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Vorsorge

‘ne halbe Woche oder volle,
ein Montag, Mittwoch hinter mir
spielt alles kaum noch eine Rolle,
ganz anders als beim Klopapier.

Zehn Jahre darf ich nun schon tappern
als Rentner übern Erdenball,
indes sie immer lauter klappern,
die Knochen vor dem letzten Fall.

Was glotz ich dann noch wie Auguren,
wohin’s den Vogelflug verschlägt?
Das Schicksal hat mir seine Spuren
längst in den Rücken schon gelegt!

Doch alles, was wir tun und treiben,
nimmt auch das Morgen mit vorweg.
Gedanke, unbewusst: Wir bleiben
trotz Tod und Teufel hier am Fleck.

Das zeigt der Kühlschrank schon alleine,
dies Nachfüllhorn fürs Essgelüst –
Salate, Käse, Wurst und Weine,
als ob’s für Jahre reichen müsst!

Das heißt, sich einen Vorrat schaffen,
der auf den künft’gen Tag vertraut,
damit die Kräfte nicht erschlaffen,
mit denen man sein Luftschloss baut.

(Die Illusion wird man uns rauben,
der Tod gibt allem ja den Rest,
doch geht es uns wie mit dem Glauben:
Er frisst sich an sich selber fest.)

Beharrlich glimmt der Hoffnungsfunken,
dass unser Atem nicht verhaucht
und jeden Morgen siegestrunken
die Sonne aus dem Orkus taucht.

Na ja, doch wider bessres Wissen,
wie ich’s ja eben schon bedacht.
Das Alter ist kein Ruhekissen,
aus dem man stets und stets erwacht.

Doch lässt den Kopf man deshalb hängen,
voll Schwermut in die Hand geschmiegt?
Das Zauberwort, es heißt „verdrängen“,
damit man keinen Rappel kriegt.

Ich üb das schon wer weiß wie lange
auf meine Weise unverwandt –
und steck, dass ich mir Grillen fange,
die Birne in den Musensand.

Zum Tag des Dankes

Gewiss hab ich’s schon ausgeplaudert,
weil’s längst mir auf der Zunge brennt,
dass es mich ganz und gar nicht schaudert
vor Weinen, die man trocken nennt.

Da hab ich einen grad zu fassen
von ebendieser Qualität,
vor dem die anderen verblassen,
weil frisch er durch die Kehle geht.

Er schnürt sie nicht miteins zusammen,
dass beinah ihr der Atem stockt,
als würd er von ‘ner Traube stammen,
die keinen Fabelfuchs verlockt.

Und lässt auch nicht im Ansatz ahnen
den Schimmer einer Lieblichkeit,
um auch bei dem noch abzusahnen,
der mehr sich dem Lambrusco weiht.

Mit einem Wort, er flößt Behagen
mit jedem Aufguss mir ins Glas
als Gruß von jenen Sonnenlagen,
wo er als Pflänzchen gerne saß.

Ließ er sich’s damals wohl schon träumen,
wohin ihn führt die Lebensfahrt?
Gereift, gepresst, in Kellerräumen
in Tanks und Fässern aufbewahrt?

Um einst die Gurgel zu durchschießen
von so ‘nem durst’gen Menschenkind,
in die auch andre Stoffe fließen,
die lange nicht so edel sind?

Wär sicher lieber ihm gewesen,
als Beere friedlich zu vergehn,
als von ‘ner Winzerhand gelesen
die Kelterfolter durchzustehn.

Würd gern ein bisschen Trost ihm spenden,
sofern grad mir das möglich wär –
doch, doch, die Botschaft will ich senden,
dass fleißig ich den Bembel leer.

So ist vergeblich nicht sein Leiden,
so schrecklich nicht sein Opfergang,
gilt es doch, aus ‘ner Welt zu scheiden,
in der er Achtung sich errang.

Die will ich freudig ihm erweisen,
und wenn ich mir ‘nen Kater hol –
sieh her, ich lass den Becher kreisen:
Auf dich, mein Lieber, auf dein Wohl!

Dichterdoping

Der Flasche Pegel seh ich sinken,
den Saft in meiner Achtung nicht.
Wie gerne würd ich weitertrinken,
solange mich der Hafer sticht!

Doch kommt mir quengelnd in die Quere
mit seinem Finger der Verstand
und droht, wenn ich die Buddel leere,
nimmt das Gefasel überhand.

