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Dicke Luft II

Dicke LuftHeut nahm die große Himmelsglucke
auf einmal sich vom Hocken frei –
man weiß nicht, ob nur so als Mucke
oder als Schluss der Brüterei.

Prompt zeigte Celsius’ Hühnerleiter
sich reichlich weniger besonnt;
der Himmel, kühl, noch immer heiter,
doch schwarz zog’s auf am Horizont.

Nach diesen hundstäglichen Wochen,
da mir die Zunge hing am Knie,
hab endlich Lunte ich gerochen
und mich gefreut wie ‘s liebe Vieh.

Ich ging nach draußen. Eine Kühle,
wie sie seit langem mir schon fremd,
gab frischen Wind wie von ‘ner Mühle
und erstmals kein verschwitztes Hemd.

Das blaue Wunder dann zu Hause:
Kaum hinter mir die Straße lag
und ich betrat die kleine Klause,
da traf’s mich wie ein Hammerschlag.

Die Luft, ‘ne eingedickte Brühe,
stand schwül und schwer wie eine Wand,
so dass ich nur mit großer Mühe
den Weg in meine Bude fand.

Ich glaub, dass es noch Wochen dauert,
bis da man wieder atmen kann.
Falls nicht die Glucke wieder kauert –
dann kommt wohl eh’r der Weihnachtsmann!

Klimawandel

KlimawandelZwei Tage Schnee und – Pustekuchen;
an Heiligabend alles weg!
Die Reste geh auf Grönland suchen –
hier dominiert mal wieder Dreck.

Statt Blitze sprühender Kristalle,
in die der Fuß sich knirschend frisst,
wirft Regentropfen, platschend pralle,
der Himmel in die Nacht des Christ.

Ach, all die Tannen, die wir riefen,
die Fichten aus dem Waldrevier,
da stehn sie auf dem Platz und triefen
wie’n eingeweichtes Zotteltier!

Und solln doch majestätisch ragen
so konisch kerzengrad empor,
um still und feierlich zu tragen
den fingerdicken Winterflor.

Da mögen in den Medien dudeln
noch so viel Harfen und Schalmei’n –
es ist, als äß zum Fest man Nudeln
statt Puten- oder Gänsebein.

Die rechte Stimmung will nicht steigen.
Der Weihnachtsmann ist schon geschlaucht,
weil seinem Schlitten es zu eigen,
dass Schnee als Makadam er braucht.

(Indessen könnt ich mir auch denken,
dass sich das ändert Land für Land.
Fuhr er nicht einst auch mit Geschenken
nach Bethlehem – und über Sand?)

Halt, noch ist alles nicht verloren,
da kommt mir grade ‘ne Idee:
Was man nicht hat vor seinen Toren,
das hat man auf dem Kanapee!

Für solche Fälle als Reserve
das Fernsehn schließlich man ersann:
Millionen Dinge in Konserve,
die man nicht frisch bekommen kann.

Ein Klick, und auf den zig Kanälen
entfaltet sich ‘ne Weihnachtswelt:
„Frohlockt“ aus tausend Kinderkehlen
vor Hängen, die mit Schnee bestellt.

Ja, für den weißen Festtagsfrieden
besitzen sie das Monopol,
die näher Gott als wir hienieden:
in Oberbayern und Tirol.

Doch ihre wunderbar gewisse
und schön erlebte Wirklichkeit –
in unsern Stuben bleibt’s Kulisse,
was warm da auf dem Bildschirm schneit.

Nun denn, soll es der Glühwein richten,
dass man den Unterschied nicht spür
und wir dies Zuckerwerk da sichten,
als wär es draußen vor der Tür!

Wenn feurig durch die Kehle rinnen
die würz’gen Schlucke eins, zwei, drei,
dann mag das Wetter noch so spinnen –
wir werden selig doch dabei.

Im Zeitenfluss

Im ZeitenflussSoll ich den Wechsel etwa feiern?
Dezember heißt es nun, na und?
Muss drum ich aus den Rippen leiern
mit ‘nen gereimten Rosenbund?

‘n Distelstrauß, der passte besser
für Chronos mit dem Zifferblatt,
der als gewalt’ger Stundenfresser
ein ausgemachter Nimmersatt.

Schon wieder gierig aufgeschlungen
‘nen Monat meiner Galgenfrist,
der zwar wie Donner nicht geklungen,
indes auch so mir heilig ist.

Ein Schmählied sollte ich wohl dichten,
doch ich beherrsch nicht dies Metier:
Wie könnt ich über andre richten,
da ich mich selbst als Sünder seh?

In Demut will ich nur beklagen,
was aller Erdenwesen Los:
dass schon mit abgezählten Tagen
der Countdown läuft im Mutterschoß.

Was immer wir im Dasein treiben,
es ist ein Wettlauf mit der Zeit,
bei dem wir niemals Sieger bleiben
im Lorbeer der Unsterblichkeit.

(Obwohl die Menschen meist agieren,
als hätt’s mit Sterben keine Not,
und sich für Dinge engagieren,
die sinnlos werden mit dem Tod.)

Dezember. Fangt schon an zu zählen
der Jahrestage dürft’gen Rest –
versüßt nur durchs Orangenschälen
und Nüsseknacken rund ums Fest.

Wenn wir ein Weilchen noch verschnaufen
und uns ein Friede überkommt,
wie er bei Krippen nur und Raufen
dem Ochsen und dem Esel frommt.

Und unterm Tannenbaum wir sitzen,
der würzig in die Nase sticht,
indes die bunten Kugeln blitzen
mit Wangen voller Kerzenlicht.

Doch hinterrücks mit Riesenschritten
prescht der Silvester schon heran,
dieweil auf seinem Rentierschlitten
nach Hause saust der Weihnachtsmann.

Wie kann man bloß willkommen heißen
in langer, ausgelass’ner Nacht
mit Jauchzern, die am Himmel gleißen,
was uns nur wieder älter macht?

Viel eher müsst mit schwarzem Wagen
‘nen Trauerzug man inszeniern,
das alte Jahr zu Grabe tragen
und heiße Tränen drum verliern.

Ich hab dem Rummel abgeschworen
ich weiß nicht wann vor Jahr und Tag,
verstopf mir jedesmal die Ohren
um Mitternacht beim Glockenschlag.

Und leere einen guten Becher,
wie’s bei Beerdigungen Brauch –
ein seltsam zwiegespaltner Zecher:
besinnlich, ja – doch heiter auch!