horngebilde
verbirgt sich ein begehrter Schatz,
den nicht nur der vermeintlich Wilde
erstrebt bei seiner Nasen-Hatz.

Der Höcker, Feinde zu vertreiben
mit seinem mörderischen Stoß,
er lässt zu Pulver sich zerreiben
mit Kräften, heißt es, riesengroß.

Geht jedem Übel an den Kragen,
vom Rheuma bis zum Tinnitus –
auch dem, mit dem der Mann geschlagen,
macht ihm die Männlichkeit Verdruss.

Doch nichts davon ist je bewiesen
und bleibt ein pures Hirngespinst,
wie denn ja oft aus Expertisen
der Geist der Narretei nur grinst.

Der Mythos aber war geboren,
der in die Birne eingebrannt
von Hypochondern und Senioren
mit mehr Vermögen als Verstand.

Der Graue hat es auszubaden,
der gar nicht weiß, wie ihm geschieht,
dass er auf seinen Trampelpfaden
so häufig eine Knarre sieht.

Würd er den Grund davon begreifen,
ich glaub, sein dicker Schädel gar
mit seines Hirns begrenzten Schleifen
fänd dieses mehr als sonderbar.

Warum, würd er verdutzt sich fragen,
jagt man ‘ner Sache hinterher,
die an die Knolle angeschlagen
als Waffe lediglich und Wehr?

Das wird allein die Menschheit wissen –
die allerdings sich selbst verkennt
und mit den windigsten Prämissen
am liebsten gegen Wände rennt.

Man nehme nur die Religionen,
dern Dogmen längst schon widerlegt
und die doch tief im Herzen wohnen,
wo immer auf der Welt es schlägt.

Der Mythos von dem jungen Gotte,
der stirbt und wieder aufersteht,
noch immer dem Verstand zum Spotte
der Wahrheit eine Nase dreht.

Körperkunde

koerperkundeDie Lupe, dies gestielte Auge:
Ein Zeichen, dass ich älter werd.
Wenn Winz’ges in den Blick ich sauge,
sie freundlich mir sein Bild vermehrt.

Was hat an anderen Gebrechen
mir noch beschert der Jahre Lauf?
Dass ich auf weiten Schädelflächen
mir längst nicht mehr die Haare rauf.

Auch macht mir eines meiner Ohren
seit Jahr und Tag ganz schön Verdruss:
Es pfeift und zwitschert mit sonoren
Akkorden namens Tinnitus.

Da muss ich mir mein Bäuchlein preisen,
das unverändert sich erhielt,
weil mittels Rumpf- und Hüftenkreisen
ich einen Status quo erzielt.

Doch sollt ich alles bilanzieren,
die Feder stünde mir nicht still,
indes Altmänner-Lamentieren
ich lieber euch ersparen will.

Das Glas, kann ich von Glück noch sagen,
in das ich meine Klüsen tauch,
ist trotz besagter Altersplagen
die einzge Krücke, die ich brauch.

Am besten nach erfülltem Leben
scheint mir die Kehle noch in Schuss,
bereit, ihr Äußerstes zu geben,
was immer sie auch schlucken muss.

Wer würd in Trübsal da versinken,
solange dies Organ intakt?
Lasst auf ihr Wohl mich einmal trinken
und dass sie’s weiterhin so packt!

Nur Kleinkunst

Nur KleinkunstDer Abend will zur Neige gehen;
zur Hälfte ist das Wachs verbrannt –
doch dürftig sind erst die Trophäen,
die ich dem Helikon entwand.

Das trübe Fazit vieler Stunden,
da brütend überm Blatt ich hing:
dass ich den Ton nicht recht gefunden,
mit dem ich sonst mein Liedchen sing.

Doch soll’s Papier darunter leiden,
dass ihm der Schmuck der Kunst verwehrt?
Ich will in ein Gewand es kleiden,
das schlichter, aber nicht entehrt.

Bin schon dabei, daran zu stricken,
wozu mir eine Nadel reicht –
der Stift nur, der in Augenblicken
die größten Flächen überstreicht.

Drum fehlt nicht viel, es zu vollenden
in der geschilderten Manier
und ohne den Geschmack zu schänden,
dass er im Faden sich verlier.

Hab übertriebne Ambitionen
mit diesem Stück ich auch zerstreut,
würd meine Mühe es doch lohnen,
wenn’s, Leserin, dich trotzdem freut!

Ein Lehrstück! Sieh, mit welchen Tücken
man als Poet so kämpfen muss:
‘nem schweren Kopf, ‘nem Magendrücken –
und mit der Wanduhr Tinnitus.

 

In der stillen Stunde

In der stillen StundeMein Flämmchen flackert um sein Leben
so ungestüm, verzweifelt, wild,
um fort von diesem Schwall zu streben,
der mächtig aus dem Heizer quillt.

Daneben ungerührt die Flasche,
den Glasleib noch von Wein beschwert,
aus der von Zeit zu Zeit ich nasche,
dass sie im Hirn mir weitergärt.

Allmählich ist die letzte Ecke
des Raums mit warmer Luft getränkt,
was meinem dichterischen Zwecke
ein wohliges Ambiente schenkt.

Gesteigert noch von jenem Lichte,
das trübe aus der Küche glimmt
und in dem edlen Leuchtverzichte
nur wenig mir vom Dunkel nimmt.

Auch draußen Stille unterm Himmel.
Kein Laut, der aus dem Rahmen fällt.
Das Kirchlein drüben hat’s Gebimmel
für heute gnädig eingestellt.

Die Brandungswellen hinterm Hause
falln tosend mir nicht mehr ins Ohr
tinnitisch gleichsam, machen Pause
so wie ihr Chef, der Wind, zuvor.

Ja, um das Glück zu komplettieren
an diesem musenträcht’gen Flair,
gehn jetzt sogar auf allen vieren
die Nachbarn mäuschenstill umher.