Na und? Bin ich nicht Herr und Meister
in meinem eignen Blätterwald
und notfalls neu zusammenkleister,
was lieblich in den Lauschern hallt?

Man darf sich mal ‘nen Lapsus leisten –
wer möchte schon vollkommen sein?
Ja, ja, ich weiß, die Mille meisten;
ich räum indes auch Fehler ein.

Doch Schluss mit trocknem Räsonieren,
indes der Pegel weiter fällt,
schon drauf und dran sich zu verlieren
im Boden, der so schön gedellt.

Soll ich ein weitres Fläschchen wagen
von ähnlich funkelnder Couleur
und der Vernunft ein Schnippchen schlagen,
indem ich schlicht sie überhör?

Gern würd ich noch ein wenig hocken,
in meine Musenkunst versenkt,
dem Griffel Verse zu entlocken,
wie nur Dionysos sie schenkt.

Um nebenbei noch zu ergründen,
wie lange ist er hilfsbereit
und wo der Punkt, an dem sie münden
ins seichte Meer der Albernheit.

Doch das kann ich erst morgen sagen,
wenn ich das Ganze noch mal sicht,
denn auch der Blödsinn schafft Behagen
und schleicht sich gerne ins Gedicht.

Nun gut, die Zweite muss dran glauben,
allein schon, dass der Test gelingt
und sich im Vollbad dieser Trauben
der Geist emporhebt oder sinkt.

Wie? Was? Ihr wollt sofort es wissen?
Da schluck ich erst mal. Rat muss her…
So, jetzt. Der Faden ist gerissen.
Halbvoll noch Flasche. Hirn ganz leer.

Weinselig

Wenn nach des Tages Last und Launen
erleichtert man zum Griffel greift,
lässt gern man sich in diesen raunen
ein Liedchen, wie der Spatz es pfeift.

Doch manchmal, auch bei langem Lauschen,
hält sich die Fantasie bedeckt
und schickt mir nur das Meeresrauschen,
das eher Müdigkeit erweckt.

Bevor ich mich geschlagen gebe
und meine Muse schlafen schick,
such ich erst Rat noch bei der Rebe,
dass sie mich mit Ideen spick.

Und wirklich, zwei, drei Schlückchen weiter
fühlt sich das Hirn schon so beschwingt,
dass es der Töne ganze Leiter
fast mühelos aufs Blatt mir wringt.

Nun ja, die Rebe anzupreisen,
ist wohl so ungefährlich nicht,
bedeutet’s doch auch zu beweisen
den guten Einfluss aufs Gedicht.

Da aber liegt der Hund begraben:
Nicht jeder Tropfen hat die Kraft,
dass er bescheidnen Dichtergaben
die höchste Sangeskunst verschafft.

Mal klappt es und mal geht’s daneben
mit dem erhofften Höhenflug,
und dieses Motto „Einen heben“
entpuppt sich oft als Selbstbetrug.

So viel ist sicher zu erkennen:
Hat man den Bogen überspannt,
die Verse einem nur so rennen
aus dem benebelten Verstand.

Doch nur in diesen beiden Sorten:
Banalität und Albernheit,
mit denen an der Musen Pforten
vergeblich man nach Einlass schreit.

Heißt aber nicht, die Zeit vertrödeln,
dass reuig ich nun Trübsal blas,
denn einfach nur mal rumzublödeln,
ist schließlich auch ein Heidenspaß!

Hab so mein Pulver ich verschossen,
dass nichts ich mehr zustande bring,
hab ich die Rebe doch genossen –
der hiermit ich ein Loblied sing.

Qualitätswein

Wein ist nicht Wein, lass ich mir sagen:
Er ist der Rebe Ebenbild
und je nachdem, in welchen Lagen
der Saft ihr aus der Blase quillt.

Zum Beispiel dieser dunkelrote
Merlot, bei dem ich grade hock,
holt seine ganz besondre Note
aus den Coteaux des Languedoc.

Ein Zufall allerdings, grad heute
in meine Bude reingeschneit
als erste beste Einkaufsbeute,
die untern Flaschen griffbereit.

(Nur so wird wohl ein Allesfresser
wie ich vom Typus „blindes Huhn“,
sei sie nun schlechter oder besser,
von einer andern Rebe dun.)

