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Nachhall

NachhallDa drüben diese Wohnmaschine,
mein Gegenüber im Quartier,
verzieht auch heute keine Miene,
wenn ich sie angestrengt fixier.

Dieselben ausdruckslosen Augen,
dieselbe hartgesottne Stirn.
Kein Grund, mich daran festzusaugen
mit meinem hungrigen Gehirn.

Das Fest ist drüber weggegangen
und hinterließ nicht eine Spur.
Die Schatten auf den bleichen Wangen:
des Regens kalte Tränen nur.

Doch müssten nicht die Wände wanken,
nicht die Fassaden sich verzerrn,
bewegt vom einzigen Gedanken:
„Frohlocket der Geburt des Herrn!“?

Sie stehen, wie sie immer standen,
seitdem die Mauerleute fort –
wie Klippen, um die Wogen branden,
unwandelbar an ihrem Ort.

Wie viele Weihnachtsfeste haben
sie nicht so stumm schon angeschaut –
und keines hat sich eingegraben
mit Zeichen in die harte Haut!

Doch können Steinen wir vergeben:
Man schuf sie so, so starr und kalt –
ungleich uns Menschen, die wir leben
und zu Gefühlen fähig halt.

Und demzufolge auch zu denken
ans weltgeschichtliche Geschehn –
was an den Bergen von Geschenken
ja jedes Jahr sehr schön zu sehn.

Doch sind es wirklich auch Symbole
für Liebe, wie sie tiefer sitzt,
und nicht für Kasse oder Kohle,
die flüchtig nur die Herzen ritzt?

Ich fürchte fast, ob Mensch, ob Mauern,
da ist kein großer Unterschied:
Wie lang auf Bethlehem wir lauern,
und wie geschwind es wieder flieht!

Kaum sind die Tage abgefeiert
am Busen der Beschaulichkeit,
man wieder durch das Leben eiert
wie unser Kahn durch Raum und Zeit.

Man dreht die eingefahrnen Runden
mit nichts als diesem Weg als Ziel
doch wie gehetzt von tollen Hunden,
so eifrig, eilig und agil.

Und vorn, wo sich der Tunnel lichtet
und wo’s betörend blitzt und blinkt,
die Gier ihr Eldorado sichtet:
das Gold, das ihr aufs Konto sinkt.

Und dafür ließ ans Kreuz sich schlagen
ein Edler, der von Gott beseelt,
dass Gläub’ge eh’r ein voller Magen
denn’s sündige Gewissen quält?

Wie ihn wird es noch viele brauchen
voll Mitleid und voll Opfermut,
dass wir aus diesen Sümpfen tauchen
von Stumpfsinn, Nächstenhass und Blut.

Die Glocken leis und leiser schwingen.
Gestühl und Kanzel wieder leer.
Und Christen kreuzen ihre Klingen,
als ob nie was gewesen wär.

 

Rund ums Fest

Rund ums FestMein Weihnachtsfest, wie soll ich sagen,
ist ohne Glanz und Gloria.
Mir reicht’s, die Zelte aufzuschlagen
wie stets der Krippe möglichst nah.

Werd also in der Küche hocken,
dass meine Fantasie sie nähr,
wenn in Sandalen (ohne Socken!)
ich Verse aus dem Bauch gebär.

Es bringt, um diese zu verehren,
kein König mir ‘ne Kostbarkeit,
doch werd vom Saft ich gerne zehren,
den willig mir die Rebe leiht.

Und da ich auf poet’schem Felde
der einz’ge Hirt wohl weit und breit,
erwarte ich auch nicht in Bälde
Besucher hier von dieser Seit.

Nicht einmal Freunde und Verwandte.
Nicht einmal Esel oder Ochs.
Doch bleib ich gerne der Verbannte,
der Eremit des dritten Stocks.

(‘nen Engel würd ich gern begrüßen,
der sich in meinen Stall verirrt
und gleichsam wie auf Freiersfüßen
beschwingt mir um die Ohren schwirrt.)

Ein Kerzlein ist ja stets zur Stelle,
beflackert heimelig den Raum
und dient mir mit bescheidner Helle
als ausgemachter Weihnachtsbaum.

Und blicke ich aus meinem Koben
zum klaren Winterhimmel auf,
seh ich im Lichtgestöber droben
den Stern von Bethlehem zuhauf.

Auf diese anspruchslose Weise
auch diesmal ich das Fest begeh:
so wie ich jeden Abend leise,
doch fest im Sold der Musen steh.

Und mit dem heiligsten Bestreben,
wie man es sich nur denken mag,
der Liebe will und Wahrheit leben.
Denn Weihnacht ist mir jeden Tag.