Kein Grund indessen, zu bedauern
an meinem Tisch den Zufallsgast –
er wird gewiss hier nicht versauern,
da gut er auch zum Gaumen passt.

Doch muss er noch ‘nen Test bestehen,
bevor ein Ehrenplatz ihm winkt:
Ob außer Zunge er und Zehen
auch noch das Hirn zum Kribbeln bringt.

Ich schluck erst ruhig mal zu Ende
und schätze dann die Wirkung ein.
Die Pünktchen … hier … sie sprechen Bände:
Gegrübel. Doch zurück zum Wein!

Auch da hab ich nichts auszusetzen.
Sooft ich mir ein Schlückchen schnapp,
um meine Gurgel zu benetzen,
geht lyrisch gleich die Luzie ab.

Ob für den Tropfen sich vorzeiten
auch schon der Troubadour entschied,
mit Leidenschaft zu unterbreiten
der hohen Frau sein Minnelied?

Weiß keine Chronik zu berichten.
Doch ich vermute einfach mal:
Muss man auf Küsse schon verzichten,
ist Wein die zweite erste Wahl.

Im Übrigen ist festzuhalten,
dass selten sich so’n Weinchen wehrt,
die Fantasie mir zu entfalten,
die meine Blütenlese mehrt.

Sollt dennoch eines es mal wagen,
dass mir’s den Appetit vergällt,
werd aus dem Kopf ich es mir schlagen,
bevor ‘s das Dichterhirn befällt

Traumwein

Traumwein„’nen Franzen mag kein Deutscher leiden,
doch seine Weine trinkt er gern“ –
ich würd den Wortlaut nicht beeiden,
doch ist von Goethe er im Kern.

Von so ‘nem Kopfe ‘ne Sottise?
Ich hoff, er hat’s nicht so gemeint,
sonst spräche ja ein Geistesriese
wie’n Blödmann vom ererbten Feind!

Nun ja, ich hock hier vor ‘nem Roten,
der auch nicht aus teuton’schem Land,
doch allerbestens zu benoten –
aus Neu-Kastilien hergesandt.

Da hat die Sonne drauf geschienen,
die einst dem Ritter auch gelacht,
der, seiner Dame ernst zu dienen,
zum fahr’nden Narren sich gemacht.

Noch heut sind seiner Heimat Hügel
von Mühlen hier und da bedeckt,
dern morsche, windzerzauste Flügel
des Edlen Lanze wohl geschmeckt.

Wiewohl ich hier im Dunkeln tappe:
Vielleicht trank er schon diesen Wein,
genauso wie sein treuer Knappe,
der maulend ritt ihm hinterdrein.

Fühl ich doch selber, wie zum Träumen
von ihm ich mich verführen lass.
Drum nicht mehr in La Mancha säumen –
auf, Rosinante, zum Parnass!

 

Weinwechsel

thIch wechsle Wein nicht wie mein Hemd –
nur manchmal, wie’s der Zufall will.
Ja, früher: Alles durchgekämmt,
damit man seine Sauflust still.

Doch heute bin ich markentreu.
Man kommt nicht mehr aus seinen Gleisen –
doch dieser Rioja ist mir neu,
den werd ich nicht vom Acker weisen.

Ein bisschen bitter im Geschmack,
ein bisschen herb in seiner Säure –
darauf ich mir ein Ei‘chen back,
wo ich doch gern mit Trocknem feure.

Je mehr ich von dem Tropfen nasch,
hm, desto mehr will er mir munden,
dass mir so selig süß und rasch
die Sinne schwinden wie die Stunden.

Den nehm ich auf in die Kartei,
die kleine, meiner Lieblingssorten,
damit mein Herz noch kühner sei
vor Helikons gediegnen Pforten.

Doch soll er mir zu diesem Zweck
ein andermal noch besser taugen,
wenn ich genüsslicher ihn schmeck,
statt ihn so hastig einzusaugen.

Schon spür ich, wie im Übermaß
die Becher ich mir reingezogen
und, während ich so sann und saß,
der Musengaul mir weggeflogen.

Wohlan denn, Pinsel und Papier,
lasst zeitig uns zu Bette gehen!
Kaum schaff ich noch die Strophe hier –
wie alles anfängt, sich zu drehen!

Gut Nacht, gut Nacht, du Liebe, du,
du Leserin – verzeih die Eile!
Mir falln ja schon die Klüsen zu,
jetzt rasch nur noch die letz …