 

Noch ein Geburtstag

Noch ein GeburtstagVor Weihnachten nur wen’ge Tage
ist mir der Sprung ins Sein geglückt,
was, wie ich zu behaupten wage,
mich in des Christkinds Nähe rückt.

Doch musst auch diesmal ich verzichten
auf majestätischen Besuch –
wohl weil die Haare sich schon lichten
und ich kein Wurm im Wickeltuch.

Zu meinem Wiegenfest erschienen
nicht Kön’ge aus dem Morgenland,
mir Gold und Weihrauch anzudienen
und Myrrhe mit beringter Hand.

Selbst Hirten, die bei ihrer Hürde
gelangweilt in den Himmel stiern,
befanden ‘s unter ihrer Würde,
mir schnell mal kurz zu gratuliern.

Und wenn zum Firmament ich guckte,
ob mir von dort ein Zeichen käm,
sah ich Gestirn, das trübe zuckte,
doch keinen Stern von Bethlehem.

Muss man aus alledem nun schließen,
dass sich um mich geschert kein Schwein,
so wenig wie sich blicken ließen
auch Ochs und Esel im Verein?

Im Gegenteil: Paketbeladen
erschien noch eine gute Fee,
auf dass sie mich nach Strich und Faden
mit Gaben aller Art verseh.

Und wenn auch in den heut’gen Zeiten
dem Schlicht’ren man mehr Achtung zollt:
Jetzt kann im Toaster ich bereiten,
im neuen, Brot so braun wie Gold.

 

Weihnachtslieder

WeihnachtsliederIm Radio dudeln Weihnachtslieder.
Auf Englisch. Also Songs demnach.
Das Deutsche („Alle Jahre wieder…“)
liegt auf den Plattentellern brach.

In unsren aufgepeppten Sendern
gibt man sich gerne anglophil,
bezieht das „Christmas Flair“ aus Ländern
mit ausgemachtem Pop Appeal.

Der lang die Töne zieht und länger
und schließlich sie zum Schmelzen bringt,
der Crooner (vormals „Schnulzensänger“)
weckt heute den Gefühlsinstinkt.

(Der samt und sonders angesprochen
vom süßen Zauber der Musik –
den Text versteht ja eh kein Knochen,
am wenigsten der Denglisch-Freak.)

Und die hochheil’ge Krippennummer
lallt uns ‘ne fremde Zunge vor –
des Babelturmbaus ganzer Kummer
steigt aus der Seele mir empor.

Energisch muss ich protestieren,
grad auch als gläub’ger Atheist,
dass selbst die Sprache sie kassieren,
in der uns Jesus Jesus ist.

(Der Dummheit trieb’ge Gifte schweifen
auf allen Feldern heut umher:
Seit einem US-Flimmerstreifen
heißt jetzt Kolumbus Christopher!

O schauerlich, sich vorzustellen,
dass dies die künft’ge Richtung weist
und bald die Santa-Glocken bellen,
weil Holli Märi Dschieses kreißt!)

Die Botschaft von des Sees Gestade,
an dem der Gute sich erging,
als Trittbrett für die Hitparade –
kling, Kassenglöckchen, klingeling!

(Die aus dem Tempel Christ vertrieben,
weil Schachern sich dort nicht geziem,
sind ihren Pfründen treu geblieben
und schachern längst ja schon mit Ihm.)

Wie anders die Gesangbuchweisen,
die wir als Kinder kannten schon
und die des Schöpfers Werke preisen
für weiter nichts als Gotteslohn.

(Ich weiß, ich weiß, der soll am Ende
ja gar nicht mal so mickrig sein:
Wohnrecht auf Paradiesgelände.
Für immer. Inkl. Heil’genschein.)

Nicht jammern. Konsequenzen ziehen!
Hat nicht die Kiste auch ‘nen Knopf,
dass, diesem Schmonzes zu entfliehen,
das Maul, das große, man ihr stopf?

Gesagt, getan. Die Schmachter schweigen.
Und in die stille Dämmerstund
wie Nebel aus den Tälern steigen
die Melodien vom Herzensgrund.

Vom Himmel hoch…, …ein Schiff geladen,
Ihr Kinderlein…, …die Tor macht weit –

und ziehn sich wie ein roter Faden
durchs Bild der alten Weihnachtszeit.

Muss man denn mit ‘ner Mode gehen,
die stets sich nach dem Winde dreht
und schon vorm ersten Hähnekrähen
den eignen letzten Schrei verrät?

Und wann, wenn nicht an solchen Tagen
mit Tannenduft und Lichterschein,
wolln wir’s, bei Gott!, denn sonst noch wagen,
so richtig antiquiert zu sein?

Schon dunkelt Dämmer die Fassaden,
verkündet Frost des Abends Näh.
Der Himmel graut in weißen Schwaden.
Und leiser rieselt noch der Schnee.